Kriegsrecht in Südkorea: „Präsident Yoon hat sich durch Trump ermutigt gefühlt“
Nach dem vorübergehenden Kriegsrecht steckt Südkorea in der Krise. „Präsident Yoon hat versucht, einen Staatsstreich durchzuführen“, sagt ein Experte.
Ob Ukraine-Krieg, der bedrohliche Aufstieg Chinas oder der erneute Sieg von Donald Trump bei der US-Wahl: Unsere Welt ist im Umbruch. Autoritäre Regime haben Aufwind, westliche Demokratien geraten in der Defensive. Für IPPEN.MEDIA blickt Alexander Görlach in der Videokolumne „Görlachs Weltgeschehen“ regelmäßig auf die Brennpunkte dieser Welt. Görlach ist Geopolitik-Experte und unterrichtet an der New York University.
Herr Görlach, wie beurteilen Sie die Ereignisse in Südkorea?
Wie es sich jetzt darstellt, hat Präsident Yoon Suk-yeol versucht, einen Staatsstreich durchzuführen. Dafür wollte er sich des Militärs und der Polizei bedienen. Doch die Abgeordneten haben es trotz dieser Widerstände ins Parlament geschafft und abgestimmt und damit den Staatsstreich des Präsidenten beendet. Im Moment ist die Zukunft des Politikers in der Schwebe, es droht ein Amtsenthebungsverfahren oder eine Anklage wegen Hochverrats.
Was bedeutet diese Krise für den Frieden auf der koreanischen Halbinsel?
Präsident Yoon hat behauptet, dass die Opposition im Parlament mit dem kommunistischen Norden im Bunde sei und einen Staatsstreich plane. Im Norden wird man das natürlich genau beobachtet haben und jetzt auch auf die Instabilität schauen, die nach dem Staatsstreich-Versuch des Präsidenten Yoon nun im Süden des Landes für einen gewissen Stillstand sorgen wird. Sollte es zu einem Amtsenthebungsverfahren kommen, wird eine neue Regierung gebildet werden müssen. All das wirkt destabilisierend auf die demokratische Republik im Süden der Halbinsel, und das wird man in Pjöngjang genau beobachten.
Zur Person
Professor Alexander Görlach unterrichtet Demokratie-Theorie und -Praxis an der New York University. Der Geopolitik-Experte hatte verschiedene Positionen an der Universitäten Harvard und Cambridge inne. Unter anderem erschien von ihm „Alarmstufe Rot: Wie Chinas aggressive Außenpolitik im Westpazifik in einen globalen Krieg führt“ (2022).

Kriegsrecht in Südkorea: „Für die Biden-Regierung waren die Ereignisse ein Desaster“
Wie blicken die USA auf die Ereignisse?
Für die Biden-Regierung waren die Ereignisse, die sechs Stunden, in denen der Staatsstreich galt, ein Desaster. Man hat in Washington Südkorea als eine Vorzeigedemokratie gesehen, auch ein Modell für Asien, besonders in Hinblick auf das immer autoritärer auftretende China. Von daher war diese Erklärung des Kriegsrechts, die erste seit dem Ende der Militärdiktatur, natürlich ein Rückschlag auch für die Biden-Politik, die davon ausgegangen ist, davon ausgeht, zu sagen, es gibt in diesen Tagen einen Kampf zwischen Demokratie und Autokratie. Und Südkorea war ein Bollwerk in Ostasien, gemeinsam mit Japan, Taiwan und den Philippinen, gegen das totalitäre China.
Meine news
Wie werden sich die Beziehungen zwischen den USA und Südkorea unter Donald Trump entwickeln?
Präsident Yoon hat Mitte November mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump telefoniert. Dabei haben die beiden auch über den Frieden auf der koreanischen Halbinsel gesprochen und sich darauf verständigt zu sagen, dass man hier einen Frieden durch Stärke anstrebt mit Nordkorea. Also ein Rezept, das man noch aus der Zeit des Kalten Krieges gegenüber Moskau kennt. Vielleicht hat sich Präsident Yoon durch dieses Gespräch ermutigt gefühlt, seinen Staatsstreich durchzuführen, denn Donald Trump hat ja ein selbsterklärtes Faible für sogenannte starke Männer. Und das mag im Kopf von Präsident Yoon dazu geführt haben zu denken, dass er sich, sollte der Staatsstreich erfolgreich verlaufen, auf die Unterstützung von Donald Trump verlassen kann.
Die Fragen stellte Sven Hauberg