Neue Vorwürfe gegen Putins Truppen: Wurden Kriegsgefangene hingerichtet? Konkrete Zahlen genannt
Im Ukraine-Krieg kommen immer wieder Kriegsgefangene ums Leben. Russland sieht sich einmal mehr dem Vorwurf von Exekutionen gegenüber.
Kiew – Auch für Kriege gelten Regeln. Doch werden die in den Auseinandersetzungen zumeist ignoriert. Das gilt auch für den Umgang mit Gefangenen im nun bald drei Jahre andauernden Ukraine-Krieg. Dmytro Lubinets, Menschenrechtsbeauftragter im ukrainischen Parlament, wirft Russland in einem Telegram-Post Verstöße gegen die Genfer Konventionen vor.
Er berichtet von einem Video, dass die Erschießung kapitulierender Soldaten zeigen soll. Fünf ukrainische Soldaten würden während der Aufnahme von Russen getötet. Darüber will er die Vereinten Nationen (UN) und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) informieren. Lubinets fordert: „Russische Kriegsverbrecher, die ukrainische Kriegsgefangene erschießen, müssen vor einem internationalen Tribunal erscheinen und die härteste Strafe erfahren, die das Gesetz vorsieht.“
Russland und Kriegsgefangene: Putins Truppen sollen 177 Ukraine exekutiert haben
Erst am 10. Dezember hatte der Menschenrechtsexperte im ukrainischen Fernsehen davon gesprochen, dass allein im Jahr 2024 mindestens 109 ukrainische Kriegsgefangene von russischen Militärs getötet worden seien. Die Zahl der gesamten Fälle seit Beginn der Invasion der Truppen von Kreml-Chef Wladimir Putin gab Lubinets mit 177 an.
Zudem betonte der ukrainische Ombudsmann: „Es gibt russische Vertreter, die der ganzen Welt jetzt zynisch und öffentlich zeigen, dass sie sich nicht an das internationale Völkerrecht und die Genfer Konventionen halten, sie entführen Kinder, sie foltern die Zivilbevölkerung der Ukraine und töten Kriegsgefangene.“
Die BBC berichtet aktuell ebenso über Fälle von Morden an ukrainischen Soldaten während ihrer Gefangenschaft. Dort kommen ältere Fälle zur Sprache. So würde ein Video die Exekution eines Scharfschützen zeigen, ein anderes 16 aufgereihte ukrainische Soldaten, die getötet wurden, nachdem sie sich ergeben haben sollen.
Ein Foto zeige halbnackte Leichen, bei denen es sich möglicherweise um neun gefangen genommene ukrainische Soldaten handelt. Außerdem soll der Vorwurf im Raum stehen, ein Ukrainer sei mit einem Schwert enthauptet worden, während seine Hände auf dem Rücken gefesselt waren. Ein BBC-Team entdeckte demnach auf mehreren Videos Hinweise darauf, dass die Opfer ukrainische Uniformen trugen, die Aufnahmen seien aktuell.
Exekutionen von Kriegsgefangenen im Ukraine-Krieg: „Seit vergangenem November systematisch“
In dem Artikel wird unter Berufung auf die ukrainische Staatsanwaltschaft von mindestens 143 hingerichteten ukrainischen Kriegsgefangenen seit Putins Marschbefehl berichtet, allein 123 davon seien 2024 getötet worden. Juri Beloussow, Leiter der Kriegsabteilung der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft, fasste zusammen: „Hinrichtungen werden seit vergangenem November systematisch durchgeführt und haben sich das ganze Jahr lang fortgesetzt.“
Die Zahl sei im Sommer und Herbst besonders gestiegen. Die Fälle seien auch breit gefächert. „Es gibt Hinweise darauf, dass entsprechende Anweisungen erteilt werden“, ergänzte Beloussow.

Kriegsgefangene im Ukraine-Krieg: Machen sich wegen Exekutionen auch die Vorgesetzten strafbar?
Laut Rachel Denber, stellvertretende Direktorin der Einheit für Europa und Zentralasien bei Human Rights Watch, spielt eine große Rolle, dass die Tötungen von Kriegsgefangenen für die russischen Soldaten ungestraft bleiben. Deshalb müssten diese Fragen gestellt werden: „Welche Anweisungen erhalten diese Einheiten, formell und informell, von ihren Kommandeuren? Machen die Kommandeure ganz klar, was die Genfer Konventionen über die Behandlung von Kriegsgefangenen sagen? Was sagen russische Militärkommandanten ihren Einheiten über deren Verhalten?“
Ebenso müsse geklärt werden, inwiefern diese Vorfälle von russischer Seite untersucht werden. Denn wenn die Vorgesetzten nicht ermitteln, würden sie sich selbst strafbar machen. Putin hat bislang stets bestritten, dass seine Soldaten beim Umgang mit Kriegsgefangenen gegen das Kriegsrecht verstoßen würden.
Auch die ukrainische Seite sieht sich Vorwürfen gegenüber, die Soldaten würden Kriegsgefangene töten. Die Zahl der Verdachtsfälle ist jedoch deutlich geringer. Bislang ist nicht bekannt, dass in diesem Zusammenhang Strafen ausgesprochen wurden. (mg)