Nordkorea-Soldaten in Russland: China blickt hilflos auf die neue Allianz zwischen Kim und Putin

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Im Ukraine-Krieg hat sich China auf die Seite des Kreml gestellt. Dass nordkoreanische Soldaten für die Russen kämpfen, sorgt in Peking dennoch für Unmut.

Auch wenn sich Pjöngjang noch immer bedeckt hält: Die Beweise, dass sich nordkoreanische Soldaten in Russland aufhalten, sind überwältigend. So zeigen etwa Satellitenbilder und Videoaufnahmen die Truppenbewegungen. „Wir gehen davon aus, dass Nordkorea insgesamt etwa 10.000 Soldaten zur Ausbildung nach Ostrussland geschickt hat, die wahrscheinlich in den nächsten Wochen die russischen Streitkräfte in der Nähe der Ukraine verstärken werden“, sagte unlängst eine Pentagon-Sprecherin.

Nordkorea ist zum wichtigsten Partner im russischen Krieg gegen die Ukraine aufgestiegen – und Russland zum engsten Verbündeten des Kim-Regimes. Nicht nur im Westen betrachtet man das mit Sorge, auch in China blickt man mit Argwohn auf die neue Nähe der beiden Nachbarländer. „Wir hoffen, dass alle Parteien auf eine Deeskalation hinarbeiten und sich für eine politische Lösung einsetzen werden“, erklärte vergangene Woche ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums.

Das war zwar reichlich allgemein formuliert, so wie fast immer, wenn China sich zum Ukraine-Krieg äußert. Aber doch deutlich fordernder als in der Vergangenheit. Da hieß aus dem Pekinger Außenamt stets, die Zusammenarbeit zwischen Russland und Nordkorea sei „eine Angelegenheit zwischen zwei souveränen Staaten“, in die man sich nicht einmische.

Soldaten aus Nordkorea in Russland erregen Unmut in China

Davon will man nun nichts mehr wissen in Peking. „Die jüngsten Entwicklungen zwischen Russland und Nordkorea gehen über eine einfache bilaterale Angelegenheit hinaus und werden wahrscheinlich weitreichende Auswirkungen haben“, kommentiert etwa Feng Yujun von der Peking Universität. Er ist einer der wenigen chinesischen Intellektuellen, die den russischen Einmarsch öffentlich kritisieren. Russland und Nordkorea würden versuchen, die Welt in Kalter-Krieg-Mentalität in zwei Blöcke zu teilen – und China auf ihre Seite zu ziehen. Dem müsse Peking sich widersetzen, fordert Feng in einem Beitrag auf der Plattform WeChat.

Zwar hat sich Peking hinter Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine gestellt und unterstützt Moskau diplomatisch und mit der Lieferung von Gütern, die militärisch genutzt werden können. Nordkoreanische Soldaten, die in Europa kämpfen – das hat allerdings auch für China eine gänzlich neue Qualität. Japan und Südkorea haben sich tief besorgt über die Entwicklung geäußert, die Regierung in Seoul überlegt sogar, Waffen direkt an die Ukraine zu liefern. Auch will das Land Berater nach Kiew schicken. Japan und Südkorea kooperieren militärisch schon jetzt eng mit den USA, dem größten Rivalen der Chinesen. Das Gleichgewicht der Mächte in Ostasien verschiebt sich angesichts der neuen Eskalation im Ukraine-Krieg immer mehr zum Nachteil Chinas.

Kim Jong-un und Putin: Welchen Einfluss hat China auf Nordkorea?

Als Gegenleistung für die Entsendung von Soldaten dürfte Kim Jong-un von Russland Unterstützung für sein Raketen- und Nuklearprogramm erhalten. Eine nukleare oder konventionelle Eskalation auf der koreanischen Halbinsel will Peking aber um jeden Preis verhindern. Nicht zuletzt, weil China und Nordkorea durch einen Vertrag zur gegenseitigen Unterstützung im Verteidigungsfall verbunden sind. Auch hat man in Peking registriert, dass in Japan und vor allem Südkorea Stimmen laut werden, die eigene Atomwaffen fordern, um Nordkorea abzuschrecken.

Kim Jong-un und Xi Jinping 2019 in Pjöngjang
Kim Jong-un und Xi Jinping 2019 in Pjöngjang: Es war das bislang letzte Treffen der beiden Staatsoberhäupter. © KCNA/AFP

Je enger Putin und Kim zusammenrücken, desto geringer wird allerdings der chinesische Einfluss auf das Regime in Pjöngjang. Wobei unklar ist, ob China überhaupt mäßigend auf Kim einwirken könnte. Seinen sechsten Atomtest beispielsweise führte Nordkorea 2017 ausgerechnet an jenem Tag durch, als Xi Jinping die Staatschefs der BRICS-Staaten in Südchina empfing. Es war ein empfindlicher Gesichtsverlust für Chinas Staats- und Parteichef.

„Es ist mehr als fünf Jahre her, dass sich Xi und Kim das letzte Mal getroffen haben, zuletzt im Juni 2019 in Pjöngjang“, gibt der Nordkorea-Experte Sung-Yoon Lee von der US-Denkfabrik Wilson Center zu bedenken. Putin und Kim hingegen seien sich seitdem dreimal begegnet. „Ich glaube, dass Kim Xi nicht konsultiert hat, bevor er beschloss, seine Truppen in den Kampf in der Ukraine zu schicken“, sagte Lee IPPEN.MEDIA.

„Immer wenn sich Nordkorea von Peking entfernt und an Moskau angebiedert hat, waren die Chinesen entrüstet“

Staatsgründer Mao Zedong hatte China und Nordkorea einst als „so eng wie Lippen und Zähne“ bezeichnet und Hunderttausende Soldaten im Koreakrieg verheizt. Heute scheint Peking vorsichtig auf Abstand zu Pjöngjang zu gehen. Als Xi sich vor wenigen Wochen für Kims Glückwünsche zum 75. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik bedankte, vermied er es erstmals seit Jahren, Nordkorea als „freundliches Nachbarland“ zu bezeichnen. Auch soll Peking Berichten zufolge ein Denkmal zerstört haben, das an ein früheres Treffen zwischen Kim und Xi erinnert.

Zwar besitzt China durchaus Druckmittel gegenüber Pjöngjang: Rund 90 Prozent aller Importe bezieht Nordkorea aus China, Peking könnte den Handel recht leicht unterbinden. Das aber hätte wohl einen Kollaps des dortigen Regimes zur Folge. Millionen Flüchtlinge würden nach China strömen, und an der gemeinsamen Grenze stünden bald Soldaten aus Südkorea und den USA. Für Peking ein Horrorszenario.

„Immer wenn sich Nordkorea in der Vergangenheit von Peking entfernt und an Moskau angebiedert hat, waren die Chinesen entrüstet“, sagt Experte Lee. „Aber fast immer haben sie die Hilfe für Pjöngjang erhöht, um das Land wieder in die chinesische Umlaufbahn zu locken.“ Es ist ein Dilemma, aus dem China so leicht nicht herausfinden wird. Der lachende Dritte dabei ist Kim Jong-un. „Ich gehe davon aus, dass Kim mit dem neuen internationalen Kräfteverhältnis, das derzeit Pjöngjang begünstigt, sehr zufrieden ist“, so Lee.

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