Bauernproteste in Füssen: „Irgendwann ist das Maß voll“

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Viel Zuspruch: Wie überall in de Republik protestierten jetzt auch die Landwirte aus dem Königswinkel gegen die Pläne der Bundesregierung. © Matz

Eine Woche lang befand sich die Republik fest im Griff der Bauernproteste. Auch im Königswinkel gingen unzählige Landwirte und Bäuerinnen auf die Straße.

Füssen – Einer von ihnen .ist Matthias Friedl. Im Interview mit dem Kreisboten spricht der Weißenseer BBV-Obmann über die tatsächlichen Gründe für die Proteste und warum sich so viele Menschen mit den Bauern solidarisieren.

Herr Friedl, in der vergangenen Woche verging auch im südlichen Ostallgäu kaum ein Tag ohne Proteste der Landwirte. Wie haben Sie persönlich die Demonstrationen im Königswinkel wahrgenommen?

Friedl: „Ich bin überwältigt vom Zusammenhalt in unserer Berufsgruppe. Denn demonstrieren bedeutet für uns ja: die Arbeit geht weiter. Einer fährt mit und zuhause machen die Frau, die Kinder oder die rüstigen Elten die Arbeit. Natürlich hat auch mich der Zuspruch aus den anderen Branchen gefreut.“

Hätten Sie mit einer so großen Resonanz unter den Landwirten gerechnet?

Friedl: „Ja, damit habe ich tatsächlich gerechnet, denn irgendwann ist das Maß voll. Es gibt viele Betriebe, die wirtschaftlich schlecht da stehen, da tut jeder Euro weh.“

Woher kommt die plötzliche Wut und Bereitschaft, gegen die Bundesregierung auf die Straße zu gehen?

Matthias Friedl
Matthias Friedl © privat

Friedl: „Die Situation ist nicht plötzlich entstanden. Die Agrardieselsubventionen und die Steuer auf die Landmaschinen war nur der Auslöser. Die Probleme sind so vielfältig wie die Landwirtschaft selbst. Egal ob Berufsgenossenschaft, Flächenförderung, Düngeverordnung, Bürokratie, Anbindeverbot, Tierskandal, Wolf, Biber, Bär, aber auch das gefühlte Ansehen in der Bevölkerung.“

Wie hat die Bevölkerung auf die Proteste, die ja doch zum Teil mit erheblichen Einschränkungen verbunden waren, reagiert?

Friedl: „Beim Mahnfeuer, waren alle hellauf begeistert von unserer Initiative. Bei den Demonstrationen auf der Straße haben wir fast ausschließlich positive Reaktionen erhalten, vom einfachen Daumen hoch bis hin zur Verpflegung. Wir wurden herzlich empfangen.“

Kaum eine Branche in Deutschland wird so hoch subventioniert wie die Landwirtschaft. Staatliche Förderungen machen im Schnitt fast die Hälfte der Betriebseinkommen aus. Die Agrardieselsubventionen fallen da vergleichsweise marginal aus. Zudem sollen sie nun nur noch schrittweise zurückgefahren werden. Sind die Argrardieselsubventionen tatsächlich der Grund für die Proteste oder nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte?

Friedl: „Es ist größtenteils nur der berühmte Tropfen. Individuell bringt dieser Punkt einige Betriebe schon ins Schwitzen, da es eine sichere Einnahme ist, die sich eben nach dem Aufwand im jeweiligen Betrieb richtet. Ist der Standort des Betriebs – der Felder – sehr hüglig, sind auch bei uns Betriebe dabei, die mehr Diesel für die Arbeit benötigen. Bei diesen ist die Ausgabe bzw. dann die Rückerstattung doppelt so hoch wie bei Betrieben die nur ebene Felder bestellen.“

Worum geht es den Landwirten dann?

Friedl: „Unser größtes Problem ist die Planungssicherheit. Erträge aus unseren Lebensmitteln sind großen Schwankungen unterworfen, diese Entscheiden über Gewinn und Verlust in einem Jahr. Deshalb benötigen wir ein Grundeinkommen, um ein Teil unserer laufenden Ausgaben wie Betriebskosten, Gesundheits- und Altersvorsorge, Versicherung und Ersatzanschaffungen zu decken.“

Welche Gefahren für die heimischen Betriebe stellen die Vorschriften zur Gülleausbringung dar?

