Nächste Verspätung: Korvette „Köln“ wird für Marine zum Alptraumschiff
See-Desaster für Bundeswehr: Korvette „Köln“ wird für deutsche Marine zum Alptraumschiff
„Viele, viele Ansprüche der Marine“ – und viel Technik, die nicht funktioniert. Die „Köln“ soll Wladimir Putin in Schach halten. Was sie nicht kann.
Rostock –„Die Hauptaufgabe der Marine bleibt die Sicherung der Nordflanke, also des Seegebietes Ostsee und europäisches Nordmeer“, sagte Jan Christian Kaack Anfang des Jahres. Der Vizeadmiral und Inspekteur der Marine forderte dazu: „Neue Waffensysteme müssen schneller verfügbar gemacht und intelligente, pragmatische Lösungen zur Kampfwertsteigerung vorangetrieben werden“, wie Kaack in seiner Erklärung „Absicht 2025“ klargestellt hat. Jetzt hat Kaack mit schwerer See zu kämpfen, und Wladimir Putin braucht um die Interessen in der Ostsee noch lange nicht zu fürchten.
Deutschlands neue Korvetten kommen später als befürchtet. Die Korvette „Köln“ liegt aktuell in Hamburg im Dock von Blohm+Voss und harrt ihrer Indienststellung. Wahrscheinlich wird die erst 2026 erfolgen. Intern hält Blohm+Voss eine Fertigstellung doch noch in diesem Jahr für möglich. Wie die Ostsee-Zeitung (OZ) berichtet, sollen IT-Probleme aber noch ungelöst sein, vor allem an den Waffensystemen und der Sensorik.
Bundeswehr fordernd: „Die Verzögerungen beruhen auf vielen, vielen Ansprüchen der Marine.“
Allerdings wird auch noch an anderen Komponenten gewerkelt. „Die Verzögerungen beruhen auf vielen, vielen Ansprüchen der Marine“, sagt ein Mitarbeiter vor Ort. Beispielsweise hatte die Marine die Luftaustauschrate bemängelt, also die Zufuhr von Frischluft – allein dafür müssen eine Menge Komponenten nachgebessert beziehungsweise ausgetauscht werden.
Mit viel gutem Willen kann man in dieser Entwicklung auch etwas Positives finden: Im Ukraine-Krieg hat sich die Kriegsführung derart weiterentwickelt, dass die Erkenntnisse zumindest auf Software-Ebene in die Korvetten einfließen könnten. Man kann nur hoffen, dass dies auch tatsächlich geschieht.
Die fünf neuen Korvetten der Klasse 130 fahren unter den Namen „Köln“, „Emden“, „Karlsruhe“, „Augsburg“ und „Lübeck“. 2018 hatte die Bundeswehr die Nachricht über den Zuwachs auf ihrer Homepage platziert mit dem Hinweis: „Fünf weitere Korvetten wird die Deutsche Marine ab Anfang der 2020er Jahre erhalten.“ Das wäre 2022 gewesen. Mitte 2024 hatte dann das Hamburger Abendblatt gemeldet, dass 2025 „Klar Schiff“ sein sollte, zumindest für die „Köln“ – offenbar hatten Unterbrechungen der Lieferketten und der Ukraine-Krieg einen Strich durch die Planungen gemacht.
Dazu kam ein Unfall: Die Marine wollte das Kriegsschiff ursprünglich ohne Einsatzsystem testen und dazu von Hamburg nach Rostock verlegen, als das Schiff beim Auslaufen aus Hamburg an Steuerbord mit dem Schwimmdock kollidierte und wieder aufs Dock zurückmusste. Beispielsweise wurden Frischwassertanks beschädigt und Beschichtungen mussten wieder neu aufgetragen werden. Allein die Reparatur der Trinkwassertanks soll mindestens zwei Monate Zeit gekostet haben.
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Bundeswehr überzeugt: „Wir im Amt sind der Zeitenwendemotor“
Die Ostsee-Zeitung hat die „Köln“ inzwischen zum Pannenschiff umgetauft. OZ-Autor Axel Büssem stellt mit der verzögerten Auslieferung der Schiffe auch gleich die Wehrfähigkeit der Bundeswehr infrage. 2026 sollten eigentlich alle Schiffe vom Stapel gelaufen sein, jetzt läuft höchstens die „Köln“ in Rostock ein. Allerdings befindet sich die „Emden“ auch schon auf Probefahrt und wird die siebte Korvette der deutschen Marine sein – und ein ganz besonderes obendrein.
„Wir erleben eine Zeitenwende und ein Umdenken bei der Bundeswehr mit dem Ziel, eine wehrhafte Demokratie in unserem Land sicherzustellen“, sagte Lehnigk-Emden in ihrer Taufrede für das Schiff Anfang Mai 2023. In der Umsetzung verlange diese Zeitenwende vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) auch ein effizienteres und gleichzeitig rechtssicheres Handeln, um schnell sichtbare Ergebnisse im Hinblick auf Qualität und Quantität der Ausrüstung zu erreichen.
