Russland eskaliert Spannungen an Grenze zu Finnland und schickt Tausende Geflüchtete

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Kein Durchgang mehr nach Russland: der geschlossener Grenzübergang Vaalimaa in Südfinnland im Januar. © Lauri Heino/Lehtikuva/AFP

Die Spannungen an der finnisch-russischen Grenze steigen weiter: Nach Angaben aus Helsinki hat Russland inzwischen mehrere tausend Geflüchtete dorthin geschleust. Die Grenze bleibt dicht, bis mindestens April.

Durch den Nato-Beitritt Finnlands im April 2023 ist die Ostgrenze des Bündnisses um 1340 Kilometer länger geworden. Seitdem sind auch die Spannungen zwischen Finnland und Russland rasant gestiegen. Finnland ist dabei, einen 200 Kilometer langen Zaun an der teils in entlegenem Gebiet verlaufenden Grenze zu bauen; die vier Grenzübergänge sind seit November geschlossen. Russlands Präsident Wladimir Putin kündigte im Dezember die Verlegung von Militär in die Region östlich der Grenze an. Im Januar kündigte er ein Grenzabkommen mit Finnland von 2012 auf. Das zeigt: Putin ist bereit, die Spannungen mit seinem Nachbarn an der Grenze zur EU und zur Nato zu verschärfen.

Russland lässt seit zudem Monaten gezielt immer mehr Geflüchtete an die Grenze schaffen, um Finnland unter Druck zu setzen. „Wir haben Informationen, dass Tausende von Menschen auf der russischen Seite darauf warten, nach Finnland zu gelangen“, sagte Innenministerin Mari Rantanen diese Woche auf einer Pressekonferenz. Wie die finnischen Behörden an diese Information gelangt sind, sagte sie nicht. Sie glaube, dass noch mehr Migranten versuchen würden, die Grenze illegal zu überqueren, sobald der Frühling kommt und die Temperaturen langsam steigen, betonte Rantanen. Derzeit herrschen in den waldigen Grenzgebieten Finnlands eisige Temperaturen und es liegt tiefer Schnee.

Finnland sieht „hybride Bedrohung“ durch Russland

Als Reaktion hatte das Innenministerium bereits Anfang der Woche Gesetzesänderungen für einen verbesserten Grenzschutz angekündigt. Diese werden „dazu beitragen, die Sicherheit an den Grenzen zu stärken, und jegliche Versuche wirksam bekämpfen, Finnland in Form von instrumentalisierter Migration unter Druck zu setzen“, teilte das Innenministerium am Montag mit, ohne Details zu nennen. Schon seit Anfang Februar hat das Land die Grenzkontrollen verstärkt sowie kürzlich mit den USA ein Abkommen geschlossen, das US-Streitkräften die Nutzung von 15 Militärstützpunkten für gemeinsame Aktionen an Land, in der Luft und zur See ermöglicht. Auch will Finnland nach einem lokalen TV-Bericht Hunderte neuer Schießstände errichten, an denen Reservisten und Zivilisten üben können. Das Interesse daran sei seit Beginn des Ukraine-Krieges enorm gestiegen, hieß es.

Bislang bleibt Finnlands konservative Regierung hart und öffnet die Grenze für die Geflüchteten nicht. Mindestens bis Mitte April wird sie geschlossen bleiben. Die Lage hatte sich zuvor schrittweise zugespitzt. Nach Angaben der finnischen Grenzbehörde waren zwischen August und Dezember 2023 mehr als 1300 Geflüchtete aus Ländern wie Jemen, Somalia und Syrien aus Russland nach Finnland eingereist – statt wie zuvor im Schnitt ein Asylbewerber pro Tag. Allein 900 davon kamen im November.

Finnlands konservativer Regierungschef Petteri Orpo wertete dieses Vorgehen als „hybride Bedrohung“ durch Moskau und ordnete am 28. November die komplette Schließung aller Grenzübergänge an. Zwei im Dezember versuchsweise geöffnete Übergänge wurden binnen eines Tages wieder geschlossen. Rantanen nannte den Grenzübertritt einer „zweistelligen Zahl“ von Asylbewerbern binnen knapp 24 Stunden damals eine Fortsetzung der russischen Hybridoperation: „Finnland kann das nicht akzeptieren.“ Es gebe keine Anzeichen dafür, dass Russland sein Verhalten ändern werde.

Geflüchtete an finnischer Grenze: Russische Grauzonen-Taktik

Eine zweistellige Zahl Geflüchteter wirkt aus mittel- oder südeuropäischer Perspektive gering. Doch der Fall zeigt, dass Russland inzwischen auch gegenüber Nato-Staaten gewillt ist, sogenannte „Grauzonen-Taktiken“ anzuwenden, angesiedelt irgendwo zwischen politischem Druck und handfester Aggression. „Der Einsatz von Migranten als Waffe ist ein zentrales Element bei Russlands Krieg gegen die Ukraine“, meint Armida van Rij von der Denkfabrik Chatham House. „Damit sollen die Einheit der EU und die Entschlossenheit der Verbündeten der Ukraine untergraben werden.“ Man wolle gezielt die Uneinigkeit in der EU zur Migrationsfrage ausnutzen.

So weckt die Situation an der finnischen Grenze unschöne Erinnerungen an den Winter 2021/2022, als Tausende Geflüchtete am Grenzzaun zwischen Belarus und Polen campieren mussten. Der mit Putin verbündete belarussische Diktator Alexander Lukaschenko hatte sie dorthin bringen lassen, um die EU unter Druck zu setzen. Sein Ziel war es, die Sanktionen Brüssels loszuwerden. Es kam an Polens Grenze zu Protesten und Zusammenstößen mit Grenzbeamten. Auch an den Grenzen Litauens und Lettlands tauchten damals ungewöhnlich viele Geflüchtete auf.

Doch Lukaschenkos Plan ging nicht auf, vor allem weil Polen die Menschen rigoros abwies. Polens damaliger Regierungschef Mateusz Morawiecki nannte diese gezielt verursachte humanitäre Krise damals den „größten Versuch zur Destabilisierung Europas seit 30 Jahren“.

An der finnischen Grenze droht nun ein ähnlich schwieriges Szenario. „Es ist nur richtig, dass sich die EU hinter Finnland gestellt hat und Personal, Ausrüstung und finanzielle Unterstützung anbietet, um die Auswirkungen der jüngsten russischen Eskalation zu bewältigen“, meint Armida van Rij. Auch könne die EU von Finnland lernen, das auf die Bedrohung durch Russland mit einem gesamtgesellschaftlichen Ansatz antworte. So stellten dort ausgefeilte staatliche Bildungsprogramme sicher, dass die finnischen Bürger die von Russland ausgehende Gefahr verstehen.

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