Ukraine-Krieg jährt sich zum zweiten Mal: So geht es Geflüchteten

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Das Bild hat nichts von seiner Eindringlichkeit verloren: Im März 2022, rund drei Wochen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, stellten sich Schülerinnen und Schüler der Staatlichen Realschule Herrsching zu diesem überdimensionalen Friedenszeichen auf. © Staatliche Realschule Herrsching

An diesem Samstag, dem 24. Februar, jährt sich zum zweiten Mal der russische Angriff auf die Ukraine. Seitdem leben mehr als 1500 Geflüchtete im Landkreis. Wie es ihnen heute geht? Der Starnberger Merkur hat mit Kerstin Täubner-Benicke vom Netzwerk „Starnberg hilft“ gesprochen.

Landkreis – Als Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine angriff, war das ein Tag, der die Welt verändert hat. Nun jährt sich der Überfall bereits zum zweiten Mal – und noch immer ist kein Frieden in Sicht. Seit zwei Jahren kümmert sich auch Kerstin Täubner-Benicke (57) so wie viele andere freiwillige Helfer um Menschen aus der Ukraine, die im Landkreis Starnberg Zuflucht gefunden haben. 1718 Kriegsflüchtlinge zählte der Landkreis im Januar, darunter viele Frauen mit Kindern. Das Netzwerk Starnberg hilft, das Täubner-Benicke koordiniert, nahm kurz nach Kriegsbeginn seine Arbeit auf, sammelte unter anderem Nahrungsmittel, Hygieneprodukte und medizinische Artikel für die Menschen aus der Ukraine. Längst ist die Arbeit vielfältiger geworden.

„Der erste Weg für die Integration geht über die Arbeit“, sagt Täubner-Benicke. „Einige der Geflüchteten fangen langsam an zu arbeiten und sind teilweise in Deutschkursen.“ Mit der Arbeit sei es allerdings schwierig, da viele Mütter kleine Kinder hätten und daher auf einen Betreuungsplatz angewiesen seien. Allerdings fehlt es bekanntlich im gesamten Landkreis an Plätzen.

Schwierigkeiten mit der Sprache und dem Wohnungsmarkt

Einige der Kinder seien bereits in der Schule, allerdings sei die Sprache eine große Hürde, sagt die 57-Jährige. So würden zwar viele am Unterricht teilnehmen, aber dem Stoff nicht folgen können. Für die Kinder, die in den Kindergarten gehen, sei die Integration etwas leichter. „Sie können sich zunächst über das Spielen integrieren. Außerdem haben sie ein paar Jahre länger Zeit, um Deutsch zu lernen“, erklärt Täubner-Benicke.

Ein großes Problem stellt der Wohnungsmarkt dar. Viele der Menschen seien nicht gut untergebracht. 282 der Ukrainerinnen und Ukrainer sind laut Landratsamt staatlich untergebacht, 1436 privat. Die Menschen suchten jedoch nach kleinen, günstigen Wohnungen. Aber die sind bekanntlich Mangelware. „Ich schaue auch immer wieder nach Inseraten und rufe dort an oder schreibe die Anbieter an. Häufig bekomme ich gar keine Antwort“, sagt die ehemalige Stadträtin. Der Grund sei unter anderem, dass die Vermieter in ihren Wohnungen lieber jemanden wohnen lassen, der sicher für längere Zeit bleibt. Zuletzt habe sie jedoch eine Wohnung über die Internetseite „Raumgeben“ vermitteln können.

Zu Beginn des Krieges waren viele Personen in Privathaushalten untergebracht. Heute gebe es das zwar noch, allerdings seien dies Einzelfälle. „Die Familien wollen irgendwann wieder ihre Privatsphäre haben und das ist auch total verständlich.“

„Die beiden haben alles zurückgelassen“

Täubner-Benicke selbst hat im vergangenen Jahr eine Zusatzqualifikation erworben, um Deutsch in Integrationskursen zu unterrichten. Derzeit gibt sie zweimal wöchentlich ehrenamtlich einen Sprachkurs für Ältere aus der Ukraine. Darunter seien ein Mann und sechs Frauen. „Sie bekommen keinen Sprachkurs mehr bezahlt, weil sie nicht mehr in den Arbeitsmarkt integriert werden“, erklärt sie. „Der Kurs macht richtig Spaß, und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind sehr motiviert.“

Ich nehme bei den Geflüchteten eine gewisse Hoffnungslosigkeit wahr. Man hat nicht das Gefühl, dass der Krieg enden könnte.

Durch ihr Ehrenamt bei Starnberg hilft bekommt die 57-Jährige auch viele Schicksale mit. So berichtet sie von einem älteren Ehepaar, das aus Charkiw in den Landkreis gekommen sei. „Die beiden haben alles zurückgelassen. Sie fahren aber zweimal im Jahr nach Charkiw, um nach ihrem Haus zu sehen. Bei jeder neuen Angriffswelle sind sie immer wieder am Boden zerstört“, berichtet Täubner-Benicke. Das Paar kenne dort Verletzte und auch Menschen, die bei Angriffen ums Leben gekommen seien.

Die Zukunft ist ungewiss

In Deutschland war die Hilfsbereitschaft besonders am Anfang sehr hoch. Das ist zwar auch jetzt noch der Fall, aber: „Je länger es dauert, desto weniger Betroffenheit herrscht.“ Eine Feindlichkeit nehme sie zwar nicht wahr, eher eine gewisse Ermüdung. Schließlich würden die Krisen immer mehr werden. „Ich nehme bei den Geflüchteten eine gewisse Hoffnungslosigkeit wahr. Man hat nicht das Gefühl, dass der Krieg enden könnte.“

Wie es für die Menschen aus der Ukraine weitergeht? „Manche möchten hier bleiben, andere wollen weiterziehen, zum Beispiel in die USA oder nach Kanada, weil sie dort Verwandte haben.“ Es gebe aber auch Familien, die trotz des Krieges zurück in ihre Heimat gehen. „Soweit ich weiß, ist die letzte Familie aus dem Landkreis im September zurück in die Ukraine gegangen.“

An diesem Sonntag, 24. Februar, findet anlässlich des zweiten Jahrestags um 18 Uhr ein Ökumenisches Friedensgebet in der Evangelischen Friedenskirche in Starnberg (Kaiser-Wilhelm-Straße 18) statt.

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