Kriegsrecht in Südkorea: Entmachteter Präsident Yoon spielt das Unschuldslamm
Am Dienstag erklärte sich Südkoreas suspendierter Präsident Yoon erstmals vor dem Verfassungsgericht. Von eigenen Fehlern will er nichts wissen.
Als er am frühen Dienstagnachmittag erstmals vor Gericht erschien, hatte Südkoreas entmachteter Präsident Yoon Suk-yeol die zweiteilige, kakifarbene Gefängnisuniform gegen einen marineblauen Anzug mit burgunderroter Krawatte eingetauscht. Gerichtssäle hat Yoon schon viele von innen gesehen während seiner Zeit als Generalstaatsanwalt, er weiß also, wie wichtig der erste Eindruck ist.
Vor einer Woche wurde Yoon festgenommen, ihm wird im Zusammenhang mit der Ausrufung des Kriegsrechts am 3. Dezember 2024 Aufruhr vorgeworfen. Vor Südkoreas Verfassungsgericht stand er nun aber als einer, der nichts falsch gemacht haben will. Der sich im Recht sieht und die, die ihn in vor wenigen Tagen in die Gefängniskluft stecken ließen, im Unrecht.
Yoon hat viel zu verlieren: Mitte Dezember enthob ihn das südkoreanische Parlament seines Amtes, nun muss das oberste Gericht entscheiden, ob die Amtsenthebung Bestand hat oder aufgehoben wird. Yoon ist also, wenn die Richter in Seoul in einigen Wochen ihr Urteil sprechen, entweder als erheblich beschädigter Präsident zurück im Amt. Oder aber er ist seinen Job endgültig los. In einem weiteren Verfahren, das Yoon bislang boykottiert, droht ihm wegen Aufruhr und Umsturz zudem noch eine lange Freiheitsstrafe.

Südkoreas Präsident Yoon verteidigt sich vor Gericht: „fester Glaube an die Demokratie“
Parlamentsabgeordnete setzen Yoons Anordnung am 3. Dezember in einer Nacht-und-Nebel-Aktion außer Kraft, nur sechs Stunden stand Südkorea unter Kriegsrecht. Lange genug aber, um die südkoreanische Demokratie, die noch keine 40 Jahre alt ist, schwer zu beschädigen. Und doch gab sich Yoon vor Gericht nun als Vorzeigedemokrat.
„Von meiner Kindheit bis heute habe ich mit einem festen Glauben an die liberale Demokratie gelebt, insbesondere während meiner Zeit im öffentlichen Dienst“, sagte Yoon bei der kurzen Anhörung. „Da das Verfassungsgericht eine Institution ist, die dazu da ist, die Verfassung zu verteidigen, bitte ich die Richterinnen und Richter, mich in verschiedener Hinsicht wohlwollend zu betrachten.“
Zudem wies Yoon Anschuldigungen hoher Militärbefehlshaber zurück, die in den Tagen nach der Ausrufung des Kriegsrechts erklärt hatten, der Präsident habe ihnen Order erteilt, einzelne Parlamentarier festzunehmen. Die Truppen, die er in jener Nacht zum Parlament beordert hatte, hätten nicht dazu gedient, die Legislative auszuschalten oder sie daran zu hindern, das Kriegsrecht zu blockieren. Denn er, Yoon, habe gewusst, dass eine solche Aktion das Land in eine Krise führen würde. Warum dennoch Soldaten an jenem 3. Dezember mit Hubschraubern auf dem Dach des Parlamentsgebäudes landeten und mehrere Abgeordnete daran hinderten, in den Sitzungssaal zu gelangen – auf Fragen wie diese blieb Yoon eine Antwort schuldig.
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Umsturz und Aufruhr: Gegen Südkoreas Präsidenten Yoon läuft noch ein zweites Verfahren
Vor Gericht stellte er das Kriegsrecht nun erneut als Mittel zum Zweck dar, um einen angeblich von der Opposition gelähmten Staatsapparat wieder zum Laufen zu bringen. „Das Dekret diente lediglich dazu, die Form des Kriegsrechts festzulegen, und sollte nie vollstreckt werden, was auch nicht möglich war, da es zu Konflikten mit übergeordneten Gesetzen kommen könnte“, erklärte Yoons Anwalt Cha Gi-hwan etwas umständlich. Alles nicht so gemeint – das scheint die Strategie zu sein, mit der Südkoreas Präsident sich verteidigen will. Als er selbst noch Generalstaatsanwalt war, hätte Yoon Suk-yeol über derartige Versuche eines Angeklagten, sich aus der Affäre zu ziehen, wohl nur müde gelächelt.
Die parallel laufende Untersuchung gegen Yoon wegen Aufruhr und Umsturz geht derweil weiter. Ebenfalls am Dienstag versuchten Ermittler der staatlichen Antikorruptionsbehörde CIO erneut, Yoon deswegen zu befragen. Wie die amtliche Nachrichtenagentur Yonhap berichtet, schickten die CIO-Ermittler mehrere Beamte in das Haftzentrum in Uiwang in der Nähe von Seoul, in dem Yoon einsitzt. Zu dem Zeitpunkt, als die Ermittler im Gefängnis eintrafen, war Yoon aber offenbar bereits auf dem Weg vom Verfassungsgericht in ein Krankenhaus, angeblich zu einer Routineuntersuchung.
Es war bereits der fünfte erfolglose Versuch der CIO-Ermittler, Yoon zu befragen; der entmachtete Präsident hält die Antikorruptionsbehörde für nicht zuständig. Schon bald aber dürfte er den Ermittlern dennoch gegenübersitzen. Sollte sich Yoon nämlich ein weiteres Mal weigern, der Vorladung Folge zu leisten, können die Ermittler das Verhör direkt in der Haftanstalt durchführen. Yoon dürfte ihnen dann in seiner kakifarbenen Gefängnisuniform entgegentreten.