Nächster Koloss in Putins Hand: Der Ukraine gehen die Abrams-Panzer aus
Für Russland die Zukunft, für die USA bald Vergangenheit: Der Abrams wird vom Krieg überholt – aber die Ukraine bekommt dringend benötigten Nachschub.
Moskau – „Alle Vorteile des M1 in puncto Mobilität, Feuerkraft und Schutz stehen auf dem Spiel“ – vor einem Jahr bereits hat das U.S.-amerikanische Army Science Board den Abrams für faktisch tot erklärt. In einem Konflikt mit China sei das Fahrzeug zu groß, zu schwer, zu altbacken. Der Ukraine-Krieg hat den 70-Tonner an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gebracht. Jetzt haben Wladimir Putins Invasionstruppen ein weiteres Fahrzeug gekapert. Mittlerweile seien von den 31 von den USA entsandten Abrams-Panzern nahezu 20 zerstört, beschädigt oder in Feindeshand gefallen, berichtet das Military Watch Magazin. Inzwischen ist klar: Der rund zehn Millionen Euro teure Koloss bleibt auf europäischem Terrain ein Muster ohne Wert – und hat damit wohl auch seine Zukunft verspielt.
Die meisten Abrams seien durch Artillerie oder Kamikaze-Drohnen getroffen, wie Military Watch schreibt. Mindestens einen Abrams-Panzer soll ein russischer T-72B3 aufs Korn genommen haben, und einige seien von ihrer Besatzung aufgegeben worden, berichtet das Magazin. Jetzt aber will Australien in die Bresche springen. Die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) veröffentlicht eine Ankündigung der australischen Regierung, wonach die Verluste der Ukraine jetzt ausgeglichen werden sollen.
Aufgeblähte West-Panzer spielen im Ukraine-Krieg häufig keine Rolle
Anfänglich sei von bis zu 59 M1A1SA-Panzern gesprochen worden, aber wie das Magazin Defence Express berichtet, sollen maximal 49 dieser Panzer an die Front marschieren; das hat Verteidigungsminister Richard Marles gegenüber AP bestätigt. Damit gibt das Land die meisten seiner Abrams ab. Laut AP möchte Australien allerdings zehn Einheiten zurückbehalten, um sie für Trainingszwecke zu nutzen während des vollständigen Übergangs auf die neuesten M1A2 SEPv3 Abrams. Gleichzeitig sei vereinbart, dass die USA Unterstützung bei Wartung, Modernisierung, Ausbildung der Besatzungen, Transport von Munition und logistischer Unterstützung leisten werden, so AP.
„China und Russland haben unsere Streitkräfte und Doktrin studiert und ergreifen Gegenmaßnahmen. Wir werden weiterhin in der Unterzahl kämpfen müssen, was durch eine niedrige Einsatzbereitschaft der Kampfpanzer und eine alternde Flotte noch verschärft wird.“
75 neue Panzer soll Australien dafür bekommen. Allerdings ist die Götterdämmerung des Panzers als solchem absehbar – die Kriege in Berg-Karabach und der Ukraine hätten die Schwachstellen der Panzer durch Panzerabwehrraketen, bewaffneten Drohnen, herumfliegender Munition und Minen offengelegt und die Gefahren einer zunehmenden Transparenz auf dem Gefechtsfeld aufgezeigt, behauptet die U.S.-amerikanische Studie. Obwohl die Topographie der Ukraine umfassende Begegnungsgefechte zwischen Panzern zuließe, spielen die im Ukraine-Krieg keine Rolle, wie das Magazin Europäische Sicherheit & Technik (ESUT) schreibt. Ursache dafür sei tatsächlich auch „die Verbreitung von Panzerabwehrlenkwaffen, sodass Infanterie einen Panzervorstoß leichter aufbrechen und absorbieren kann als ihre Vorgänger im Zweiten Weltkrieg“, wie ESUT-Autor Sam Cranny-Evans darlegt.
Ihre Technik hat die West-Panzer fast bis zur Unbeweglichkeit aufgebläht – und legt den Abrams im aktuellen Kriegsgeschehen in der Ukraine häufiger lahm, schreibt das Magazin Forbes: Wenn die vierköpfige Besatzung eines Abrams versäumt, die Filter ihres Panzers etwa alle zwölf Stunden zu reinigen, kann dies den Motor stark beschädigen. Dann bleibt manchmal keine andere Wahl, als den Motor und das Getriebe auszubauen und für eine Weile wegzuschicken für eine langwierige Überholung. Die nächste Abrams-Werkstatt für die Ukraine-Krieger läge mindestens 1.000 Kilometer entfernt. In Polen.
