Umfragen vor Bundestagswahl knallhart: Vier Gründe blockieren Scholz‘ zweites Wahl-Wunder
Bei der Bundestagswahl 2021 riss Olaf Scholz mit der SPD das Ruder wundersam herum. Nicht nur Umfragen zeigen: 2025 dürfte das wohl schwierig werden.
Berlin – Armin Laschet lacht, Annalena Baerbock hat Plagiats-Ärger – und plötzlich ist Olaf Scholz Bundeskanzler. Es war die Krönung einer nahezu beispiellosen Aufholjagd im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2021. Am Ende stand die SPD mit 25,7 Prozent da, war stärkste Kraft, hatte den Vorrang zur Regierungsbildung. In den letzten Tagen vor der Bundestagswahl 2025 scheint dies allerdings sozialdemokratische Utopie zu sein. Von einem zweiten „Wahl-Wunder“ ist noch nichts zu spüren.
Bekanntermaßen ist gerade die heiße Phase im Wahlkampf berüchtigt dafür, dass jeder kleinste Fehltritt einem entscheidend alles kosten kann. So schmerzlich wie Armin Laschet 2021 erfuhr das kaum jemand zuvor. Sein Hintergrund-Lacher bei einer Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im von der Flut zerrütteten Ahrtal kostete ihn womöglich die entscheidenden Stimmen, die es zu einer Kanzlerschaft gebraucht hätte. Zuvor hatte Annalena Baerbock, beflügelt von der starken Klimaschutz-Bewegung aus der jungen Generation, etwa um Fridays for Future, in den Umfragen teils die Führung übernommen. Plagiatsvorwürfe gegenüber ihrem Buch kosteten aber auch sie den Platz an der Umfrage-Sonne.
Zweites Wahl-Wunder vor Bundestagswahl für Scholz? Vier Gründe sprechen dagegen
Als lachender Dritter stand plötzlich Olaf Scholz dar. Der hatte sich damals nämlich in der Außenwahrnehmung im Wahlkampf einen Vorteil erarbeitet: Er hatte keinen riesigen Fehler begangen. Seine damals auffällige Unauffälligkeit kann der amtierende Kanzler aber wenig überraschend aktuell kaum durchziehen. Viel zu sehr steht er wegen des Ampel-Zusammenbruchs und der Migrations- und Wirtschaftskrise in Deutschland natürlich im Fokus.

Dabei gibt es durchaus Situationen in diesem Wahlkampf – der besonders in TV-Sendungen wie dem Quadrell bei RTL oder der ARD-Wahlarena am Montag hitzig geführt wird – Krisen, die für viele Teile der Bevölkerung einem Fehltritt gleichkommen. Da wäre zum Beispiel die umstrittene gemeinsame Abstimmung zum Unions-Vorschlag für neue Migrationsgesetze in Deutschland. Friedrich Merz nahm offen die Hilfe der AfD dafür in Kauf. Nun gab er sogar selber zu, damit gegenüber SPD und Grünen in gewisser Weise wortbrüchig geworden zu sein. Die AfD selber steht nebenher in der Kritik, weil Medien über eine mögliche neue Spendenaffäre in der rechten Partei berichten. Ist dadurch Wahl-Wunder 2.0 also doch möglich? Das dürfte schwierig werden. Aus vier Gründen.
Schwierige Wahlkampf-Wende für Scholz: Umfragen vor Bundestagswahl bleiben knallhart
Denn die Krisen, die etwa von der Union thematisiert werden, sind zu groß, um in der breiten Bevölkerung wirklich ein Umfrage-Beben auslösen zu können. Das zeigte sich zuletzt besonders nach den Anschlägen in Aschaffenburg und auch zuletzt in München. Zu viele Menschen wünschen sich die Wende in der Migrationspolitik, in zahlreichen Umfragen landet das Thema als wichtigster Punkt im Wahlkampf auf Platz 1.