Friedl: „Gerade uns kleinen Grünlandlandwirte bedeutet diese Vorschrift eine extreme Belastung, die auch das Aus bedeuten kann. Ich selbst benötige einen stärkeren Traktor, um mir diese Technik überhaupt anschaffen zu können. Mein größter Traktor hat sage und schreibe 85 PS. Versuche mit der neuen Technik haben gezeigt, dass aktuell mindestens 120 PS benötigt werden. Also muss ich mir einen stärkeren Traktor und das neue Fass kaufen. Die Preise liegen laut Agarheute 2024 ab 850 Euro pro PS und neues Fass. Meines kann ich wegen der StVO nicht umrüsten.“

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir will die Anbindehaltung bis 2028 abschaffen. Welche Probleme bringt das für die Füssener Landwirte mit sich?

Friedl: „In Weißensee und Hopfen am See haben nicht ganz die Hälfte der Betriebe noch Anbindehaltung. 30 Betriebe sind es gesamt, davon sind 13 Betriebe mit Anbindehaltung. Diese werden dadurch zum Teil zur Aufgabe gezwungen. Denn diese Betriebe haben in der letzten Generation aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht investiert. Eine Investition ist in diesen Betriebsgrößen nicht rentabel, oft fehlt es schon am Platz. Sie können vielleicht auf Mast umstellen oder Mutterkühe halten, dann fehlen aber wichtige Einnahmen und Sie müssen sich ein weiteres Betätigungsfeld oder einen Arbeitsplatz suchen.“

Warum geben Sie Ihre höheren Kosten nicht einfach an Ihre Kunden weiter?

Friedl: „Das können wir nicht. Die fairste Variante wäre das wohl, keine Subventionen, nur der reelle Preise. Dann gibt es aber uns Kleinbauern am Alpenrand trotzdem nicht mehr, da wir mit den besseren Bedingungen in anderen Regionen oder gar mit den niedrigen Produktionskosten im Ausland nicht mithalten können, denn Tierwohl und Umweltschutz haben ihren Preis. Zudem kann man im Ausland durch billigere Stallungen wegen des Klimas, besseren Böden und längeren Vegetationszeiten billiger produzieren. Der Weltmarkt wird unseren Preis immer diktieren!“

Wo sehen Sie die Landwirtschaft im Königswinkel in zehn Jahren?

Friedl: „Ich hoffe auf einen starkes Umdenken. Sowohl Verbraucher als auch Politik müssen verstehen, wie wichtig unsere Arbeit ist. Wenn das passiert, sind auch die kleinen Betriebe, die heute unsere schöne Gegend pflegen und Lebensmittel produzierten, lebensfähig.“

Wird es dann noch jeden heute existierende Betrieb geben?

Friedl: „Ja, wenn das passiert, werden kaum noch Betriebe aufgeben, denn die Arbeit auf dem Hof ist sehr erfüllend. Dann werden nur noch Höfe aufgeben müssen, die keinen Hofnachfolger finden. Wenn das Umdenken nicht stattfindet, dann gibt es in Regionen wie der unseren ein flächendeckendes Hofsterben.“

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Friedl: „In erster Linie Verlässlichkeit. Die hohen Investitionskosten in der Landwirtschaft und der im Verhältnis kleine Ertrag zwingt uns in Jahrzehnten zu planen.“

Was passiert, sollte es zu keiner Einigung zwischen Regierung und Bauern kommen?

Friedl: „Dann streiken wir weiter, hier bin ich gespannt was uns die Verbände als Ideen geben.“

Im Gegensatz zu den Protestaktionen der Klimakleber ist die Unterstützung der Bevölkerung für die Bauernproteste groß. Andere Branchen schließen sich den Kundgebungen sogar an. Wie erklären sie sich das?

Friedl: „Mit der großen Unzufriedenheit des Mittelstands. Der Mittelstand bildet das Fundament unseres Staates. Dieser und auch wir fühlen uns von der Politik – und nicht erst seit der Ampel – mit Füßen getreten.“

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