Yale-Professor prophezeit Trump-Diktatur – deutscher Top-Historiker widerspricht
- Im Video: Fünf Fakten zeigen, warum wir vor Trump-Wahnsinn keine Angst haben müssen
Wer annimmt, Donald Trump meine es nicht ernst mit seinen Bemerkungen, eine dritte Amtszeit als US-Präsident anzustreben, täuscht sich. In einem am Sonntag ausgestrahlten NBC-Interview betonte er ausdrücklich: „Ich mach keine Witze.“ Damit machte er unmissverständlich deutlich, dass seine politischen Ambitionen über das Jahr 2028 hinausreichen könnten. Auf die Frage, ob seine Berater ihm bereits mögliche Szenarien für eine dritte Amtszeit präsentiert hätten, entgegnete Trump: „Es gibt Methoden, um dies zu tun.“
Aussagen wie diese lassen die Warnungen vor der „faschistischen Diktatur“, in die Trump die USA nach Meinung einiger Experten gerade verwandle, lauter werden. Renommierte Forscher der USA verlassen bereits das Land.
Werden USA unter Trump eine „faschistische Diktatur“? Was dafür spricht
Der US-Experte Thomas Jäger beobachtet die Entwicklung in den USA ebenfalls mit Sorge. Gegenüber FOCUS online sagt er, dass viele schon nicht wahrhaben wollen, dass Russland sich zu einem faschistischen Staat entwickelt hat. „Noch weniger wollen sie diese Entwicklung in den USA erkennen, die noch vor wenigen Wochen die Schutzmacht der Demokratien waren.“
Doch laut Jäger gebe es deutliche Anzeichen, dass sich das politische System in den USA in eine autoritäre Richtung entwickelt, an deren Ende eine faschistische Ordnung stehen könnte. Ob es auch so kommt, hänge von den Kräften ab, die das verhindern können: „der Demokratischen Partei, der amerikanischen Öffentlichkeit, der Wirtschaft und der Kultur.“
Bisher jedoch würden sie keinen erkennbaren Widerstand gegen diese Entwicklung leisten, so der Politikwissenschaftler. Dass in den USA faschistische Tendenzen Realität werden, dafür spreche, dass die Regierung Trump „die Zeit zurückdrehen will und eine Ordnung wie im 19. Jahrhundert schaffen will, als nationale Schutzräume das Leben begrenzten“.
Dazu, so Jäger weiter, soll der wirtschaftliche Austausch erschwert und Menschen deportiert werden. „Die Geschichte soll umgeschrieben werden, Museen werden auf eine neue Erzählung verpflichtet. Meinungsvielfalt wird unterdrückt, Kritik an sich bezeichnet Trump als illegal.“
„Der Wille des Präsidenten ist die Quelle der richtigen Handlungen“
Zudem werde der freien Wissenschaft die Finanzierung genommen, „an den irrationalen Narrativen des Präsidenten soll keine wirksame Kritik geübt werden können“, fasst Jäger zusammen. Hingegen würden Sündenböcke aufgebaut, „im Innern die Migranten, außen die Europäer, alle angeblich nur darauf aus, den US-Bürgern ihren Wohlstand und ihr gutes Leben zu nehmen“.
Jäger meint: „Trump stellt sich als der Einzige dar, der sie dagegen schützen kann, wodurch ein Anführerkult begründet wird.“ Heißt: Nicht die Verfassung und das Gesetz, sondern der Wille des Präsidenten sei die Quelle der richtigen Handlungen. Deshalb könne seine Amtszeit auch nicht begrenzt sein, weil nur er, so gehe die falsche Erzählung, das Land und seine Bürger retten könne.
„Als Herrschaftsmittel wird eine neue Sprache für eine neue Bewegung, die MAGA-Bewegung, erfunden. Deshalb gibt es für die Regierungsbehörden Listen verbotener Worte“, zeigt Jäger auf.
US-Faschismus-Forscher: Land „steuert auf eine faschistische Diktatur zu“
Zu den lautesten Stimmen in den USA gehört dieser Tage Jason Stanley, Yale-Philosoph und Faschismus-Forscher. Vergangene Woche kündigte er an, den USA aufgrund des derzeitigen politischen Klimas den Rücken zu kehren und an die Munk School in Kanada zu wechseln. Stanley wolle seine Kinder in einem Land großziehen, „das nicht auf eine faschistische Diktatur zusteuere“, sagte er gegenüber der Philosophieplattform Daily Nous.
Als der Wissenschaftler vom „Guardian“ gefragt wurde, was es bedeutet, wenn ein Faschismusforscher die USA verlässt, antwortete er: „Zum Teil ist es letztlich so, wie man Deutschland 1932, '33, '34 verlassen hat. Meine Großmutter verließ Berlin mit meinem Vater 1939. Es ist also eine Familientradition.“
In einem Interview mit dem „Spiegel“ verdeutlichte der Autor von Büchern wie „Wie Faschismus funktioniert“, warum er die USA unter Trump auf dem Weg in den Faschismus sieht und den Entschluss nach Kanada zu gehen, gefasst hat: „In der klassischen Literatur zum Aufstieg des Faschismus – bei Hannah Arendt oder den Autoren der Frankfurter Schule – gibt es immer wieder dieses Motiv des faschistischen Führers als Gangsterboss. Darum geht es. Es ist eine Mafialogik: Man soll Loyalität zeigen, den Ring küssen.“
Stanley spielt damit auf den Streit zwischen der US-Regierung und der Columbia University an. Die Regierung in Washington hatte gedroht, staatliche Fördermittel in Höhe von 400 Millionen Dollar zurückzuhalten, sollte die Hochschule ihre Vorgehensweise gegenüber propalästinensischen Protesten nicht überarbeiten und das Institut für Nahoststudien einer Reform unterziehen. Vergangene Woche sagte Trump, die Colleges und Universitäten würden ihr „Knie beugen“.