Merz kriegt zudem konsequent bessere Umfrage-Werte, was Kompetenzen in den Bereichen Sicherheit, Migration und Asyl angeht, als Scholz. Die Umfragen bleiben daher knallhart. Während die Union weiterhin an der Spitze thront und die AfD sich auf Rang zwei anschließt, dümpelt die SPD weiterhin auf Rang drei, bewegt sich zwischen 14 und 17 Prozent. In einer neuen Umfrage zur Bundestagswahl wäre sogar eine Koalition aus Union und SPD gefährdet.
Andere Parteien haben aus Bundestagswahl-Fehlern von 2021 gelernt – Scholz kämpft mit eigener Reputation
Die knallharten Umfragen vor der Bundestagswahl bleiben aber nicht Scholz‘ einzige Schwierigkeit, den Wahlkampf in den letzten Minuten noch herumzureißen. Viel mehr zeigte sich nämlich auch im Vorfeld, dass die Spitzenkandidaten aus den Fehlern des Bundestagswahlkampfes 2021 ihre Lehren gezogen haben. Denn bei den Grünen hätte man zumindest kurz ein Déjà-vu zum letzten Wahlkampf haben können, als scheinbar Fragen rund um die Doktorarbeit von Robert Habeck aufkamen. Bevor der Stein allerdings so richtig ins Rollen kam, preschte Habeck selbst vor, veröffentlichte via Social Media noch bevor die Vorwürfe publik wurden, dass Plagiatsjäger es auf seine Arbeit abgesehen hätten und er das ganze „transparent machen“ wolle, nicht wie Baerbock im Wahlkampf zuvor. Das Thema wirbelte kaum Staub auf, die Uni Hamburg entkräftete die Vorwürfe kurz nach Bekanntwerden auch.
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Und dann wären da eben noch die Altlasten der Ampel-Regierung, die auch auf den Kanzler zurückfallen. Ärger um das Heizungsgesetz, Inflation, Haushaltschaos, Deutschlands Rolle im Ukraine-Krieg. Auch wenn Scholz dafür nicht allein verantwortlich ist, führte es doch alles zum Totalschaden der von ihm geführten Koalition im November. Altlasten, die weiterhin nachhängen.
Scholz träumt trotz stagnierender Umfragen von Bundestagswahl-Wende – doch produziert selber Fehltritte
Der vierte Punkt, wieso die Wahlkampf-Wende der SPD nicht gelingt, ist Olaf Scholz selbst. War er 2021 eben noch der stille Beobachter und Nutznießer, der mit klaren sozialdemokratischen Botschaften abräumte, steht er nun selber voll im Fokus des Ärgers von außen, produzierte höchst selbst hin und wieder öffentlichkeitswirksame Fehltritte. Erst kürzlich etwa, als herauskam, dass er CDU-Politiker Joe Chialo als „Hofnarr“ bezeichnet hatte – wozu Scholz exklusiv bei IPPEN.MEDIA Stellung bezog. Die CDU warf ihm wegen seiner Gesamt-Aussage gar Rassismus vor. Ein weiterer Vorfall, der das Bild des Kanzlers anknackste. Dass es mit Boris Pistorius einen Konkurrenten in den eigenen Reihen mit deutlich höheren Beliebtheitswerten im Land gibt, vereinfacht die Situation nicht.
Die Aussichten für Scholz auf die Last-Minute-Wende dürften also schwierig bleiben. Dafür wäre vermutlich schon ein grober Schnitzer etwa von Friedrich Merz nötig, um auf den letzten Metern noch einmal das Tableau umzuschmeißen. Die Hoffnung auf eine Aufholjagd will Scholz allerdings dennoch mit allen Mitteln am Leben halten. „Ich spiele nicht nur auf Sieg, ich will auch gewinnen“, sagt der 66-Jährige. Ein in der aktuellen Lage sicherlich ambitioniertes Ziel. (han)