Tage der Entscheidung in Südkorea: Verliert Kriegsrechts-Präsident Yoon jetzt sein Amt?

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Banges Warten in Südkorea: Noch diese Woche könnte der entmachtete Präsident Yoon aus dem Amt entfernt werden. Am Montag gab es ein erstes Urteil der Verfassungsrichter.

Ginge es nach den Bürgerinnen und Bürgern, dann wäre die Sache klar: Südkoreas entmachteter Präsident Yoon Suk-yeol soll nicht ins Amt zurückkehren können, so sagten das in einer Umfrage von Gallup Korea vom vergangenen Freitag 58 Prozent der Befragten. Nur 36 Prozent wollen, dass Yoon seine Amtsgeschäfte wieder aufnimmt. Ein deutliches Urteil.

Die Entscheidung aber liegt nicht beim Volk, sondern bei den acht Verfassungsrichtern des Landes. Und die lassen auf ihr finales Urteil warten. Schon vorletzte Woche war mit einem Spruch gerechnet worden, derzeit wird in Seoul der Freitag (28. März) als möglicher Termin gehandelt. Ausgemacht ist das allerdings nicht. Und so bleibt die politische Lage in Südkorea, fast vier Monate nachdem Yoon für sechs dramatische Stunden das Kriegsrecht ausgerufen hatte und wenig später seines Amtes enthoben wurde, weiter höchst unsicher.

Immerhin, es kommt langsam Bewegung in die Staatskrise, die das Land seit Anfang Dezember lähmt: Am Montag entschieden die Verfassungsrichter, dass Han Duck-soo, Premierminister und zeitweise auch Interimspräsident, seine Amtsgeschäfte wieder aufnehmen kann. Das südkoreanische Parlament, das von der Opposition kontrolliert wird, hatte Han ebenfalls entmachtet.

Südkoreas Premierminister Han wieder im Amt

Die Parlamentsmehrheit hatte Han vorgeworfen, er habe mit seiner Weigerung, mehr Richter für das zu dieser Zeit aus nur sechs Richtern bestehende Verfassungsgericht zu ernennen, das Amtsenthebungsverfahren gegen Yoon torpedieren wollen. Die Verfassungsrichter in Seoul sahen das im Kern zwar ähnlich, für eine Absetzung Hans würden die Vorwürfe allerdings nicht ausreichen.

Han kann sich also wieder um die Amtsgeschäfte kümmern, und tatsächlich schritt er sogleich zur Tat. „Als amtierender Präsident werde ich mein Bestes tun, um eine stabile Staatsverwaltung aufrechtzuerhalten und alle Weisheit und Fähigkeiten einsetzen, um die nationalen Interessen im Handelskrieg zu schützen“, sagte Han noch am Montag. Er spielte auf die aggressive Handelspolitik der US-Regierung an, die auch Südkorea ins Visier genommen hat. Die Entscheidung der Verfassungsrichter nannte er „weise“.

Südkoreas Interimpräsident Han Duck-soo
Südkoreas Interimpräsident Han Duck-soo ist zurück im Amt. © Ahn Young-joon/AFP

Bereits am Mittwoch dürfte eine weitere Entscheidung mit potenziell weitreichenden Konsequenzen fallen. Dann will ein Berufungsgericht in Seoul sein Urteil im Prozess gegen Oppositionsführer Lee Jae-myung verkünden. Lee soll Wahlgesetze missachtet haben, in erster Instanz war er deswegen zu einem Jahr Haft verurteilt worden.

Prozess gegen entmachteten Präsidenten Yoon in Südkorea: Ausgang offen

Sollten die Richter am Mittwoch das Urteil bestätigen, würde Lee nicht nur seinen Sitz im Parlament verlieren. Auch dürfte er bei der nächsten Präsidentschaftswahl, die nach einer endgültigen Amtsenthebung von Yoon Suk-yeol rasch stattfinden müsste, nicht antreten. Vor drei Jahren war Lee mit weniger als einem Prozentpunkt Abstand seinem Rivalen Yoon unterlegen, aktuelle Umfragen sehen ihn nun klar vorne.

„Die anhaltende Verzögerung der Entscheidung durch das Gericht schürt Besorgnis und Konflikte“, sagte Lee am Montag zum Verfahren über Yoon Suk-yeol. Er hatte auf ein Verfahren im Eilmodus gehofft, um sich noch vor seinem eigenen Urteil zum Präsidenten wählen zu lassen. Daraus wird nichts, sehr zum Unmut von Lees Anhängern.

Anhänger von Yoon Suk-yeol demonstrieren in Seoul
Auch am Samstag gingen Anhänger (und Gegener) von Yoon Suk-yeol in Seoul auf die Straße. © Yashuyoshi Chiba/AFP

Wie die Verfassungsrichter im Fall Yoon urteilen werden, ist noch völlig unklar. Ramon Pacheco Pardo vom Londoner King‘s College bezweifelt jedenfalls, dass man aus der Entscheidung zu Han Duck-soo etwas herauslesen kann. „Ich glaube nicht, dass dies etwas mit dem Fall von Präsident Yoon zu tun hat. Es handelt sich um verschiedene Fälle, die nicht in Verbindung zueinander stehen“, sagte der Korea-Experte der Frankfurter Rundschau.

Yoon-Prozess vor Urteilsverkündung: Südkoreas Polizei macht sich bereit

Ebenso unklar ist, warum sich die Verfassungsrichter so viel Zeit lassen. In ähnlichen Verfahren lag das Urteil etwa zwei Wochen nach der letzten Anhörung vor, die im Falle Yoons vor gut vier Wochen stattfand. Auch weil zwei der Richter kurz vor der Pensionierung stehen, drängt die Zeit. „Hätten sich die Richter bereits entschieden, würden sie zur Abstimmung schreiten und ihre Stellungnahmen abschließen. Aber es sieht so aus, als ob sie immer noch darum ringen, ihre Ansichten zu koordinieren“, sagte der Politologe Kim Seon-taek von der Korea University der Tageszeitung Choson Ilbo. Notfalls müsse der vorsitzende Richter einschreiten, fordert er.

Bis dahin ist banges Warten angesagt in Südkorea. Seit Monaten gehen in Seoul und anderen großen Städten jedes Wochenende Hunderttausende auf die Straßen, um für oder gegen Yoon zu demonstrieren. Sieht man von kleineren Zwischenfällen ab – so bewarf letzte Woche ein Yoon-Anhänger eine Oppositionsabgeordnete mit einem rohen Ei –, blieb es dabei bislang friedlich. Was erstaunlich ist, angesichts der tiefen politischen Spaltung im Land, die vor allem auf Yoon-Seite ultrarechte YouTuber weiter befeuern. In Seoul macht sich die Polizei für Ausschreitungen bereit, 14.000 Bereitschaftspolizisten sollen am Tag der Urteilsverkündung eingesetzt werden.

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