Witwenrente über Jahre zu viel gezahlt – Rentnerin soll 60.000 Euro zurückzahlen
Jahrelang erhielt eine Witwe zusätzliche Rente – der Fall kam vor Gericht. Die Rentenversicherung fordert fast 60.000 Euro zurück.
Darmstadt – Eine Witwe aus Hessen stand plötzlich vor einer finanziellen Rückzahlung in Höhe von fast 60.000 Euro. Der Grund: Sie erhielt über Jahre hinweg eine große Witwenrente, obwohl sie bereits seit 1999 zusätzlich eine Altersrente aus eigener Versicherung bezog – eine Kombination, die Auswirkungen auf die Höhe der Witwenrente hat. Das Hessische Landessozialgericht entschied: Die Rentnerin habe ihre Mitwirkungspflichten grob fahrlässig verletzt und muss die zu viel gezahlten Beträge vollständig erstatten.
Die heute 86-jährige Klägerin war seit 1959 mit ihrem Ehemann verheiratet, der 1996 verstarb. Im selben Jahr erhielt sie erstmals eine große Witwenrente in Höhe von rund 1.280 DM monatlich. Diese Rentenform wird unter bestimmten Voraussetzungen dauerhaft gewährt – etwa, wenn die überlebende Person ein bestimmtes Alter erreicht hat oder ein Kind erzieht. Bei der Klägerin lagen die Voraussetzungen vor, weshalb sie die Rente bewilligt bekam.
Was sie jedoch versäumte: die Mitteilung an die Rentenversicherung, dass sie ab 1999 zusätzlich eine Altersrente aus eigener Versicherung in Höhe von rund 2.500 DM monatlich bezog. Diese Altersrente hätte Auswirkungen auf die Witwenrente gehabt. Denn laut den gesetzlichen Regelungen wird bei gleichzeitiger Zahlung von Witwenrente und eigenem Einkommen ein Teil des Einkommens auf die Witwenrente angerechnet – konkret 40 Prozent des Betrags, der nach § 97 SGB VI über einen festgelegten Freibetrag hinausgeht. Das wurde in diesem Fall über zwei Jahrzehnte hinweg nicht berücksichtigt.
Urteil des Hessischen Landesgerichts: Gericht sieht grobe Fahrlässigkeit
Erst im Jahr 2019 entdeckte der Rentenversicherungsträger durch einen automatisierten Datenabgleich, dass die Rentnerin zwei Rentenleistungen bezog. Im Anschluss leitete die Behörde ein Rückforderungsverfahren ein. Die überzahlten Leistungen beliefen sich auf insgesamt 59.831 Euro. Die Rentnerin wurde zur Rückzahlung aufgefordert.
Diese argumentierte, dass sie gutgläubig gehandelt habe. Die Anträge auf beide Renten seien von der kommunalen Rentenstelle ausgefüllt worden, und sie sei davon ausgegangen, dass der Rentenversicherungsträger intern über ihre Angaben informiert gewesen sei. Ihrer Ansicht nach sei es unverständlich, dass der Fehler erst nach 20 Jahren auffiel und nicht durch einen internen Datenabgleich verhindert wurde. Doch das Hessische Landessozialgericht sah das anders. In seinem Urteil stellte der es klar: Es liege eine grob fahrlässige Verletzung der Mitwirkungspflicht vor. Die Klägerin sei 1996 im Rentenbescheid ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass der Hinzutritt von Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen – darunter auch eine eigene Rente – der Behörde mitzuteilen sei. Dieser Pflicht sei sie nicht nachgekommen.
Rückzahlung trotz fehlender Rücklagen: Die Witwenrente im Überblick
Zudem betonte das Gericht, dass auch dann eine grob fahrlässige Unkenntnis vom Wegfall des Anspruchs anzunehmen sei, wenn die betroffene Person wie im vorliegenden Fall ihre eigene Rente beim gleichen Versicherungsträger beantragt habe. Dass die Informationen nicht innerhalb der Behörde automatisch abgeglichen wurden, entbinde die Klägerin nicht von ihrer Pflicht zur aktiven Mitteilung. „Die Klägerin hat durchgehend eine Altersrente aus eigener Versicherung bezogen, ohne dies der für die Witwenrente zuständigen Stelle mitzuteilen“, heißt es in der Urteilsbegründung. Der Rentenversicherungsträger sei damit berechtigt gewesen, die ursprüngliche Rentenbewilligung rückwirkend ab dem 1. Juni 1999 teilweise aufzuheben, entschied das HLG.
Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung haben Hinterbliebene grundsätzlich Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente, wenn sie mit der verstorbenen Person mindestens ein Jahr verheiratet waren und keine neue Ehe eingegangen ist. Dabei wird zwischen kleiner und großer Witwenrente unterschieden. Die große Witwenrente steht beispielsweise zu, wenn der oder die Hinterbliebene ein bestimmtes Alter erreicht hat – ab 2029: 47 Jahre – erwerbsgemindert ist oder ein Kind unter 18 Jahren betreut. Sie beträgt in der Regel 55 Prozent der Rente des verstorbenen Ehepartners – in älteren Fällen, wie hier, sind es 60 Prozent.
Allerdings wird eigenes Einkommen auf die Witwenrente angerechnet. Übersteigt das Einkommen einen bestimmten Freibetrag, wird der übersteigende Betrag zu 40 Prozent von der Witwenrente abgezogen. Diese Regelung soll Doppelleistungen vermeiden und eine gerechte Verteilung von Sozialleistungen sicherstellen.
Besonders bitter für die Rentnerin: Sie verfügt nach eigenen Angaben nicht über ausreichende finanzielle Rücklagen, um die Forderung zu begleichen. Die über Jahre bezogenen Rentenbeträge seien vollständig verbraucht worden. Dennoch sieht das Gericht keine Grundlage für eine teilweise Erlass der Rückzahlung. Ein Verstoß gegen die sogenannte Zehnjahresfrist, die in bestimmten Fällen Rückforderungen einschränken kann, sei ebenfalls nicht gegeben. Der Betrag sei im vollen Umfang zurückzuzahlen. Das Gericht hob zudem hervor, dass die Rentenversicherung bereits 1996 darüber belehrt hatte, dass bei nicht rechtzeitiger Mitteilung auch rückwirkende Rückforderungen drohen. Eine Revision ließ das Gericht nicht zu. (ls)