China, Russland, Iran und Nordkorea: Entsteht eine neue Allianz der Autokraten?

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In den USA ist von einer neuen „Achse des Bösen“ die Rede: Seit Beginn des Ukraine-Kriegs sind China, Russland, Nordkorea und Iran eng zusammengerückt. Sie eint ein gemeinsames Ziel.

Plötzlich ist die „Achse des Bösen“ zurück: Vor mehr als 20 Jahren hatte der damalige US-Präsident George W. Bush den Begriff geprägt, um seinen Krieg gegen den Terror zu rechtfertigen. Nordkorea, der Iran und der Irak würden gemeinsame Sache machen, um den USA zu schaden, behauptete Bush nach dem Trauma vom 11. September 2001. Jetzt macht der unselige Begriff eine zweite Karriere – um ein angebliches Bündnis zwischen China, Russland, Nordkorea und dem Iran zu beschreiben.

Führende US-Republikaner wie Nikki Haley und Mitch McConnell wollen eine Allianz der vier Autokratien ausgemacht haben, eine neue „Achse des Bösen“. Ihr angebliches Ziel: die Vormachtstellung der USA zu brechen.

Xi Jinping, Kim Jong-un, Wladimir Putin, Ali Chamenei
Xi Jinping, Kim Jong-un, Wladimir Putin, Ali Chamenei: den Westen im Visier. © Sergei Guneyev/Alexander Kazakov/Vladimir Smirnov/Atta Kenare/AFP (Montage)

Tatsächlich träumen die Herrscher in Peking, Moskau, Pjöngjang und Teheran von einer neuen Weltordnung, in der nicht länger die USA das alleinige Sagen haben. Xi Jinping, Wladimir Putin, Kim Jong-un und die iranischen Mullahs wollen das internationale System auf den Kopf stellen, sie untergraben seine Institutionen und brechen seine Regeln. Sie lehnen Werte wie Menschenrechte und Demokratie ab und propagieren ein autoritäres Herrschaftsmodell.

Ein formelles Bündnis bilden die vier Staaten zwar nicht, ihre Zusammenarbeit ist meist bilateral. Aber sie haben erkannt, dass sie ihre Ziele besser durchsetzen können, wenn sie gemeinsame Sache machen. Dabei kommen sie sich jedoch immer wieder auch in die Quere. Auf die neue Nähe zwischen Russland und Nordkorea blickt China sorgenvoll, zudem ringt Peking mit Moskau um Einfluss in Zentralasien. Iran und Russland wiederum konkurrieren um Abnehmer für ihr Öl. Bis vor Kurzem haben China und Russland zudem UN-Sanktionen gegen Pjöngjang mitgetragen. Der Ukraine-Krieg hat die vier Autokratien aber wieder enger zusammengebracht. Eine Übersicht:

China und Russland: „ein Instrument in den Händen von Putin“

Für US-Außenminister Antony Blinken ist klar: „Russland würde es schwer haben, seinen Angriff auf die Ukraine ohne Chinas Unterstützung aufrechtzuerhalten.“ Washington wirft China vor, den russischen Angriffskrieg mit Gütern zu unterstützen, die sowohl zu zivilen als auch militärischen Zwecken genutzt werden können, beispielsweise mit gepanzerten Fahrzeugen, Drohnen und Mikrochips. Tatsächlich ist der Handel zwischen den Ländern 2023 auf ein Rekordhoch von 240 Milliarden US-Dollar gestiegen; chinesische Unternehmen füllen zudem die Lücken, die der Rückzug westlicher Firmen hinterlassen hat – und exportieren unter anderem Autos nach Russland. Gleichzeitig bezieht China verbilligtes Gas und Erdöl von Putin.

Auch auf persönlicher Ebene scheint es zu stimmen zwischen Putin und Xi. Im Mai kamen die beiden Präsidenten einmal mehr in Peking zusammen, es war bereits ihr 43. Treffen. Schon kurz vor Beginn des Ukraine-Kriegs hatten Xi und Putin sich ihrer „felsenfesten“ Freundschaft versichert. Zuletzt warf der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der sich mit Kritik an China bislang zurückgehalten hatte, den Chinesen vor, „ein Instrument in den Händen von Putin“ zu sein.

Russland und Nordkorea: Waffen und Munition für den Ukraine-Krieg

Im vergangenen Spätsommer verließ Kim Jong-un sein Land erstmals seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Seine Reise führte ihn in Russlands Fernen Osten, wo er mit Putin unter anderem über geplante Rüstungsprojekte sprach. Wenig später gelang es Pjöngjang erstmals, einen Spionagesatelliten ins All zu schicken – wahrscheinlich dank russischer Hilfe. Bereits zuvor war bekanntgeworden, dass Nordkorea massenhaft Waffen und Munition an die Russen liefert, die auch im Ukraine-Krieg eingesetzt werden. Unter anderem verschießt Russland ballistische Raketen aus nordkoreanischer Produktion – für Kim ist die Ukraine eine Art Testlabor, um zu beobachten, wie seine Waffen im Kriegseinsatz funktionieren. Bei einem Gegenbesuch von Putin in Pjöngjang Mitte Juni unterzeichneten beide Seiten ein Abkommen zur gegenseitigen Verteidigung.

