„Mythos, Russland hätte unendlich viele Soldaten“ – Wann endet Putins Nachschub im Ukraine-Krieg?

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Laut einer aktuellen Analyse könnte Russland seine Armee bis zu drei Jahre mit ausreichend Kriegsgerät versorgen. Wie ist die Ukraine aufgestellt?

Moskau – Russlands Verluste belaufen sich laut Schätzung eines US-Geheimdienstberichts auf bis zu 315.000 Soldaten. Zugleich hieß es, Russlands Militärmodernisierung sei um bis zu 18 Jahre zurückgeworfen, wie Reuters berichtete. Stellt sich die Frage, wie lange Russland den Ukraine-Krieg noch durchhalten kann. Wann gehen Wladimir Putin Soldaten und Kriegsgerät aus?

Panzer an der Ukraine-Front

Momentan scheint die russische Kriegswirtschaft das verschlissene Material kompensieren zu können. Laut einer Recherche des ZDF kann Russland zwar die momentane Kampfkraft nicht erhöhen – jedoch reiche der Nachschub aus, um die bisherige Truppenstärke aufrechtzuerhalten. Ein großer Verschleißpunkt für Russland sind aktuell die Panzer. Zwar kann Russland auf einen gewaltigen Vorrat alter sowjetischer Maschinen zurückgreifen, diese müssen allerdings modernisiert und aufbereitet werden, um für den Fronteinsatz tauglich zu sein. Und selbst der Vorrat aus Sowjet-Tagen kann nicht endlos Verluste kompensieren.

Russische Panzer
Russlands Verluste: Putin verliert mehr Panzer, als er zu Beginn hatte © IMAGO/SNA/Stanislav Krasilnikov

Russlands Produktionslimit erreicht – Versorgung im Ukraine-Krieg noch zwei bis drei Jahre möglich?

Russland habe mehr Panzer im Ukraine-Krieg verloren, als die aktive Panzerflotte zu Beginn des Überfalls im Februar 2022 vorzuweisen hatte, schreibt das ZDF. 80 bis 120 Panzer könne Russland pro Monat zur Kompensation an die Front schicken, wobei lediglich 15 bis 20 davon neu seien. Bei den übrigen handele es sich um modernisierte sowjetische Fahrzeuge aus dem Kalten Krieg. Diese Produktionsgeschwindigkeit lässt sich aktuellen Einschätzungen nach auch nicht erhöhen, Russland ist am maximalen Panzer-Output angelangt.

Die beiden Panzerwerke, eins in Nischni Tagil zur Neuproduktion und eins in Tschita zur Panzerreparatur, seien voll ausgelastet. Neue Werke zu bauen, wäre theoretisch zwar möglich, würde aber Jahre in Anspruch nehmen. Bei aktueller Abnutzungsrate könnte Russland in der Theorie noch zwei bis drei Jahre durchhalten und ihr aktuelles Niveau an Versorgung der Front aufrechterhalten.

„Mythos“, Russland habe unendlich Ressourcen für den Ukraine-Krieg

Der Militärexperte Nico Lange gab seine Einschätzung zum russischen Nachschub in einem „heute“-Interview: „Wir müssen aufpassen beim Einschätzen der Ressourcen, dass wir nicht immer diesen Mythos wiederholen Russland hätte unendlich viele Soldaten und am Ende sind sie viel stärker und die Ukraine kann nicht gewinnen.“ Dieser „Mythos“ ziehe sich schon durch den gesamten Krieg.

Russland kann nicht seine gesamte Panzerflotte in die Ukraine schicken, zur Verteidigung muss immer eine Reserve bleiben. Wie hoch diese ausfällt, ob 10 Prozent der Streitkräfte oder 20 Prozent, ist nicht bekannt. Jedoch ist sicher, dass Russland nicht jeden einzelnen verfügbaren Panzer und jede Haubitze an die Front schicken wird. Die entscheidende Frage, so Lange, sei: „Wann kommt der russische Angriff zum Erliegen, wann sind die russischen Ressourcen für diese Angriffe aufgebraucht.“

Ukraine musste Awdijiwka aufgeben

Doch auch die Ukraine hat Versorgungsprobleme. Aktuell hapert es vor allem an Munition und Geschossen, am 17. Februar musste die Ukraine die bitter umkämpfte Stadt Awdijiwka aufgeben. Auch die Munitionslager des Westens leeren sich. Die Ukraine bangt um das US-Hilfspaket von rund 60 Milliarden US-Dollar, das die Republikaner momentan noch im Repräsentantenhaus blockieren.

Ukraine-Krieg - Umgebung von Kiew
Keine Seltenheit an der ukrainischen Front: Ein zerstörter Panzer der russischen Armee in der Region Kiew. (Archivbild) © Sergei Chuzavkov/dpa

Wie akkurat die Zahlen über neue und bestehende Fahrzeuge auf beiden Seiten sind, ist schwer zu beurteilen. Anders als Verluste der russischen Schwarzmeerflotte oder russischer Kampfjets sind genaue Angaben über das verbleibende Inventar der russischen Landkräfte etwas undurchsichtiger.

„So gut wie aufgebraucht“: Militärexperte sieht Ressourcen vom Beginn des Ukraine-Kriegs am Ende

Richard Barrons ein britischer Militärexperte fasste die aktuelle Lage des Ukraine-Kriegs in einem Interview der Associated Press wie folgt zusammen: „Wie die Dinge liegen, hat keine Seite gewonnen. Keine Seite hat verloren. Keine der beiden Seiten ist auch nur annähernd dabei aufzugeben. Und beide Seiten haben die Arbeitskräfte und die Ausrüstung, mit denen sie den Krieg begonnen haben, so gut wie aufgebraucht.“

Ausbildung
Ukrainische Soldaten arbeiten am Bundeswehrstandort Klietz im Rahmen ihrer Ausbildung an einem Leopard-Kampfpanzer. © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Einen Vorteil gegenüber Russland hat die Ukraine allerdings bei der Ausbildung der Soldaten. Über den Westen kann die Ukraine auf weitreichende Militärexpertise zurückgreifen und ihre Soldaten auch extern in Deutschland und Europa schulen. Die Bundeswehr beispielsweise will 2024 weitere 10.000 ukrainische Soldaten ausbilden, wie die ARD-„Tagesschau“ berichtet. Bisher wurden insgesamt 40.000 Personen an militärischem Personal in Europa ausgebildet und an westlichem Gerät trainiert.

In Deutschland erhalten die Ukrainer unter anderem Training an Panzerhaubitzen, dem Marder-Panzer, sowie am Leopard 1 und 2. Wo Russland auf Quantität setzt, hofft der Westen, dass auch Qualität der Soldaten den Unterschied im Ukraine-Krieg machen kann. (SiSchr)

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