„Schlag ins Gesicht“: Bauern über Streichung von Agrarsubventionen erzürnt – „Die haben nichts dazu gelernt“

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„Schlag ins Gesicht“: Bauern über Streichung von Agrarsubventionen erzürnt – „Die haben nichts dazugelernt“

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„Wir haben richtig Rambazamba gemacht“: Am Montag demonstrierten die Landwirte in Berlin gegen die Pläne der Bundesregierung. Nach Veranstalterangaben rollten knapp 3000 Traktoren nach Berlin. © Fabian Sommer/dpa

Landwirte aus Oberbayern sind über die geplante Streichung von Agrarsubventionen erzürnt. Von der Entscheidung der Bundesregierung fühlen sie sich überrumpelt.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Die unerfreuliche Adventsbotschaft hat die Landwirte kalt erwischt. „Das kam für uns von heute auf morgen“, sagt Kreisbäuerin Ursula Fiechtner. Um das milliardenschwere Loch im Haushalt zu stopfen, hatte die Bundesregierung beschlossen, Agrarsubventionen zu streichen. Für die Bauern im Landkreis ist diese Entscheidung nicht nachvollziehbar – und für einige existenzbedrohend.

Agrarsubventionen: Landwirte sauer über Ampel-Sparpläne – „Irgendwo gibt es Grenzen“

Bisher können sich Höfe die Energiesteuer für Diesel teilweise zurückerstatten lassen. Zudem sind land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge von der Kfz-Steuer befreit. Beides soll nach den Plänen der Ampel wegfallen. „Ich weiß nicht, was dieser Regierung noch alles einfällt. Irgendwo gibt es Grenzen“, schimpft Ursula Fiechtner. „Die haben nichts dazu gelernt. Jetzt machen sie auch noch die Ernährungssicherheit kaputt.“ Eine regionale Produktion komme schließlich den Verbrauchern zugute. „Vielen ist nicht bewusst, dass heimische Landwirtschaft auch Versorgungssicherheit bedeutet“, so die Wackersbergerin.

Ursula Fiechtner, Kreisbäuerin.
Ursula Fiechtner, Kreisbäuerin. © Archiv

„In der Landwirtschaft steckt so viel Engagement und Herzblut“, sagt die Kreisbäuerin. Die Landwirte ächzten sowieso schon unter den Lasten von Bürokratie, Tierwohl- und Umweltschutzrichtlinien, argumentiert Fiechtner. Dazu komme der hohe Arbeitsaufwand. „Welchen jungen Menschen begeisterst du dann noch dazu, einen Betrieb zu übernehmen, wenn jetzt auch noch diese Unterstützung wegfällt?“

Welchen jungen Menschen begeisterst du dann noch dazu, einen Betrieb zu übernehmen, wenn jetzt auch noch diese Unterstützung wegfällt?

Die Umweltorganisation Greenpeace erklärte, der Wegfall der Diesel-Subventionen sei angesichts rekordverdächtiger Agrar- und Lebensmittelpreise und vieler weiterer Agrarsubventionen verschmerzbar. „Die reden mit vollem Bauch“, entgegnet Fiechtner. „Die sollten sich mal fragen, wer für das Essen sorgt.“

Landwirten bangen um Existenz: „Kenne keinen Landwirt, der nicht mit dem Gedanken spielt, die Reißleine zu ziehen“

Einen „Hightech-Hof“ mit Solaranlagen und modernster Ausstattung bewirtschaftet Franz-Xaver Demmel in Schönrain (Gemeinde Königsdorf). Trotzdem ist der 53-Jährige nach wie vor auf acht Fahrzeuge mit Dieselantrieb angewiesen. Die angekündigte Sparmaßnahme der Politik stößt bei ihm auf „völliges Unverständnis“. Auf Familienbetrieben betrage der Stundenlohn derzeit zwischen 6 und 13 Euro, erklärt der Schönrainer. „In so einer Ausgangssituation noch mal eins auf den Deckel zu bekommen, das ist skandalös.“

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Dazu komme der Umstand, dass sich Landwirte „null komma null“ gegen das Ganze wehren könnten. „Wir sind komplett abhängig von den Supermärkten, wir müssen unsere Ware ja irgendwo abliefern.“ All das macht sich auf den bayerischen Höfen bemerkbar. Demmel ist sich sicher: Viele Landwirte treibe in erster Linie die Verbundenheit und Tradition an, nicht der Profit. „Doch momentan kenne ich keinen Landwirt, der nicht mit dem Gedanken spielt, die Reißleine zu ziehen.“

„Schlag ins Gesicht“: Durch Streichung der Agrarsubvention fehlt den Landwirten „ein komplettes Monatsgehalt“

Ruth-Maria Frech aus Irschenhausen (Gemeinde Icking) hat vor sechs Jahren den Milchviehbetrieb ihrer Eltern übernommen. Seitdem hatte sie bereits mit vielen politischen Forderungen und Vorgaben zu kämpfen. Nun steht ihr die nächste Hürde bevor. „Ich habe das mit dem Agrardiesel grob überschlagen“, sagt die 32-Jährige. „Die Mehrkosten machen bei uns ein komplettes Monatsgehalt aus.“

Ruth-Maria Frech, Landwirtin aus Irschenhausen
Ruth-Maria Frech, Landwirtin aus Irschenhausen © Sabine Hermsdorf-Hiss

Ich habe das mit dem Agrardiesel grob überschlagen. Die Mehrkosten machen bei uns ein komplettes Monatsgehalt aus.

Für die Landwirtin „ein Schlag ins Gesicht“. Frech: „Wir haben drei Schlepper in verschiedenen Größen, auf die kann ich nicht plötzlich verzichten.“ Dass man auch in der Landwirtschaft versuchen müsse, von fossilen Brennstoffen wegzukommen, ist der Irschenhauserin bewusst. „Momentan fehlt uns aber einfach noch eine Alternative.“

Landwirte starten Kundgebung in Berlin mit rund 10.000 Teilnehmern: „Haben Rambazamba gemacht“

Unter dem Motto „Zu viel ist zu viel“ demonstrierten Landwirte aus ganz Deutschland am Montag gegen die Pläne der Bundesregierung. Vor dem Brandenburger Tor fand eine Kundgebung statt, an der nach Veranstalterangaben 8000 bis 10.000 Menschen teilnahmen. Rund 3000 Traktoren rollten nach Berlin. Peter Fichtner, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands, war vor Ort. „Wir haben richtig Rambazamba gemacht“, berichtet Fichtner. „Bei vielen Landwirten ist der Frust groß.“

Peter Fichtner, Kreisobmann des BBV
Peter Fichtner, Kreisobmann des BBV © Sabine Hermsdorf-Hiss

Wir brauchen einen Inflationsausgleich nach oben, nicht nach unten.

Anschließend trafen sich die Landwirte mit dem Bundestagsabgeordneten Karl Bär (Grüne). „Wir haben ihm unsere Lage und die Zusammenhänge noch einmal genau erklärt“, schildert Fichtner. „Wir brauchen einen Inflationsausgleich nach oben, nicht nach unten. Es war zumindest positiv, dass er sich die Zeit genommen hat“, findet Fichtner. Die Landwirtschaft sei Teil der Lösung und nicht des Problems. (kof/vfi)

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