CDU will Rentenalter anheben: Eine Rente mit 70 wäre aber eine „verkappte Rentenkürzung“

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Frauen und Männer in Deutschland werden immer älter. Doch das Renteneintrittsalter bleibt starr. © Uwe Umstätter/Imago

Die CDU fordert schon lange eine Anhebung des Renteneintrittsalters. Doch würde das wirklich das Problem der Rentenkasse beheben?

München – Die Debatte um die nötigen Reformen für die gesetzliche Rente wird sich wohl noch einige Zeit hinziehen, schließlich ist die Lage ernst. Immer mehr Menschen gehen in Rente, doch die Zahl der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die deren Altersrenten finanzieren müssen, zieht nicht in gleichem Maße mit. Noch dazu steigt die Lebenserwartung, die Renten müssen also auch noch über mehr Jahre hinweg bezahlt werden. Das alles belastet sowohl die Rentenkasse als auch den Bundeshaushalt: Schon jetzt ist der Sozialetat der größte Posten im Haushalt.

Rente mit 70: Das spricht für den Vorschlag der CDU über ein höheres Rentenalter

Wenig überraschend ist es daher, dass so gut wie jede Partei ein Programm zur Reform der gesetzlichen Rente vorlegt. In diesen Wochen wird über den Vorschlag der CDU diskutiert, das Renteneintrittsalter nochmal zu erhöhen, um die Rentenkasse etwas zu entlasten. CDU-Chef Friedrich Merz lehnt eine rasche Anhebung des Eintrittsalters zwar ab – doch im Grundsatzprogramm seiner Partei ist davon die Rede, das Rentenalter an die Lebenserwartung zu koppeln. Umgangssprachlich ist von einer „Rente mit 70“ die Rede.

Es spricht auf der einen Seite einiges dafür, das gesetzliche Renteneintrittsalter nochmal zu erhöhen. So steigt die Lebenserwartung hierzulande immer weiter an. Jungen, die 1991 auf die Welt kamen, konnten mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 72,4 Jahren rechnen; heute geborene Jungen werden im Durchschnitt 78 Jahre alt werden. Bei Mädchen liegt die Lebenserwartung nach wie vor höher: 1991 Geborene werden im Schnitt 79 Jahre alt, während die heute auf die Welt kommenden Mädchen schon eine Lebenserwartung von fast 83 Jahren aufweisen.

1991 geborene Männer und Frauen gehen regulär nach aktuellem Stand mit 67 Jahren in Rente. Im Schnitt leben sie also dann noch fünf bis zwölf Jahre, in der Zeit beziehen sie eine Altersrente. Ohne weitere Anpassung des Renteneintrittsalters würden die 2023 geborenen Kinder ebenfalls mit 67 Jahren in Rente gehen dürfen – würden aber im Schnitt elf bis 16 Jahre noch leben. Das erhöht die durchschnittlichen Kosten der Rentenkasse enorm.

Rentenalter blieb viele Jahre bei 65 Jahren – doch die Menschen gehen früher in Rente

Doch diese Statistik verschleiert die Realität. In Wirklichkeit gehen nämlich die Menschen trotz höherem Renteneintrittsalter im Schnitt nicht auch wirklich so viel später in Rente. Das zeigen die Daten der Deutschen Rentenversicherung bereits heute.

Jahrzehntelang lag das Renteneintrittsalter bei 65 Jahren. Das blieb konstant, ungeachtet der Lebenserwartung. Wie das Demografieportal von Bund und Ländern zeigt, blieb das tatsächliche durchschnittliche Eintrittsalter in die Rente seit 1960 nahezu immer unter 65 Jahren. „Einen Tiefpunkt erreicht es 1982 mit 62,3 Jahren für Männer und 61,5 Jahren für Frauen. Danach stieg das Zugangsalter aufgrund von politischen Maßnahmen deutlich an – vor allem bei den Frauen, mit einer Zunahme um mehr als zwei Jahre,“ heißt es auf dem Portal.

Renteneintrittsalter zwischen 1960 und 2022
Renteneintrittsalter zwischen 1960 und 2022 © Screenshot/Demografieportal Bund und Länder

Trotzdem erreichte das durchschnittliche Eintrittsalter bis heute nicht die anvisierten 65 Jahre. Wie die Deutsche Rentenversicherung in einer Statistik erfasst, gingen 2021 und 2022 etwa 50 Prozent der Rentner und Rentnerinnen zwischen 63 und 64 Jahren in Rente. 43,1 Prozent gingen mit 65 in Rente. Im Jahr 2022 lag das gesetzliche Eintrittsalter bei 65,8 Jahren.

Höheres Rentenalter bedeutet laut Gewerkschaft eine Rentenkürzung

Sollte das Renteneintrittsalter also auf 70 angehoben werden, dann ist davon auszugehen, dass sehr viele Menschen trotzdem früher in Rente gehen werden. Sicherlich würde die Anhebung der Regelaltersgrenze dazu beitragen, dass länger gearbeitet wird – aber bis 70 werden es die wenigsten tun, das zeigen diese Statistiken eindeutig.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der ein höheres Renteneintrittsalter ablehnt, drückt es wie folgt aus: „Der reguläre Rentenbeginn wird zwar vom Rentenrecht bestimmt. Er sagt jedoch wenig darüber aus, ob die Menschen überhaupt so lange arbeiten können.“

Was uns die Vergangenheit ebenfalls lehrt: Um früher in Rente zu gehen, nehmen viele Menschen Abschläge in Kauf. Aktuell beträgt der Abschlag 0,3 Prozent pro Monat früheren Rentenbezug. Deswegen sind es in der Regel auch diejenigen, die sich eine frühere Rente schlichtweg leisten können, die die Frührente in Anspruch nehmen können. Der DGB dazu: „Die Erhöhung des Renteneintrittsalters ist eine verkappte Rentenkürzung. Und das, obwohl die gesetzliche Rente alleine schon heute oft nicht zum Leben reicht.“

Darüber hinaus bedeute ein höheres Renteneintrittsalter für einige Menschen, die aufgrund von Krankheit oder körperlicher Belastung früher sterben, dass sie ein Leben ohne Arbeit nie erleben werden, so die Gewerkschaft weiter.

Rentenkasse braucht Lösungen: Wirtschaftsweisen schlagen mehrere Renten-Reformen vor

Eine Erhöhung des Rentenalters kann also nicht das Problem der Rentenfinanzen (alleine) beheben. Das sehen auch Ökonomen und Ökonominnen so. Das Beratungsgremium der Wirtschaftsweisen fordert daher auch weitere Maßnahmen, um die Rente abzusichern: Eine kapitalgedeckte Altersvorsorge sowie bessere private Rentenprodukte, aber auch eine Anpassung der Rentenerhöhung an die Inflation (anstatt an die Löhne), gehören zu den Vorschlägen.

Eine Abschaffung der abschlagsfreien Frührente für Personen mit mindestens 45 Beitragsjahren sollte dem Willen der Wirtschaftsweisen zufolge ebenfalls in Betracht gezogen werden. Der Rentenexperte unter den Wirtschaftsweisen, Martin Werding, hat sich auch für eine Erhöhung der Abschläge ausgesprochen, damit der frühere Renteneintritt noch unattraktiver gestaltet wird.

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