Rechnungshof rechnet mit Bundestags-Fraktionen ab – SPD besonders im Fokus
Soziale Medien sind für Parteien immer bedeutender. Der Rechnungshof wirft den Fraktionen deshalb jedoch den Missbrauch von Steuergeldern vor. Die Ampel reagiert.
Berlin – Der Bundesrechnungshof wirft den Fraktionen aller im Bundestag vertretenen Parteien einen eklatanten Missbrauch von Steuergeldern vor. Konkret geht es um die Auftritte in den sozialen Medien. Der Rechnungshof hatte die Posts der Fraktionen vor der Bundestagswahl 2021 untersucht. Fazit: Mindestens 70 Prozent seien unzulässig gewesen.
„Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofs zeigen, dass die Fraktionen Mittel bei der Nutzung sozialer Medien überwiegend zweck- und damit regelwidrig – auch für Parteiaufgaben – verwenden“, erklären die Rechnungsprüfer in einem Bericht. Teilweise erhielten die Posts direkte Partei- oder Wahlwerbung. Das ist nicht zulässig. Social-Media-Accounts der Fraktionen dürfen lediglich über deren Tätigkeiten informieren.
Rechnungshof kritisiert Wahlkampf-Posts der Fraktionen im Bundestag als rechtswidrig
Die Fraktionen im Bundestag erhalten jährlich 140 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt. Damit finanzieren sie unter anderem ihre Öffentlichkeitsarbeit. Und eben die Auftritte in den sozialen Medien. Wie die Untersuchung des Rechnungshofs zeigt, nutzen alle Parteien die Mittel auch für den Wahlkampf. In der Woche vor der Wahl seien teilweise 100 Prozent der Posts nicht rechtens gewesen. Laut Handelsblatt waren es bei der SPD alle Posts.
Der Rechnungshof nennt dabei die rechtlichen Rahmenbedingungen als ein Problem. Dieser biete Fehlanreize: „Die Fraktionen haben ein eigenes Interesse, dass ‚ihre‘ Parteien bei der nächsten Wahl gut abschneiden.“ Dabei bestimmen die Politiker selbst, wie viel Geld sie erhalten. „Deshalb besteht die Gefahr, dass sich die Fraktionen im Ergebnis übermäßig viele (Fraktions-) Mittel bewilligen, mit denen sie über ihre Aufgaben hinaus auch Parteiaufgaben wahrnehmen“, heißt es im Bericht.
Verstöße der Parteien gegen Regeln zu Social Media-Posts der Fraktionen bleiben ohne Folgen
Die Verstöße bleiben jedoch ohne Folgen. „Wirksame Sanktionsmechanismen, die Regelverstößen von Fraktionen entgegenwirken, fehlen“, erklärt der Rechnungshof. Die Parteien müssten rechtswidrig eingesetzte Gelder nicht zurückzahlen und könnten nicht gezwungen werden, die Posts zu löschen. „Es ist offensichtlich, dass die Fraktionen sich nicht selbst kontrollieren und sanktionieren können“, sagte Rechnungshof-Chef Kay Scheller laut Handelsblatt. Die Bundestagsverwaltung sollte dieser daher übernehmen.
Der Rechnungshof fordert deshalb eine neue gesetzliche Grundlage für die Nutzung der sozialen Medien durch die Fraktionen. „Bleibt die Rechtslage unzureichend, können die Fraktionen ihre Mittel bei der Nutzung sozialer Medien weiter regelwidrig auch für Parteiaufgaben verwenden“, heißt es im Bericht. „Sie können so das Verbot der verdeckten Parteienfinanzierung umgehen.“
Ampel-Koalition will Regeln für Auftritte der Fraktionen in den sozialen Medien festlegen
Die Ampel-Koalition will die Aktivität der Fraktionen in sozialen Medien nun regeln. Dazu fänden gute und konstruktive Gespräche der zuständigen Berichterstatter von SPD, Grünen und FDP statt, teilten die Regierungsfraktionen der Deutschen Presse-Agentur (DPA) mit. Auch die Union sei einbezogen worden.
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Nach der Mitteilung planen SPD, Grüne und FDP eine Anpassung des Abgeordnetengesetzes. Sie wollen künftig deutlicher herausstellen, dass die Fraktionen umfassend über ihre Arbeit im Bundestag berichten, ihre politischen Standpunkte vermitteln und mit den Bürgerinnen und Bürgern in den Dialog über parlamentarisch-politische Fragen treten könnten. Es sei klar, dass „Fraktionen keine Parteiarbeit betreiben dürfen“. Gerade in Wahlkampfnähe sei eine „klare Abgrenzung zur unzulässigen Parteiwerbung“ wichtig.
Bundestagspräsidentin soll rechtswidrig verwendete Steuergelder der Parteien zurückfordern können
Die Ampel will dabei auch Sanktionen gegen Verstöße einführen. „Zukünftig soll die Bundestagspräsidentin zweckwidrig verwendete Mittel vollumfänglich zurückzufordern können“, sagte Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic. „Regelverstöße bleiben damit nicht länger folgenlos.“
„Die Ampel ist spät dran“, sagte Patrick Schnieder, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion. Sie sei bisher auf einen Vorschlag der Unionsfraktion nicht eingegangen. „Deshalb begrüße ich es, dass nunmehr auch die Ampel den Bedarf für eine Rechtsänderung sieht“, sagte der CDU-Politiker. Tatsächlich hatte der Rechnungshof Regeln für den Einsatz von Fraktionsgeldern schon Ende 2020 gefordert. Vor der letzten Bundestagswahl – und damit zu einer Zeit, als die CDU mit Angela Merkel die Bundeskanzlerin stellte.
Fraktionen ziehen laut Rechnungshof Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit sehr weit
Eine weitere Bemerkung im Bericht des Rechnungshofs lässt jedoch zweifeln, ob die neuen Regeln tatsächlich effektiv sind. Die Fraktionen selbst hielten die beanstandeten Posts für zulässig. Sie teilten zwar die Prämisse, dass das Abgeordnetengesetz keine „grenzenlose Öffentlichkeitsarbeit“ der Fraktionen zulasse. „Sie ziehen die Grenzen jedoch so weit, dass sie im Ergebnis nahezu alles zulassen.“ (ms/dpa)
Besonders stark in den sozialen Medien sind die Rechtsaußen: Auf Tiktok die ist AfD erfolgreicher als andere Parteien.