Habeck und Pistorius wollen in Deutschlands Rüstungsindustrie einsteigen – Strategiepapier in Abstimmung

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Innenministerin Nancy Faeser (v.l.n.r., SPD), Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Entwicklungsministerin Sonja Schulze (SPD) bei einer Kabinettssitzung. © Bernd von Jutrczenka/dpa

Die Modernisierung der Bundeswehr stockt. Die Bundesregierung um Robert Habeck und Boris Pistorius plant deshalb eine direkte Beteiligung an der Rüstungsindustrie.

Berlin – Das gesellschaftliche Ansehen der deutschen Rüstungsindustrie ist in den vergangenen Monaten rapide gestiegen. Ob nun der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine oder die zerbrechliche Sicherheitslage im Nahen Osten – Konzerne wie Rheinmetall oder Airbus gelten wieder offiziell als Garanten für die Sicherheit und Verteidigung Europas. Das untermauern im Übrigen auch deren höhenflugartige Umsatzentwicklung der vergangenen drei Jahre. Doch trotz voller Auftragsbücher und Projektbücher stockt die Modernisierung der Bundeswehr weiterhin. Auch deshalb plant die Bundesregierung, sich künftig enger an die Rüstungsindustrie zu binden und aktiv zu beteiligen – das geht laut Handelsblatt aus einem Entwurf für eine Sicherheits- und Verteidigungsstrategie hervor.

Habeck und Pistorius wollen Unabhängigkeit stärken und Bund an Rüstungsindustrie beteiligen

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wollen dem Bund ermöglichen, sich in strategisch wichtigen Fällen anteilig an Rüstungsunternehmen oder deren Projekten im Bereich der Schlüsseltechnologien zu beteiligen – und diese gezielt mitzufinanzieren. Ziel soll es sein, Deutschlands Militär schnell verteidigungsfähiger aufzustellen sowie gleichermaßen die eigene Unabhängigkeit zu stärken. Speziell für den Fall, dass Donald Trump bei der US-Wahl im November triumphiert, wolle man mit seinen europäischen Partnern militärisch handlungsfähig bleiben. Der Republikaner gilt als Gegner der finanziellen und militärischen Ukraine-Unterstützung der USA.

Im Hintergrund laufen bereits seit Monaten Gespräche zwischen der Regierung und deutschen Rüstungskonzernen. Auch die persönlichen Besuche häuften sich: Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Pistorius eröffneten im Februar noch eine Munitionsfabrik von Rheinmetall. „Wir brauchen eine laufende Produktion von wichtigen Waffen, Geräten und Munition. Das erfordert langfristige Verträge und Anzahlungen, um Fertigungskapazitäten aufzubauen. So schaffen wir hier in Deutschland eine industrielle Basis, die ihren Beitrag leistet zur Sicherung von Frieden und Freiheit in Europa“, hatte Scholz dazu bereits vor einem Jahr konstatiert.

Die Abstimmungen und das auf den Weg gebrachte Strategiepapier loten dabei Möglichkeiten aus, in welcher Rolle der Bund etwa Investitionsprozesse beschleunigen oder regulatorische und bürokratische Hürden abbauen kann. Das Ziel sollen Effizienzgewinne auf allen Ebenen sein. Schon jetzt besitzt der Bund zwar Anteile an Rüstungsfirmen wie der Hensoldt AG mit Sitz im bayrischen Taufkirchen. Über die Kreditanstalt für Wiederaufbau besteht seit 2020 eine mittelbare Beteiligung von 25,1 Prozent. Auch weitere existieren, unterliegen aber der Geheimhaltung und sind deswegen nicht öffentlich. Doch sollen die Kooperationen zwischen Bund und Wirtschaft künftig noch strategischer ausgeweitet werden. So könnten etwa Genehmigungsverfahren für neue Fabriken angetrieben und Kapazitäten für (Groß-)Aufträge ausgeweitet werden.

Vorbild USA: Mehr Wagniskapital für Start-ups und Subventionen für Militärforschung

Als Vorbild diene hier die Regelung des Labels „im öffentlichen Interesse“, mit dem die Regierung bereits den Ausbau der LNG-Terminals geregelt hatte. Denkbar seien zudem gezielte Vermittlungshilfen von Wagniskapital für Start-ups, deren Innovationen auch einen militärischen Mehrwert bringen könnten. Angedacht sei hier eine Kopplung an den Zukunftsfonds, der mit einem Umfang von 10 Milliarden Euro in Start-ups aus den Bereichen Künstliche Intelligenz, Klima-, Quanten- oder Biotechnologie investiert. Entsprechende Pläne wurden der Deutschen Presse-Agentur aus Regierungskreisen ebenfalls bestätigt.

Nach dem Vorbild der USA planen Habeck und Pistorius zudem eine neue Subventionspolitik im Bereich der Forschung für militärische Zwecke. Hier soll es dem Staat künftig auch erlaubt sein, Forschungsprogramme finanziell zu unterstützen, deren Innovationen eventuellen Einsatz im militärischen Kontext finden. Eine derartige Ausweitung der Subventionen werden derzeit häufig noch von sogenannten Zivilklauseln blockiert. Etwaige Ausnahmeregelungen prüft die Bundesregierung im Zuge des Bewilligungsverfahrens des Strategiepapiers noch. Auf EU-Ebene fördert die Europäische Investitionsbank (EIB) bereits die Entwicklung von Dual-Use-Technologien, die in zivilen und militärischen Bereichen zum Einsatz kommen können. Ein weiteres Ziel der Bundesregierung sei es, derartige Kooperationen gemeinsam mit anderen EU-Ländern noch gezielter auf Projekte der Rüstungskonzerne umzuleiten. In diesem Bereich gab es in den vergangenen Monaten deutliche Kritik am „bedauernswerten Zustand“ der EU-Rüstungsindustrie.

Ob und wann das Strategiepapier offiziell beschlossen werde, sei laut Regierungskreisen noch offen. Laut Handelsblatt visieren Habeck und Pistorius eine Beratung im Kabinett für September an – den ursprünglichen Zeitplan für August hatte die Bundesregierung nicht einhalten können.

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