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Abrams-Einsatz gegen Putin: Feuerunterstützung gegen Stellungen, Scharfschützen und Fahrzeuge
Für Australien mag der Abrams aktuell noch eine gute Wahl sein – deren Armee müsste in einem Krieg im Indopazifik wohl hauptsächlich die Heimat verteidigen. Andere Aufgaben hätte die USA in einem Konflikt mit China zu lösen: Dort stünden die Panzer auf fremdem Terrain – wie bereits in der Ukraine; was den potenziellen Gegnern von morgen einen entscheidenden Vorteil gebracht habe, schreibt das Army Science Board: „China und Russland haben unsere Streitkräfte und Doktrin studiert und ergreifen Gegenmaßnahmen. Wir werden weiterhin in der Unterzahl kämpfen müssen, was durch eine niedrige Einsatzbereitschaft der Kampfpanzer und eine alternde Flotte noch verschärft wird.“
Insgesamt gehen die Analysten demnach davon aus, dass der M1 Abrams auf dem Schlachtfeld des Jahres 2040 nur noch eine Nebenrolle spielen werde. Wie The War Zone (TWZ) berichtet, basiere die Studie auf Israels Interventionen im Südlibanon 2006 und im Gazastreifen 2014, dem Berg-Karabach-Konflikt 2020, dem Ukraine-Krieg sowie den Entwicklungen innerhalb der chinesischen Volksbefreiungsarmee. Panzer spielten in der Ukraine dagegen insofern dennoch eine Schlüsselrolle, da sie Feuerunterstützung gegen befestigte Stellungen, Scharfschützen und Fahrzeuge leisten, schreibt ESUT.
Studie stellt klar: Abrams-Koloss für Kampf gegen China viel zu schwer
In den Grundtugenden der Mobilität, Feuerkraft und Panzerung scheint der Abrams als der Gigant unter den Panzerfahrzeugen am ehesten der Entwicklung hinterher zu hecheln, wie die Studie festhält. Bereits der britische Challenger-Kampfpanzer war im Morast der Ukraine steckengeblieben und in seiner Kernaufgabe, der schnellen und entschlossenen Gefechtsführung, kaum mehr zu gebrauchen gewesen – und dabei besitzt er gegenüber dem Abrams noch einen Gewichtsvorteil von fast zehn Tonnen. Sollte also gegenüber China ein Konflikt in Taiwan auszufechten sein, würde allein die Logistik dieser Dinosaurier die U.S.-Streitkräfte an ihre Leistungsgrenze bringen und schnelle Operationen nahezu unmöglich machen.
„Die aktuelle Studie unterstreicht die seit langem bestehenden Bedenken hinsichtlich der unzureichenden Kapazitäten für den Seetransport und der Einschränkungen beim Transport schwerer Panzer auf dem Luftweg“, schreibt TWZ. „Allein was das Gewicht betrifft, bringt die neueste M1A2 System Enhancement Package Version 3 (SEPv3)-Variante der Armee bei voller Kampflast zwischen 76 und 78 Tonnen auf die Waage, mehr als 20 Tonnen mehr als der ursprüngliche M1, der in den 1980er Jahren in Dienst gestellt wurde“, so das Papier.
Selbst ein schwer beschädigter und ausgebrannter M1A1 Abrams-Panzer sei aber für die Analyse durch russische Militäringenieure, weiterhin wertvoll, wie Army Recognition im Mai berichtet hatte – zu dem Zeitpunkt war den Russen der erste M1 Abrams in die Hände gefallen. „Dies ermöglicht ein Verständnis der Schwachstellen und Stärken des Panzers, was für die Entwicklung von Verteidigungstaktiken und die Verbesserung des Designs eigener Panzerfahrzeuge von Vorteil ist“, so das Magazin.
Beutepanzer machen Russland Mut: „Unser Sieg ist unvermeidlich.“
Darüber hinaus seien alle Komponenten ohne allzu große Beschädigung – wie optische Systeme, Kommunikationsgeräte und Motorteile – eine willkommene Basis zum Ausschlachten oder Kopieren. Army Recognition unterstellt, insbesondere bezüglich der elektronischen Kriegführung und Cybersicherheit sei jede Komponente eines westlichen Panzers für Russland von unschätzbarem Wert. Durch jedes halbwegs intakte Beutepanzer-Modell – ob nun Abrams oder Leopard – könnten die Russen „exakt wissen, wie schnell er ein Ziel erfassen kann, wie gut seine Nachtsichtfähigkeiten sind, wie sich der Turm drehen kann“, hat Gernot Kramper für den Stern formuliert.
Dem Panzer wird seine neue Rolle noch auf Leib zu schneidern sein – wobei der Krieg asymmetrischer werden wird, aber auch in seiner klassischen Form vital bleibt, wie Ralf Raths erklärt: „Die Zeit der Panzerschlachten und operativen Durchbrüche ist da zwar vorbei. Aber angesichts der Panzernutzung in der Ukraine oder in Syrien wird schnell deutlich, dass die Panzer stattdessen zu ihrer ursprünglichen Rolle zurückkehren: Sie werden vermehrt in geringer Zahl und im taktischen Kontext eingesetzt: Als Rammböcke in kleinen Gefechten, als Ankerpunkte für die Infanterie oder als Artillerieeinsatz über lange Distanzen im Direktfeuer“, sagte der Direktor des Deutschen Panzermuseums in Munster der Welt.
Mit jedem erbeuteten West-Fahrzeug steigt offenbar auch die Moral der russischen Streitkräfte. Jedenfalls hatte Wladimir Putin Mitte des Jahres Beute-Panzer und Wracks öffentlich zur Schau stellen lassen – was das russische Verteidigungsministerium auf Telegram vollmundig anmoderiert hatte, wie der Business Insider berichtete: „Unser Sieg ist unvermeidlich. Keine westliche Militärausrüstung wird die Situation auf dem Schlachtfeld ändern.“