Merz-Regierung: Bürgergeld-Streichung trotz Verfassungsurteil?

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Union und SPD wollen Sozialleistungen rigoros kürzen. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts stellt diese Pläne jedoch infrage. Das Grundgesetz ist betroffen.

Berlin – Union und SPD planen eine Reform des Bürgergelds, die unter gewissen Voraussetzungen den vollständigen Entzug von Leistungen ermöglichen soll. Doch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts könnte dem entgegenstehen. Auch ganz allgemeine Grundlagen des deutschen Rechts sprechen dagegen.

Merz plant mit Grundsicherung einige Bürgergeld-Kürzungen

Die neue Koalition unter der Führung von Bundeskanzler Friedrich Merz (69, CDU) beabsichtigt, das bisherige Bürgergeld durch eine neue Grundsicherung zu ersetzen. Diese Maßnahme ist umstritten, da sie vorsieht, Leistungen komplett zu streichen, wenn Empfänger wiederholt ihre Mitwirkungspflichten verletzen. Es gibt klare Regelungen, wann Bürgergeldempfänger einen vermittelten Job ablehnen dürfen. In allen anderen Fällen sind bisher nur Leistungskürzungen vorgesehen, wenn Sozialleistungsbezieher sich unkooperativ auf dem Weg zur Beschäftigung verhalten.

Bisher konnten Leistungen bei Pflichtverletzungen um maximal 30 Prozent gekürzt werden, wie es im Paragraph 31 des Zweiten Sozialgesetzbuchs (SGB II) festgelegt ist. Die neue Koalition plant jedoch eine Verschärfung der Sanktionen: B0ei wiederholter Arbeitsverweigerung droht ein vollständiger Leistungsentzug.

Da sind sich der mehrheitlich ins Amt gewählte Kanzler Friedrich Merz und sein Koalitionspartner von der SPD, Lars Klingbeil (47), einig. Im März 2025 erklärte Merz auf einer Pressekonferenz nach ersten Koalitionsgesprächen mit der SPD: „Für Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen“. Auch Klingbeil unterstützte diese Ansicht: „Wer sich komplett verweigere, könne nicht auf die gleiche Unterstützung wie andere setzen.“

Urteil spricht gegen drastische Reformen mit der geplanten Grundsicherung

Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2019 stellt jedoch klar, dass eine vollständige Streichung der finanziellen Unterstützung verfassungswidrig ist. Dieses Urteil basiert auf der grundrechtlichen Garantie eines menschenwürdigen Existenzminimums, das in Artikel 1 und 20 des Grundgesetzes verankert ist. Die Menschenwürde ist unantastbar, und die Bundesrepublik als Sozialstaat muss ein Existenzminimum sichern.

Die Umsetzung der geplanten Reform könnte also rechtliche Herausforderungen mit sich bringen, da die vollständige Streichung der Leistungen bislang als verfassungswidrig gilt. Die Koalition muss sicherstellen, dass die geplanten Sanktionen mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen wäre notwendig, um die Maßnahmen verfassungskonform zu gestalten.

Ein Mann mit Smartphone in der Hand, Bildschirm zeigt Logo von der Agentur für Arbeit
Wann darf das Jobcenter das Bürgergeld kürzen? Ein Überblick © Bihlmayerfotografie/IMAGO

Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass alle Maßnahmen unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden sollen. Zudem plant die Koalition eine Rückkehr zu den Anpassungsmechanismen der Regelsätze vor der Corona-Pandemie. Auch die Karenzzeit für Vermögen soll entfallen, und das Schonvermögen wird künftig an die Lebensleistung gekoppelt. Das Online-Portal gegen-hartz.de kritisiert die Grundsicherung als Rückschritt in der Arbeitsmarktpolitik.

„Die neuen Pläne erinnern eher an Hartz-IV-Zeiten, in denen Pflichten höher gewichtet wurden als Förderung“, schreibt Rechts-Experte Andreas Dorn dort. Wie die neue Regierung die Balance zwischen den politischen Zielen und den verfassungsrechtlichen Vorgaben finden wird, bleibt abzuwarten. Eine mögliche Alternative zum Angestelltendasein ist der Weg in die Selbständigkeit, das Jobcenter unterstützt dabei. (diase)

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