Bundeswehr unter Druck: Ukraine-Krieg und die latente Drohung durch Wladimir Putin forcieren Schiffbau
„Wir im Amt sind der ‚Zeitenwendemotor‘“, erklärte sie zu dieser Verantwortung. Die Vorgaben des BAAINBw seien, die fast 26 Milliarden Euro zu verausgabenden Haushaltsmittel für 2023 wie auch das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro effektiv umzusetzen. „Gelingt es uns also, die maritime Schlagkraft zu erhöhen, indem wir neue und einsatzbereite Schiffe und Boote für die Marine bereitstellen – dann können diese auch ihre zukünftigen Aufgaben der Landes- und Bündnisverteidigung als Teil einsatzfähiger Streitkräfte wahrnehmen.“ „Aus der Zeitenwende wird leider immer mehr ein Zeitenende“, kritisierte Bundestagsmitglied Ingo Gädechens (CDU) die seiner Meinung nach chronische Unterfinanzierung der Bundeswehr, wie ihn das Marineforum zitiert.
„Laut gängiger Definition handelt es sich bei einer Korvette um die kleinste Einheit, die als ,richtiges‘ Kriegsschiff angesehen werden kann – größenmäßig zwischen Schnellbooten, Patrouillenfahrzeugen und Fregatten gelegen“, schreibt das Marineforum. Wie die bereits bestehenden fünf Korvetten werden auch die neuen fünf in Rostock-Warnemünde ihren Heimathafen finden. Das Marineforum berichtete, dass im Anschluss weitere fünf Korvetten gebaut werden sollen und die bestehenden fünf ersetzen, anstatt dass diese von Grund auf modernisiert würden.
Bundeswehr nicht einsatzfähig: „Das Boot ist anfällig gegenüber Hacker-Angriffen.“
Was ursprünglich aufgrund der fehlenden Finanzierung auf Eis gelegt worden war, erhielt aufgrund des Ukraine-Kriegs und der latenten Drohung durch Wladimir Putin wieder Auftrieb. Diese unter dem Begriff „Braunschweig“ laufende Schiffsklasse wird gelobt aufgrund seines geringen Tiefgangs von etwas über drei Metern und der daraus folgenden Einsetzbarkeit in Küstennähe. Darüber hinaus ist diese Schiffsklasse weitgehend automatisiert und fährt mit einer Besatzung von 61 Kräften.
Bereits die Taufe der „Emden“ war vom Thema „IT-Probleme“ überschattet. „Das Boot ist nicht zulassungsfähig und anfällig gegenüber Hacker-Angriffen“, sagte Andreas Czerwinski, wie der NDR den Flottillenadmiral zitierte. Offenbar ist die hohe Automatisierung der Schiffe Fluch und Segen zugleich – das jedenfalls legte das verteidigungspolitische Magazin Hartpunkt bereits vor drei Jahren nahe – weiterhin außer Funktion sei das Führungs- und Waffeneinsatzsystem (FüWES), wie Hartpunkt schrieb.
Demnach hatten die zwei mit der Ausrüstung betrauten Unternehmen zu keinem funktionierenden System zusammenfinden können. „Dem Vernehmen nach sind sich die beiden mit der Entwicklung des FüWES betrauten Unternehmen Atlas Elektronik, beziehungsweise das Mutterunternehmen thyssenkrupp Marine Systems (tkMS), und Thales über Verantwortlichkeiten und Arbeitspakete uneinig“, schrieb Hartpunkt. Nach dessen Recherchen sollen das Atlas Naval Combat System (ANCS) sowie das Combat Management System (CMS) Thales-FüWES Tacticos zumindest teilweise inkompatibel sein.
Bundeswehr pingelig: Trotz Ukraine-Kriegs baut und plant das deutsche Militär mit aller Besonnenheit
Darüber hinaus deutet Hartpunkt an, dass die Marine im Laufe des Bauprozesses immer höhere Standards für die IT gefordert hätte; das hätte die Prozesse zusätzlich verzögert und erinnert an die immer wiederkehrende Kritik am Beschaffungsamt, „Goldrandlösungen“ für das Militär zu erarbeiten. Das betrifft Kopfhörer für Kampffahrzeugbesatzungen genauso wie Fahrzeuge selbst.
Während der Krieg in der Ukraine mit Tempo vorwärts prescht, baut und plant das deutsche Militär mit aller Besonnenheit. Eingedenk der Forderungen von Jan Christian Kaack nach schnellen Verfügbarkeiten und pragmatischen Lösungen zur Kampfwertsteigerung der deutschen Waffen scheint die Marine vielleicht ihre eigene Definition von Geschwindigkeit und Praxisnähe zu pflegen.
Für den deutschen Militärhistoriker Sönke Neitzel beispielsweise ein klares Signal, dass Deutschland den Realitäten immer noch hinterherläuft: „2018 wurde zwar als Ziel festgelegt, die Bundeswehr bis zum Jahr 2031 wieder zu einer ‚Vollwert-Armee‘ zu machen, wie es im Amtsdeutsch heißt, aber der politische Wille, dies auch umzusetzen, ist nicht wirklich zu erkennen“, wie er sagt. Pragmatismus beweist dagegen der Zivilist Axel Büssem von der Ostsee-Zeitung in seinem Kommentar zur neuerlichen Verspätung der „Köln“, wie er schreibt.
„Mit viel gutem Willen kann man in dieser Entwicklung auch etwas Positives finden: Im Ukraine-Krieg hat sich die Kriegsführung derart weiterentwickelt, dass die Erkenntnisse zumindest auf Software-Ebene in die Korvetten einfließen könnten. Man kann nur hoffen, dass dies auch tatsächlich geschieht.“