Putin will neue Phase der Kriegswirtschaft – und rüstet Feinde des Westens auf
Trotz Sanktionen behauptet sich Russlands Wirtschaft offenbar. Doch Experten warnen vor den Folgen des kriegsbedingten Wachstums.
Moskau – Steht die russische Wirtschaft steht vor einer radikalen Umstellung? Nach über zwei Jahren des Krieges gegen die Ukraine will Präsident Wladimir Putin offenbar Russland auf eine jahrzehntelange Kriegswirtschaft vorbereiten, hieß es auf dem 27. St. Petersburger Internationalen Wirtschaftsforum (SPIEF).
Pjotr Fradkow, ein russischer Ökonom, erklärte: „Heute ist der militärisch-industrielle Komplex die Lokomotive der Wirtschaft“. Doch diese Abhängigkeit der Wirtschaft vom Krieg könnte sich als fatal erweisen, eine Tatsache, die viele in Russland zu ignorieren scheinen.
Putin stellt Russlands Wirtschaft auf jahrzehntelange Kriegswirtschaft ein
Seit Beginn des Konflikts mit der Ukraine hat Putin die Militärausgaben erhöht, um die Rüstungsproduktion zu steigern. Denis Manturow, der erste stellvertretende Ministerpräsident, berichtete auf dem SPIEF, das vom 5. bis 8. Juni 2024 stattfand, dass Putin eine Reihe von Anweisungen zur Entwicklung des Rüstungssektors unterzeichnet hat. Ziel ist es, die Produktion von Waffen und Munition zu erhöhen.
In diesem Jahr belaufen sich die Ausgaben des Kremls für Verteidigung auf umgerechnet etwa 110 Milliarden Euro. Hinzu kommen weitere 34 Milliarden Euro für nationale Sicherheit und Sicherheitsorgane. Insgesamt machen diese Ausgaben 38,6 Prozent des russischen Haushalts oder acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. In Militär und Sicherheitsorgane investiert Russland damit erstmals mehr Geld als in Sozialausgaben.
Putin drohte auf dem Forum mit einer „asymmetrischen Antwort“ auf westliche Waffenlieferungen an die Ukraine, die damit auch russisches Territorium angreifen könnte. Dies könnte bedeuten, dass Moskau in Zukunft Waffen an Länder liefern könnte, die im Konflikt mit den USA und anderen NATO-Mitgliedern stehen.
Sanktionen setzen Russlands Wirtschaft unter Druck
Trotz der Sanktionen des Westens behauptet Putin, dass die russische Wirtschaft robust bleibt. Westliche Experten bestätigen diese Einschätzung, äußern jedoch gleichzeitig Bedenken, dass das kriegsbedingte Wachstum der Wirtschaft langfristig negative Auswirkungen haben könnte. „Die Investitionen, die Russland gerade tätigt, sind keine, die langfristig einen positiven Effekt auf die Wirtschaft haben“, sagte Prof. Dr. Michael Rochlitz von der Universität Oxford dem ZDF am 5. Juni 2024.
Die russische Wirtschaft sei derzeit stark von den Preisen für Öl und Gas abhängig. Der Krieg in der Ukraine hat bereits zu erheblichen Einbrüchen beim Gasexport geführt. Gazprom, Russlands Energieriese, hat beispielsweise einen starken Rückgang seiner Erdgaslieferungen nach Europa verzeichnet. Im Jahr 2021 exportierte das Unternehmen noch über 174 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Europa, während es 2023 nur noch 28,3 Milliarden Kubikmeter waren, wie Reuters berichtet. Zum ersten Mal seit 1999 hat das Unternehmen keine Gewinne erzielt. Die westlichen Sanktionen erschweren es Putin zunehmend, Käufer für russisches Gas zu finden, und ein wichtiges Pipeline-Projekt mit China steht vor dem Scheitern.
Russlands Wirtschaft leidet – Putin hat Geldprobleme wegen Sanktionen
Die Sanktionen haben auch Auswirkungen auf Russlands Finanzsektor. Insbesondere seit die USA angekündigt haben, härter gegen Institute vorzugehen, die Russland finanziell unterstützen, haben viele Banken ihre Geschäfte mit Russland eingestellt. Chinesische Banken haben den Zahlungsverkehr eingestellt und die Annahme von Yuan-Zahlungen aus Russland gestoppt. Auch Banken aus der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten haben sich zurückgezogen. „Blutgerinnsel haben sich in allen Hauptgefäßen gebildet“, kommentierte Russlands ehemaliger Finanzminister Michail Zadornov.
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Laut Wladislaw Inosemzew, Direktor des Moskauer Zentrums zur Erforschung postindustrieller Gesellschaften, erschweren die westlichen Sanktionen generell Transaktionen. Der Kapitalabfluss ist nahezu zum Erliegen gekommen, da die EU Konten für Russen geschlossen hat, sagte er in einem Interview mit der Welt. Oleg Vjugin, ehemaliger stellvertretender Chef der russischen Zentralbank, beschrieb die russische Wirtschaft gegenüber der Welt als „ein geschlossener Dampfkessel voller Geld“. (bohy mit Material der dpa)