Rückschlag für Selenskyj: USA offenbar „unbeeindruckt“ vom Siegesplan
Der Siegesplan der Ukraine scheint den Westen nicht zu überzeugen. Dieser bestehe praktisch aus einer Wunschliste der Kiewer Regierung.
Washington, D.C./Kiew – In Washington hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seinen Siegesplan gegen Russland vorgestellt. Nach Medienberichten geht es in dem Papier um vier bis fünf Punkten, die sich weniger wie ein Plan, sondern vielmehr wie eine Liste mit Wünschen an die westlichen Partner lesen. Unter anderem gehe es dabei um Lieferungen spezifischer Waffen und einer Ausweitung der westlichen Finanzhilfen.
Westliche Beamte sprechen über Selenskyjs „Friedensplan“ für den Ukraine-Krieg
Bereits im Vorfeld des Treffens zwischen US-Präsident Joe Biden und Selenskyj sagten hochrangige amerikanische und europäische Beamte, die mit dem Siegesplan vertraut sind, dem Wall Street Journal (WSJ), dass dieser kein klarer Weg zum Sieg für die Ukraine biete – zumal die russischen Streitkräfte langsam aber sicher auf dem Schlachtfeld gewinnen würden. „Ich bin unbeeindruckt, es gibt nicht viel Neues“, sagte einer der hochrangigen Beamten dem Blatt gegenüber.
Siegesplan sieht grünes Licht für Ukraine bei beliebigem Waffeneinsatz vor
Das zentrale Element des Plans sei es, dass die USA der Ukraine grünes Licht für den Einsatz von Waffen geben, wie Kiew es für richtig hält. Biden hatte sich bislang dagegen gewehrt, der Ukraine grünes Licht dafür zu geben. Europäische Staats- und Regierungschefs hingegen sind der Meinung, dass Kiew nach zweieinhalb Jahren das Recht habe, den russischen Truppen ungehindert gegenüberzutreten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist ebenfalls dagegen, den freien Einsatz von Langstreckenraketen zuzulassen.

Ende vom Ukraine-Krieg durch nötige Hilfen für Kiew
In Deutschland ist man in Sachen Siegesplan innerhalb der SPD geteilter Meinung. „Wer den Krieg schnellstmöglich beenden will, muss der Ukraine das geben, was sie braucht“, argumentierte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD) im Tagesspiegel. Wehrhaftigkeit und Diplomatie seien zwei Seiten derselben Medaille, sagte Roth. Dies sei auch die zentrale Botschaft des ukrainischen Siegesplans: „Russland wird nur zu Verhandlungen bereit sein, wenn Putin überzeugt ist, dass ein Sieg über die Ukraine unmöglich ist.“ Ein siegreiches Ende vom Ukraine-Krieg könne also dann erwartet werden, wenn der Ukraine die entsprechenden Mittel auch in die Hand gegeben werden.
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Doch die Aussichten für ein Ende vom Ukraine-Krieg sind ungewiss. Laut WSJ befinden sich die Vereinigten Staaten und die Ukraine an einem entscheidenden Punkt des Krieges, ohne eine gemeinsame Vision zu haben. „Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Kiew und Washington fallen in eine Zeit, in der sich die USA und ihre Verbündeten über die Aufhebung der Beschränkungen für die Nutzung von Langstreckenraketen durch die Ukraine zur Bekämpfung Russlands uneinig sind“. Auch der Kiewer Siegesplan scheint daran nichts zu ändern.
Biden will trotz nicht überzeugendem Siegesplan Ukraine unterstützen
„Russland wird nicht die Oberhand gewinnen, die Ukraine wird die Oberhand gewinnen“, sagte Biden beim Empfang seines ukrainischen Kollegen im Oval Office im Weißen Haus. „Und wir werden Ihnen weiterhin bei jedem Schritt zur Seite stehen.“ Selenskyj sagte, er wisse das „sehr zu schätzen“. Obwohl der Siegesplan von Selenskyj nicht überzeugt, haben die westlichen Verbündeten der Ukraine weitere Hilfen im Kampf gegen Russland zugesagt. Der US-Präsident kündigte am Donnerstagmorgen weitere Milliardenhilfen im Umfang von acht Milliarden Dollar (rund 7,16 Milliarden Euro) für die Ukraine an sowie die Bereitstellung von Munition mit größerer Reichweite. Zugleich lud der US-Präsident für Oktober zu einem Gipfel der Ukraine-Kontaktgruppe in Deutschland ein, bei dem mehr als 50 Unterstützer-Länder zusammenkommen sollen.
Gleichzeitig werden die Ängste über den Ausgang der US-Wahl im November immer größer. In der Ukraine gibt es Befürchtungen, dass die USA als wichtigster Unterstützer des Landes im Abwehrkampf gegen Russland weitgehend ausfallen könnten, falls Donald Trump die Präsidentenwahl am 5. November gegen Kamala Harris gewinnt. Trump hat für den Fall eines Wahlsieges signalisiert, die Unterstützung für Kiew dramatisch zurückzufahren oder sogar ganz einzustellen.
Ende vom Ukraine-Krieg durch „Deal“?
Bei einer Wahlkampfveranstaltung im Bundesstaat North Carolina am Mittwoch äußerte sich Trump abschätzig über Selenskyj: „Wir geben weiterhin Milliarden von Dollar an einen Mann, der sich weigert, einen Deal einzugehen“, beklagte er und kritisierte den Ukrainer dafür, keine Abmachung mit Moskau zu treffen, um den Krieg zu beenden. „Jeder Deal, selbst der schlechteste Deal, wäre besser gewesen als das, was wir jetzt haben“, sagte Trump. Er behauptete auch, ein Wiederaufbau der Ukraine sei aussichtslos. (erpe/dpa/AFP)