„Als Kriegswaffe verboten“: Ukraine wirft Russland hundertfachen Chemiewaffen-Einsatz vor
Russland sieht sich im Ukraine-Krieg vielen Vorwürfen ausgesetzt. Aus Kiew wird Moskau nun erneut vorgehalten, hundertfach chemische Waffen abzufeuern.
Kiew – Im Ukraine-Krieg scheint es für Wladimir Putin keine Grenzen zu geben. Erlaubt ist alles, was Schaden anrichtet. Anscheinend möglichst großen. Auch wenn ursprünglich das Ziel der Invasion zu sein schien, die Ukraine in seinen Machtbereich einzugliedern, indem in Kiew Vertraute des Kreml-Chefs das Ruder übernehmen sollten.
Doch längst sind die Russen augenscheinlich dazu übergegangen, alles kurz und klein zu schießen, was ihnen ins Visier kommt. Die Zerstörung der Infrastruktur und die menschlichen Opfer werden der Öffentlichkeit regelmäßig vor Augen geführt. Nun werden aus Kiew nicht zum ersten Mal schwere Vorwürfe hinsichtlich Russlands Wahl der Waffen laut.
Russland im Ukraine-Krieg: 434 Fälle von Chemiewaffen-Einsatz allein im Dezember 2024
Am Samstag (18. Januar) schrieb der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte auf Telegram, Putins Truppen würden „weiterhin Spezialmunition mit gefährlichen Chemikalien“ in ihrem festgefahrenen und enorm verlustreichen Eroberungsfeldzug einsetzen. Die Munition sei mit K-51 oder RG-VO geladen, „die zur Bekämpfung von Unruhen eingesetzt werden und als Kriegswaffe verboten sind“.
Hinzu kommt demnach ein erheblicher Anteil an Munition, die gefährliche chemische Verbindungen nicht spezifischer Art enthalten würde. Im Dezember 2024 hätten die Aufklärungseinheiten insgesamt 434 Fälle registriert, in denen diese mit Chemikalien angereicherte Munition zum Einsatz kam. Also durchschnittlich 14 pro Tag. Seit Beginn der Invasion vor fast drei Jahren habe es demnach 5389 Fälle gegeben.
Der Generalstab spricht von einem systematischen Einsatz durch Russland. Der Vorwurf in Richtung Moskau lautet: „Die Russische Föderation verstößt in grober Weise gegen die Regeln der Kriegsführung und missachtet die Normen und Verpflichtungen aus dem Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen.“
Chemiewaffen im Ukraine-Krieg: Russland missachtet Konvention der UN-Staaten
Damit spielt der Generalstab auf die Chemiewaffenkonvention an, die am 29. April 1997 in Kraft trat. Es handelt sich um ein internationales Übereinkommen der UN-Staaten, das auch von Russland unterzeichnet und ratifiziert wurde. 193 Staaten haben sich dieser Konvention verpflichtet, womit 98 Prozent der Weltbevölkerung eingeschlossen sind.
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Sie steht im Einklang mit dem Genfer Protokoll aus dem Jahr 1925, in dem der Einsatz von chemischen oder biologischen Waffen im Krieg unter Strafe gestellt wurde. Die Durchsetzung und Einhaltung der Chemiewaffenkonvention überwacht die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) in Den Haag. Sie wurde für ihre Arbeit 2013 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Tote durch Chemiewaffen: Ukraine berichtet über Vergiftung mit unbekannter Substanz
Bereits im Juli 2024 hatte die Ukraine anlässlich der 106. Sitzung des Exekutivrats der OPCW ausführlich über den Einsatz chemischer Waffen durch Russland informiert. Demnach wurden zwischen dem 15. Februar 2023 und dem 24. Juni 2024 insgesamt 3201 Fälle dokumentiert. Offenbar überwiegend mit fliegenden Drohnen transportiert, wie Aufzeichnungen der Nationalgarde nahelegen.
Allein zwischen dem 25. Mai und dem 24. Juni 2024 waren es 639 Fälle. Dabei machten Gasgranaten der Typen K-51 und RG-VO 31 Prozent aus. 1945 Militärangehörige mussten wegen unterschiedlich schwerer Symptome behandelt werden. Zudem wurden zwei Todesfälle wegen einer akuten Vergiftung mit einer unbekannten chemischen Substanz verzeichnet.
RG-VO beinhaltet die Substanz Chloracetophenon, in K-51 findet sich derweil CS – ausgeschrieben: Chlorbenzylidenmalonsäuredinitril – oder Chlorpikrin. Im November berichtete das ukrainische Außenministerium bereits von mehr als 4600 Fällen zwischen Februar 2023 und Oktober 2024. Dabei wurden neben den genannten chemischen Kampfmitteln auch Mercaptane festgestellt, die einen üblen Gestank ausstoßen.

Konvention gegen Chemiewaffen: Seit 1997 mehr als 72.000 Tonnen chemischer Kampfstoffe vernichtet
Ebenfalls zu jener Zeit teilte die OPCW mit, ein technisches Team habe aus einem Schützengraben nahe des Dorfes Illinka in der Region Dnipropetrowsk nach einem gemeldeten Vorfall vom 20. September 2024 zwei Bodenproben entnommen und eine Granate sichergestellt. Diese wurden von mehreren Laboren unabhängig voneinander untersucht. Das Ergebnis: Sie enthielten Spuren von CS.
Zwar verwies die OPCW auch darauf, im Jahr 2023 sei die unwiderrufliche Zerstörung der seit 1997 gemeldeten Lagerbestände chemischer Waffen aller 193 Vertragsstaaten streng überprüft worden. 72.304 Tonnen chemischer Kampfstoffe seien vernichtet worden. Doch offensichtlich besitzt Putin noch genug, um die ukrainische Bevölkerung auf seine ganz eigene Art zu terrorisieren. (mg)