Wegweisendes Urteil zur Witwenrente: Das müssen betroffene Rentner wissen
Eigentlich haben Hinterbliebene nur dann ein Anrecht auf eine Witwenrente, wenn die Ehe seit mindestens einem Jahr besteht. Doch diesen Grundsatz hat ein Gericht nun gekippt.
Berlin – Beim Tod des Ehepartners oder der Ehepartnerin besteht in vielen Fällen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente der gesetzlichen Rentenversicherung. Dabei erhalten Witwen oder Witwer im Falle der „großen“ Witwenrente in der Regel 55 Prozent der Rente, die der oder die Verstorbene bezogen hätte. Im Falle der „kleinen“ Witwenrente gibt es lediglich 25 Prozent der Rente – diese gilt, wenn die Witwe oder der Witwer unter 47 Jahre alt ist.
Um die Hinterbliebenenrente beziehen zu können, muss außerdem die Ehe seit mindestens einem Jahr bestehen. Das soll verhindern, dass Menschen kurzfristig heiraten, nur um eine Rente zu beziehen. Es gibt aber Ausnahmen von dieser Regel – eine davon hat das Sozialgericht Berlin erst im März beschlossen.
Witwenrente bekommen bei weniger als einem Jahr Ehe: Eigentlich nur eine Ausnahme
Bisher galt als einzige Ausnahme zur Mindestdauer der Ehe der plötzliche Unfall: Stirbt der Ehepartner oder die Ehepartnerin beispielsweise bei einem Autounfall, der in der Regel unvorhersehbar ist, dann hat der Witwer oder die Witwe trotzdem Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente, auch wenn die Ehe seit weniger als einem Jahr besteht.
Eine weitere Ausnahme hat das Sozialgericht Berlin im Fall einer krebskranken Frau bekräftigt, deren Ehemann trotz der „zu kurzen“ Ehe Anspruch auf die Hinterbliebenenrente hat (Az.: S 4 R 618/21). So habe der Witwer glaubhaft nachweisen können, dass das Paar lange vor dem Tod der Ehefrau Pläne hatte, zu heiraten.
Witwer soll Rente seiner Frau bekommen: Es gab schon länger Heiratspläne
Im konkreten Fall war die Verstorbene erstmals 2014 an Brustkrebs erkrankt, nach erfolgreicher Behandlung war die Krankheit 2019 wieder diagnostiziert worden. Noch vor der zweiten Diagnose hatte das Paar seine Hochzeit im Standesamt für Juli 2020 angemeldet. Aufgrund der Chemotherapie der Erkrankten, die im April 2020 begann, sagte das Paar die ursprünglichen Pläne ab und heiratete im Krankenhaus. Der Grund dafür seien auch die Corona-Beschränkungen im Krankenhaus gewesen, die nur für Eheleute lockerer waren. Drei Monate nach der Hochzeit im Krankenhaus verstarb die Frau.
Im November 2020 lehnte die Rentenversicherung den Antrag des Witwers auf Hinterbliebenenrente ab, mit der Begründung, dass die Ehe noch nicht die Einjahresfrist überschritten hatte. Zum Zeitpunkt der Eheschließung sei klar gewesen, dass die Frau bald sterben würde, weshalb man von einer Versorgungsabsicht ausgehen müsse. Dagegen klagte der Witwer dann im Jahr 2021.

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Der Darstellung der Rentenversicherung folgte das Sozialgericht Berlin nicht. Wenn nachweisbar ist, dass der Zweck der Ehe nicht hauptsächlich die Versorgung des Hinterbliebenen ist, dann muss die Rentenversicherung eine Rente zahlen. Davon sei die Kammer im vorliegenden Fall überzeugt, so die Urteilsbegründung.
Die Rentenversicherung hat allerdings Berufung eingelegt, weshalb es nun an das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg geht. Erst nach einer Entscheidung im Berufungsverfahren ist das Urteil rechtskräftig.
Witwenrente wird zum 1. Juli 2024 für viele Rentner um 7,5 Prozent erhöht
Die Hinterbliebenenrente ist immer wieder Gegenstand gesetzlicher Regelungen und Änderungen. So wird zum 1. Juli die Witwenrente für viele Bezieher und Bezieherinnen um 7,5 Prozent erhöht.
Im vergangenen Jahr wurde außerdem eine Debatte über die Abschaffung der Witwenrente angestoßen, um Lücken im Bundeshaushalt zu decken. „Die jetzige Regelung reduziert die Anreize, eine eigene Beschäftigung aufzunehmen“, erklärte Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, ihren Vorschlag gegenüber dem Spiegel.
„Außerdem tragen so alleinstehende Beitragszahlende zur Finanzierung von Rentenansprüchen für nicht erwerbstätige Partner bei, die selbst nicht in das System einzahlen“, fügte die Regierungsberaterin hinzu. Die Neuregelung würde jedoch nicht für aktuelle Bezieher gelten. Als Alternative schlug die Ökonomin das selten genutzte Rentensplitting vor, bei dem die während der Ehe erworbenen Rentenansprüche 50:50 aufgeteilt werden.
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