Renten-Offensive trifft einkommensschwache Selbstständige – „Darf nicht zur Existenzbedrohung werden“
Die Renten-Reform sorgt für Wirbel: Union und SPD wollen auch Selbstständige zur Kasse bitten. Für viele mit kleinem Einkommen könnte das eng werden.
Kassel – Die neue Regierung aus Union und SPD hat im Koalitionsvertrag zugesichert, das Rentenniveau bis zum Jahr 2031 bei 48 Prozent zu stabilisieren. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hat auch schon eine Idee, wie dieses Versprechen umgesetzt werden kann: „In die Rentenversicherung sollten auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige einzahlen. Wir müssen die Einnahmen verbessern“, sagte sie Mitte Mai gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Ministerin Bas erntete für ihre Renten-Offensive mächtig Gegenwind. „Einer Zwangs-Einheitsversicherung erteilen wir eine klare Absage“, erklärte Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzende des dbb Beamtenbundes, der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Während sich der Fokus der Kritik bislang vor allem auf die Einbeziehung von Beamten richtet, bleibt ein anderer Aspekt weitgehend unbeachtet: Auch einkommensschwache Selbstständige wären von der Renten-Reform betroffen.
Merz-Regierung startet mit Renten-Offensive – Selbstständige müssen blechen
Der Plan, auch Selbstständige im Alter abzusichern, ist keineswegs neu. Im am 9. April vorgestellten Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD heißt es: „Wir wollen Selbstständige besser fürs Alter absichern. Wir werden alle neuen Selbstständigen, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem zugeordnet sind, gründerfreundlich in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen.“ Selbstständige werden voraussichtlich also so oder so zur Kasse gebeten – doch es gibt ein Schlupfloch.

Sozialverbände begrüßen Renten-Offensive – „absolut richtiger und überfälliger Vorstoß“
Die Sozialverbände SoVD und VdK begrüßen die Reform. „Das ist ein absolut richtiger und überfälliger Vorstoß. Die gesetzliche Rentenversicherung ist ein solides, gerechtes und bewährtes System, das auf Solidarität und Umlagefinanzierung basiert. Wer Altersarmut unter Selbstständigen wirksam vorbeugen will, muss sie verpflichtend in dieses System einbeziehen“, so Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland SoVD, gegenüber IPPEN.MEDIA.
Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, erklärt unserer Redaktion: „Es wäre ein wichtiger Schritt, dass Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Wir wissen aus vielen Studien, dass zu viele gerade junge Solo-Selbstständige nicht ausreichend fürs Alter vorsorgen und dass zu viele Ältere überproportional von Altersarmut betroffen sind.“ Auch den Einbezug von Beamten und Polikern bezeichnen beide als richtigen Schritt.
Selbstständige sollen einzahlen: Expertin fordert Rentenbeträge mit „sozialem Augenmaß“
Trotz der klaren Haltung der Sozialverbände sehen auch sie die Herausforderungen bei der Renten-Reform: Für einkommensschwache Selbstständige könnte sie zur finanziellen Belastung werden. Deshalb schlägt SoVD-Vorstandsvorsitzende Engelmeier vor, zu Beginn der Selbstständigkeit gestaffelte Beiträge zu erheben – ergänzt durch staatliche Zuschüsse. „Die Beitragspflicht darf nicht zur Existenzbedrohung werden – sie muss mit sozialem Augenmaß gestaltet werden.“
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Sie fährt fort: „Darüber hinaus sind wir davon überzeugt, dass bei den Selbständigen selbst ein großes Interesse vorliegen sollte, eine gute Altersabsicherung zu haben. Sind wir mal ehrlich – es ist nur menschlich: Wenn wir kein Geld beiseitelegen müssen, dann machen wir das vielleicht auch nicht. Gerade dann, wenn das Geld ohnehin schon knapp ist. Im Alter hätten wir dann das Nachsehen.“ Erst ab einem bestimmten Gehalt ist ein Renten-Leben ohne Geldsorgen möglich.
Bentele sieht das ähnlich: „Eine aktuelle KfW-Umfrage hat ja ergeben, dass fast ein Drittel der Gründer angab, sie wären eigentlich lieber angestellt und sähen die Selbstständigkeit nur als vorübergehende Episode, um ein höheres Einkommen zu erreichen, eine Geschäftsidee umzusetzen oder die eigene Karriere voranzubringen.“ Diese Phase des Ausprobierens sollte ermöglicht und gefördert werden. Sie erwarte von der Koalition schrittweise Übergänge und gerechte Beiträge. (cln)