Verklärung der Vergangenheit, die Kultur der Lüge: „Es ist alles da“
Die Tendenz zum Faschismus offenbare sich auch im Vorgehen der Trump-Regierung während des Bundestagswahlkampfes in Deutschland. Elon Musk und Vizepräsidenten J.D. Vance haben mit aller Kraft die AfD unterstützt.

Laut Stanley gebe es kein Land, das so sehr für die demokratische Überwindung des Faschismus stehe, wie Deutschland. „Das repräsentiert die Bundesrepublik. Und wenn es in Deutschland gelingt, das in den Boden zu rammen, dann kann es überall gelingen. Deshalb ist Musk bei der AfD aufgetreten“, so der Faschismus-Experte.
Und Stanley wird noch konkreter. Auf die Frage, ob er die USA als faschistisch bezeichnen würde, sagte er: „Die große Faschismus-Debatte tobt nun schon seit Jahren, und ich kenne niemanden, der sich mit dem Thema beschäftigt, der nicht sagen würde: Es ist Faschismus. Alle Kriterien treffen zu.“
Laut dem Experten gebe es die Verklärung der Vergangenheit, die Betonung des Wir-gegen-die, die Kultur der Lüge, das Verdammen von Komplexität, den Glaube an Hierarchien, die Feier einer Ordnung, die von oben festgelegt wird. „Es ist alles da“, so Stanley.
Faschismus in den USA: Was dagegenspricht
Während Stanley deutliche Anzeichen des Faschismus erkennt, gibt es ebenso Argumente, die dagegensprechen.
Hubertus Knabe, einer der bekanntesten Historiker in Deutschland und Autor des Buches „Tag der Befreiung. Das Kriegsende in Ostdeutschland“, hält nichts „von der inflationären Verwendung des Begriffs faschistisch“, sagt er gegenüber FOCUS online.
Der Begriff stamme aus dem Italienischen und meint übersetzt nur bündlerisch. „So bezeichneten sich die nationalistischen Kampfbünde des ehemaligen Sozialisten Benito Mussolini“, erklärt Knabe.
„Zentrale Merkmale seiner Herrschaft waren Führerkult, Gewalt, extremer Nationalismus und eine militante Massenbewegung. Zudem wurde das Wahlrecht geändert, linke Zeitungen wurden verboten, alle nichtfaschistischen Parteien aufgelöst. Auch Gewerkschaften gab es nicht mehr.“
Hubertus Knabe: „Von all dem kann in den USA keine Rede sein“
Von all dem könne in den USA keine Rede sein, meint der Historiker. Trump sei vielmehr ein demokratisch gewählter Präsident mit starken autoritären Neigungen. Davon gebe es leider viele in der Welt.
Dass er gewählt wurde und mit seiner Politik kaum auf Widerstand stößt, hätten dem Historiker zufolge vor allem die Demokraten zu verantworten. „Sie haben nicht nur den falschen Kandidaten aufgestellt (Anm: d. Red.: Joe Biden und später Kamala Harris), sondern sich auch über die Stimmung in der Bevölkerung hinweggesetzt“, sagt Knabe mit Blick auf den desaströsen Wahlkampf der Demokraten im vergangenen Jahr.
Nicht zuletzt die amerikanischen Universitäten mit ihrer überzogenen Gender- und Diversitätspolitik hätten ihren Anteil an Trumps Aufstieg. „Ihn jetzt als ´faschistisch´ zu verteufeln, dürfte ihn deshalb eher noch stärken. Diese Erfahrung mussten wir jedenfalls in Deutschland im Umgang mit der AfD machen“, so der Historiker.
Auch US-Experte Jäger sieht Argumente, die gegen die Faschismus-These stehen. Gegen eine solche Entwicklung spreche, dass sie im Einzelnen noch nicht voll ausgebildet und damit umkehrbar sei. „Das wäre ein schwieriges Unterfangen, weil sich die Regierung nicht an Verfassung und Recht hält und insbesondere die Kompetenzen des Parlaments schlicht ignoriert.“
Ob die Justiz die Entwicklung aufhalten könne, werde auch davon abhängen, wie stark die Gegenwehr im politischen und öffentlichen Raum sei, so Jäger. „Von einer faschistischen Ordnung sind die USA noch sehr weit entfernt.“
Jäger aber bleibt dabei: „Die Merkmale sind zu erkennen.“ Im Weltbild des Präsidenten sei diese Entwicklung eine erwünschte Realität, „denn Trump möchte am liebsten so unbeschränkt handeln können wie der Präsident Russlands“.