Experte sicher - Putins Kursk-Plan mit Kims Soldaten wird aufgehen - dem Westen bleibt nur eine Option
Was längst gilt, ist nun auch offiziell beschlossen: Am Dienstag ratifizierte Nordkorea sein neues Militärabkommen mit Russland – eine reine Formalie, da die Zusammenarbeit bereits begonnen hat.
Mindestens 10.000 nordkoreanische Soldaten hat Diktator Kim Jong Un westlichen Geheimdiensten zufolge in den vergangenen Wochen nach Russland geschickt, wo sie demnach zunächst ausgebildet und dann in die Armee eingegliedert wurden. Laut US-Außenamtssprecher Vedant Patel sollen mehrere Tausend von ihnen mittlerweile bereits an Kampfhandlungen gegen ukrainische Soldaten im Einsatz sein.
Die Nordkoreaner sollen offenbar Russland bei der Rückeroberung der russischen Region Kursk unterstützen, wo die ukrainische Armee sich seit ihrer Überraschungsoffensive Anfang August festgesetzt hat. Ob Putins Plan aufgehen kann, erklären drei Experten.
Nordkorea rettete Putin vor neuer Zwangsrekrutierung
George A. Lopez, ist emeritierter Professor des Kroc-Instituts an der Universität von Notre Dame, USA, und war von Mai 2022 bis April 2023 Mitglied des UN-Expertengremiums für Nordkorea.
Die 10.000 nordkoreanischen Soldaten, die zu den 40.000 Russen hinzukommen, die zur Rückeroberung von Kursk eingesetzt werden sollen, werden den Krieg militärisch und politisch erheblich beeinflussen. Drei wesentliche Auswirkungen wird es in absehbarer Zeit geben.
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Erstens: Wenn Gebiete verloren gehen und die Ukrainer erhebliche Verluste erleiden, trägt das negativ zur Moral beziehungsweise Motivation der ukrainischen Soldaten bei. Die Munitionsbestände sind erschöpft, die Lage an der Front ist schon jetzt prekär.
Zweitens wurde die neue nordkoreanisch-russische Militärkooperation sehr schnell umgesetzt. Zu schnell für die Entscheidungsprozesse der westlichen Unterstützer, die es der Ukraine jetzt erlauben müssten, westliche Raketen zur Bombardierung kritischer Infrastrukturziele in Russland einzusetzen.
Drittens: Die Nordkoreaner haben Kremlchef Wladimir Putin davor gerettet, eine neue Zwangsrekrutierung von 10.000 Russen vorzunehmen, die politisch und gesellschaftlich für ihn kostspielig gewesen wäre.
Russland hat Erfolgsaussichten – aber auch Risiken
Robert E. Hamilton diente 30 Jahre lang als Offizier in der US-Armee und ist mittlerweile Militäranalyst beim Foreign Policy Research Institute.
Ob Nordkoreas Soldaten einen Unterschied machen werden, hängt von zwei Dingen ab: Erstens davon, inwieweit die Ukraine in Kursk Verteidigungsgürtel und geschützte Verteidigungsstellungen errichtet hat. Zweitens, inwieweit Russland der Rückeroberung des verlorenen Gebiets Priorität einräumt.
Berichten zufolge hat Russland eine Truppe von etwa 50.000 Mann aufgestellt, zu der auch bis zu 13.000 Mann aus Nordkorea gehören sollen. Angesichts der Tatsache, dass die ukrainischen Streitkräfte in Kursk auf 10.000 bis 12.000 Mann geschätzt werden, würde die Regel, dass ein Vorteil von 3:1 erforderlich ist, damit eine Offensive erfolgreich ist, darauf hindeuten, dass Russland gute Erfolgsaussichten hat.
Dieser Krieg hat jedoch gezeigt: Die Kombination aus ständiger Überwachung durch Drohnen sowie der Möglichkeit, massive Drohnen- und Artillerieschläge gegen angreifende Kräfte – die also nicht vom Schutz der Verteidigungsstellungen profitieren können – durchzuführen, macht den Sieg über Kräfte in vorbereiteten Stellungen hinter Hindernisgürteln außerordentlich schwierig. Wenn Russland aber bereit ist, genügend Truppen in den Kampf zu schicken, wird es wahrscheinlich erfolgreich sein.
Diktator Kim hat seine besten Truppen geschickt
Vladimir Tikhonov ist Professor für Koreanistik an der Universität Oslo und Experte sowohl für Nordkorea als auch die Sowjetunion.
Nordkoreas Soldaten werden im Krieg gegen die Ukraine definitiv einen großen Unterschied machen. Russlands Hauptproblem auf dem Schlachtfeld ist der Mangel an Arbeitskräften – und das wird nun zumindest teilweise gelöst, indem nordkoreanische Söldner eingesetzt werden. In Expertenkreisen wird davon ausgegangen, dass Nordkorea hierfür seine besten Truppen geschickt hat.
Sie werden auch sehr motiviert sein, da die Bezahlung für ihre Verhältnisse sehr hoch sein dürfte. Hinzu kommt die nordkoreanische Propaganda, wo die russische Invasion in der Ukraine als „antifaschistischer Krieg“ und Russland als „sehr enger Verbündeter und Kampfgefährte“ bezeichnet wird.
Die ukrainische Regierung hingegen wird – so wie die südkoreanische – von der staatlichen Zeitung Rodong Sinmun „faschistische Clique“ genannt.
Bislang hatte Machthaber Kim Jong Un nur einen offiziellen Verbündeten, nämlich China. Jetzt hat es zwei – eigentlich dieselben zwei Verbündeten, die es bis 1991 hatte. Das stärkt definitiv Kims Position, gibt ihm bei politischen Verhandlungen Raum zum Abwägen und Manövrieren.
Von Robert Hamilton, George Lopez, Vladimir Tikhonov
Das Original zu diesem Beitrag "Kims Soldaten an Putins Front: Erobert Russland mit Nordkoreas Hilfe Kursk zurück?" stammt von Tagesspiegel.