Störsender-Flop beschert Verluste: Russland liefert Panzer-Flotte schutzlos den Ukraine-Drohnen aus
Rückschlag an der Front: Störsender sollen Russlands Panzer vor Drohnenangriffen schützen. Doch die Technik funktioniert schlecht – weswegen die Verluste steigen.
Moskau – Es ist ein Bild der Zerstörung: In einem Wald bei Nowomychailiwka, wenige Kilometer westlich von Donezk in der Ostukraine, steht ein verkohlter russischer Truppentransporter. Im Inneren des MT-LB flackern noch Flammen, weißer Rauch steigt auf. Oben auf dem gepanzerter Fahrzeug baumeln zwei Antennen. Sie gehören zu einem Störsender, die den Drohnenangriff eigentlich hätten verhindern sollen. Doch die Technik entpuppt sich im Ukraine-Krieg zunehmend als Flop.
Das Bild sorgt bei russischen Militärbloggern jetzt für Diskussionen. Denn es ist kein Einzelfall. Angesichts von steigenden Panzer-Verlusten für Russlands Armee wächst die Kritik an einem mangelnden Abwehrsystem. Die russischen Streitkräfte „verfügen über keinen massiven Schutz gegen feindliche Drohnen“, zitierte das Nachrichtenmagazin Forbes einen russischen Militärblogger. „Alles, was sie installieren, ist längst veraltet und deckt die neuen Frequenzen des Feindes nicht ab.“ Andere Militärbeobachter sollen sich ähnlich geäußert haben.
Schlechte Störsender: Russland kassiert Panzer-Verluste durch Drohnenangriffe
Bei dem besagten Drohnenangriff fügte die Ukraine jetzt der Armee aus Russland tatsächlich einen empfindlichen Rückschlag zu. Innerhalb von drei Stunden zerstörten die Verteidiger drei T-72-Panzer, sieben Truppentransporter MT-LB und einen BMP-2-Schützenpanzer. Wegen des nachlassenden Nachschubs an westlichen Waffensystemen setzen die ukrainischen Streitkräfte zunehmend auf die Attacken mit den billigen First-Person-View-Drohnen, die eine bis zu zwei Pfund schweren Bomben tragen und nahezu ungestört auf die angreifenden Kolonnen abwerfen können. Seit Beginn des Ukraine-Krieges hat Putins Flotte nach Schätzungen des britischen Geheimdienstes bis zu 2600 Panzer verloren, zuletzt sei die Tendenz steigend gewesen, hieß es in einem Bericht des Verteidigungsministeriums.
Zunehmende Verluste im Ukraine-Krieg zeigt: Wirkung der Panzer-Abwehr versagt
Unabhängig überprüfen lassen sich viele Angaben nicht. Doch fest steht: Die Ukraine setzt an der insgesamt 600 Kilometer langen Front im Ukraine-Krieg großflächig die Drohnen ein, die in der Herstellung nur ein paar hundert Euro kosten. Russland versucht seit Monaten die Angriffe aus der Luft zu vereiteln. Seit dem Herbst werden die Panzer mit Funkstörsendern ausgerüstet, die die Drohnen ablenken sollen. Dafür waren bislang vor allem die beiden tragbaren Systeme vom Typ RP-377 und Volnorez bekannt, wie das Magazin DefenseExpress berichtete. Doch nach anfänglichen Erfolgen scheint die Wirkung nach Meinung russischer Militärblogger verpufft zu sein.
Schutz vor Drohnen – wie funktioniert der Störsender am Panzer?
Störsender sollen die Drohnenangriffe auf einen Panzer abwehren. Doch kann das gelingen? Das Magazin armyrecognition erklärte Russlands Volnorez-System kürzlich so, dass ein Verstärker und eine Antenne auf dem potenziellen Zielfahrzeug eine Art Käseglocke aus elektromagnetischer Strahlung im Frequenzband zwischen 900 und 3.000 Megahertz erzeugen. Dieser Frequenzbereich entspricht den Betriebsfrequenzen der meisten derzeit verwendeten „First-Person-View“ (FPV)-Drohnen. Durch die Aktivierung des Störsenders wird die Kommunikation der Drohne mit ihrer Kontrollstation unterbrochen, wodurch die Drohne vom Kurs abkommt, den Kontakt verliert und ins Nichts irrlichtert.
Über die Hintergründe kann bislang nur spekuliert werden. Vermutet wird, dass die ukrainischen Verteidiger die Systeme bei erbeuteten Panzer gecheckt und in der Folge die Funktionsweise geknackt haben. Denkbar wäre auch, dass die Drohnen auf wechselnden Frequenzen von einem KI-System gesteuert werden und dadurch die russischen Systeme ausgetrickst werden. Erst kürzlich tauchten Berichte über eine „Königin-Drohne“ auf, die in der Luft einzelne Drohnen unabhängig voneinander zu ihren Zielen leiten kann.
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Video zeigt Panzer-Verlust für Russlands Armee
Wie effektiv die Drohnenangriffe sind, zeigt auch ein kürzlich bei X (vormals Twitter) aufgetauchtes Video. Zu sehen ist ein Panzer an dem Frontabschnitt bei Awdijiwka. Nachdem die Soldaten mehrfach aus dem Panzer gefeuert haben, kassiert die Besatzung einen Drohnentreffen – und muss auf verschneitem Feld die Flucht ergreifen. Den Panzer, der nicht mehr fahrtüchtig scheint, müssen sie zurücklassen.
Die Wirkungstreffer machen der ukrainischen Armee ein wenig Hoffnung. Denn ansonsten geraten die Verteidiger immer weiter ins Hintertreffen. Während Russland bislang immer neue Soldaten und neues Material in die Schlacht werfen konnte, gehen in der Ukraine offenbar die Munitionsvorräte stark zur Neige. Auch der Nachschub an Panzern, Kampfjets oder Raketenabwehrsystemen gerät ins Stocken. Denn in einigen großen Unterstützerländern, vor allem in den USA, dreht sich innenpolitisch der Wind. Angesichts der andauernden Diskussionen versucht die Regierung von Wolodymyr Selenskyj die Lücke mit der Herstellung der effektiven Drohnen zu überbrücken. „Die Ukraine ist in den letzten Jahren und insbesondere seit Beginn des Krieges zu einer Drohnenmacht geworden“, bestätigte Ulrike Franke vom European Council on Foreign Relations kürzlich gegenüber dem ZDF.
Doch ob das reicht? „Es sieht so aus, als ob das die Strategie der ukrainischen Streitkräfte ist“, zitierte Forbes einen russischen Blogger. „In die Defensive gehen und Drohnen einsetzen.“ Zumindest bei Nowomychailiwka scheint die Taktik aufgegangen zu sein. (jkf)