Auch diplomatisch sind Moskau und Pjöngjang seit Beginn des Ukraine-Kriegs enger zusammengerückt. Zuletzt blockierte Russland im UN-Sicherheitsrat die Verlängerung eines Mandats für eine Expertengruppe, die bislang die UN-Sanktionen gegen Nordkorea überwacht hatte.

China und Nordkorea: Verbündete, sie sich misstrauen

Nordkorea braucht China: Für das isolierte Regime von Diktator Kim Jong-un ist der große Nachbar im Norden der wichtigste Handelspartner, die Regierung in Pjöngjang importiert Lebensmittel und Treibstoff aus China. Umgekehrt braucht auch China seinen kleinen Nachbarn. Denn Nordkorea bildet für Peking eine Pufferzone zwischen dem eigenen Staatsgebiet und Südkorea, wo rund 28.000 US-Soldaten stationiert sind. Im UN-Sicherheitsrat blockierte Peking vor zwei Jahren erstmals neue Sanktionen gegen Nordkorea, zuletzt besuchte Pekings Nummer drei das abgeschottete Land. Beobachter erwarten, dass sich Xi Jinping und Kim noch in diesem Jahr erstmals seit 2019 treffen könnten.

Mit großer Sorge blickt Peking allerdings auf das nordkoreanische Raketen- und Atomprogramm. Immer wieder landen ballistische Raketen, die das Kim-Regime testen lässt, in Gewässern vor der chinesischen Küste. Zudem sorgt sich Peking vor einer nuklearen Eskalation in seiner unmittelbaren Nachbarschaft. Auch einen Zusammenbruch des Kim-Regimes fürchtet China, denn dann würden wohl Millionen Geflüchtete die Grenze nach China überqueren. Die zunehmende Zusammenarbeit zwischen Pjöngjang und Moskau betrachtet Peking mit Argwohn – China fürchtet, dass sein Einfluss auf Kim schwinden könnte.

Iran und Russland: Kooperation trotz Sanktionen

Berichten zufolge hat der Iran seit Anfang 2024 Hunderte ballistische Raketen an Russland geliefert, auch Tausende iranische Drohnen soll Putin im Ukraine-Krieg einsetzen. Zudem sollen beide Staaten beim Bau einer Drohnenfabrik in Russland zusammenarbeiten. Umgekehrt hilft Russland den Mullahs, ihre eigene Armee zu modernisieren – oftmals unter Umgehung internationaler Sanktionen. So hat Russland dem Iran moderne Kampfflugzeuge und Luftverteidigungssysteme verkauft, die Teheran helfen würden, sich gegen eine mögliche Militäroperation der USA oder Israels zu wehren. Die Biden-Regierung spricht deswegen von einer „beispiellose Verteidigungspartnerschaft“, die in den vergangenen Jahren zwischen den beiden Ländern entstanden sei.

China und Iran: Hunger nach Öl

Anfang des Jahres bekam der Staatenbund BRICS Zuwachs: Auf Drängen Pekings nahm die Vereinigung, der zuvor Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika angehörten, vier neue Staaten auf, darunter auch den Iran. Zudem wurde das Mullah-Regime im 2023 Mitglied der von Peking dominierte Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit – eine massive Aufwertung des isolierten Landes.

China ist der Hauptabnehmer von iranischem Öl und der wichtigste Handelspartner des Landes. Allerdings sind die chinesischen Investitionen im Iran gering, zum Frust von Teheran. Unklar ist auch, welchen Einfluss Peking auf das Regime hat. Als die vom Iran unterstützte Huthi-Rebellen begannen, Handelsschiffe im Roten Meer zu attackieren, wurden chinesische Schiffe zwar verschont, ein Ende der Angriffe konnte Peking aber nicht erwirken.

Iran und Nordkorea: Zusammenarbeit zweier Parias

Vor ein paar Wochen machte sich eine nordkoreanische Delegation in den Iran auf – es war das erste Mal seit langem, dass die Staatsmedien des Landes über eine solche Reise berichteten. Nordkoreas Minister für Außenhandel sei in den Iran gereist, hieß es Ende April, Details wurden indes nicht bekannt. Wie überhaupt vieles im Verborgenen abläuft zwischen der Atommacht Nordkorea und dem Mullah-Regime, das sein eigenes Atomprogramm seit Jahren vorantreibt – möglicherweise mithilfe von Kim Jong-uns Wissenschaftlern.

Berichten zufolge hat Nordkorea in der Vergangenheit zudem Waffen an die Hamas und die Hisbollah verkauft, zwei eng mit Iran verbundene Terrororganisationen. Im Dezember erklärten die israelischen Streitkräfte, nordkoreanische Waffen seien im Gazastreifen aufgetaucht. Auch die Huthi-Rebellen, ebenfalls Verbündete der Mullahs, sollen Waffen aus Nordkorea erhalten haben. Zudem gibt es Berichte, nach denen nordkoreanische Waffen erst in den Iran und dann weiter an Russland geliefert werden und schließlich auf den Schlachtfeldern im Ukraine-Krieg zum Einsatz kommen.

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