Auf Wolodymyr Selenskyj hat US-Präsident Donald Trump früh geschimpft, ihn als Kriegstreiber und Diktator beschimpft. Seine Abneigung gegen den ukrainischen Amtskollegen rührt aus der ersten Amtszeit. Trumpf versuchte Selenskyj damals vergeblich zu nötigen, belastendes Material gegen den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden und dessen Sohn Hunter, verwickelt in wenig transparente Geschäfte in der Ukraine, zu liefern. Diese Episode führte zu einem gescheiterten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump.
Im Wahlkampf 2024 verhöhnte Trump den Ukrainer regelmäßig und stellte ihn als jemanden dar, der ins Ausland reise, um Geld einzusammeln – vor allem in den USA. Hinzu gesellte sich der Vorwurf, Selenskyj habe keine Optionen in dem Krieg, „keine Karten in der Hand“. Zugleich versprach er unzählige Male, den Krieg im Fall seines Wahlsieges zu stoppen, möglicherweise binnen 24 Stunden und noch als President-Elect, also vor seiner Amtseinführung.
Zuerst brüskiert Trump Selenskyj, dann kommen Zweifel an Putin
Ende Februar wirft Präsident Trump den „undankbaren“ ukrainischen Gast aus dem Weißen Haus, weil der den Zugriff auf die Seltenen Erden in seinem Land nur gegen amerikanische Sicherheitsgarantien vertraglich vereinbaren will. Der wütende Trump unterbricht die Geheimdienstaufklärung und Militärhilfe für Kiew.
Zur Verbesserung des Klimas zwischen Trump und Selenskyj trägt jene Viertelstunde vor der Trauerfeier für Papst Franziskus im Petersdom bei, in der die Präsidenten zwei Stühle zusammenrücken und miteinander reden. Seit diesem Tag redet Trump nicht wesentlich freundlicher über den Ukrainer – aber seine Zweifel an der Verständigungsbereitschaft von seinem Duzfreund Wladimir Putin scheinen gewachsen zu sein. Und jetzt, am 21. Mai, bekannte Trump im Gespräch mit Friedrich Merz & Co.: „Ich glaube, Wladimir will gar keinen Frieden.“
Die Entwicklung mit Daten und Zitaten von Donald Trump:
8. August 2023: "Wir müssen das schnellstmöglich erledigen, vielleicht in 24 Stunden"
Das erklärt Wahlkämpfer Donald Trump bei einer Kundgebung in Windham, New Hamsphire. Er wird diese "Friedenslösung binnen 24 Stunden" sehr häufig wiederholen.
18. März 2024: "Selenskyj ist der größte Handelsvertreter der Geschichte"
Bei einem Wahlkampfauftritt in Ohio sagt Präsidentschaftskandidat Donald Trump, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sei der "größte Handelsvertreter der Geschichte". Jedes Mal, wenn Selenskyj in die USA komme, nehme er 50 bis 60 Milliarden Dollar mit nach Hause. Auch diesen Vorwurf wird Trump im Verlauf des Wahlkampfs und während seiner zweiten Präsidentschaft regelmäßig wiederholen.
Immer wieder gibt Trump Friedens-Versprechen
19. September 2024: "Ich werde diesen Krieg beilegen"
Im Interview mit "Newsmax" wiederholt Trump ein Versprechen zum russischen Krieg gegen die Ukraine, das er in fast jede Wahlkampfrede eingebaut hat: "Ich werde diesen Krieg beilegen, bevor ich überhaupt Präsident werde. Ich werde ihn beilegen, solange ich President-elect bin."
27. September 2024: "Zeit, den Ukraine-Krieg zu beenden"
Trump trifft Wolodymyr Selenskyj im Trump Tower in New York und erklärt, es sei "Zeit, den Ukraine-Krieg zu beenden". Selenskyj präsentiert Trump einen "Victory Plan" für den Frieden.
17. Oktober 2024: „Selenskyj hat den Krieg überhaupt erst ermöglicht“
In einem Interview beschuldigt Trump Selenskyj, den Krieg „überhaupt erst ermöglicht“ zu haben, und schlägt vor, die Ukraine solle Gebiete an Russland abtreten, um Frieden zu schließen.
Plötzlich ist Selenskyj ein "Diktator"
20. Februar 2025: "Selenskyj ist ein Diktator"
Selenskyj warnt, dass Trump sich in einem "Raum der Desinformation" befinde, der von Russland organisiert werde. Trump reagiert und nennt Selenskyj in seinem Social-Media-Netzwerk Truth Social einen "Diktator", weil er sich nicht längst überfälligen Neuwahlen gestellt habe. Der Ukrainer habe einen "schrecklichen Job" geleistet.
28. Februar 2025: "Selenskyj hat keine Karten in der Hand"
Das Treffen im Weißen Haus eskaliert: Trump attackiert Selenskyj heftig und bricht dann die Gespräche vor laufenden Kameras ab. Eine geplante Pressekonferenz wird abgesagt. Trump wirft Selenskyj mangelnde Dankbarkeit gegenüber den USA vor. Er habe "keine Karten in der Hand". Ein zuvor angekündigter Deal zum Thema Seltene Erden und andere Bodenschätze kommt nicht zustande. Die verbreitete Einschätzung: Trump sieht Putin in dem Konflikt als das Opfer und Selenskyj als den Übeltäter.
7. März: "US-Militärhilfe wird ab sofort pausieren"
Trump kappt den Zugang der Ukraine zu Geheimdienstinformationen und Luftaufklärung; beides war laut Kiew für die bisherigen Militäroperationen lebenswichtig.
Wachsen im Weißen Haus Zweifel an Putin?
11. März 2025: "Ich werde mit Putin reden"
Trump kündigt Gespräche mit Putin über einen 30-tägigen Waffenstillstand an, nachdem Selenskyj erklärt hat, er akzeptiere diesen Vorschlag der USA, entwickelt bei Gesprächen zwischen Delegationen aus Kiew und Washington in Saudi-Arabien. Die USA versichern, die Ukraine wieder in Geheimdienstinformationen und sonstige Sicherheitsmaßnahmen einzubinden.
13. März: "Es wäre ein sehr enttäuschender Moment"
Trump sagt, es würde ein "sehr enttäuschender Moment für die Welt", falls Putin einen Waffenstillstand ablehnt; offensichtlich hatte Putin Bedingungen aufgestellt, denen Selenskyj nicht zustimmen konnte. In den europäischen Hauptstädten merkt man auf: Wachsen im Weißen Haus Zweifel am guten Willen des russischen Präsidenten?
18. April: "Schnell, wir wollen es erledigt haben"
Trump bestätigt Äußerungen seines Außenministers Marco Rubio, nach denen sich die USA aus den Verhandlungen zurückziehen würde, wenn es nicht rasche Fortschritte gebe: "Es gibt keine spezifische Zahl von Tagen, aber schnell, wir wollen es erledigt bekommen."
Trump wieder dichter an russland-Linie
23. April: "Selenskyj verlängert den Krieg durch hetzerische Reden"
Trump erhöht den Druck auf Selenskyj, einem Deal zuzustimmen; dazu gehört der Verzicht auf die 2014 von Russland annektierte Krim, was Selenskyj am Vortrag abgelehnt hatte. Der ukrainische Präsident habe "keine Karten in der Hand" und verlängere den Krieg durch "hetzerische Äußerungen", während die USA versuchten, den Konflikt zu beenden, so Trump. Ist er nun doch wieder ganz dicht bei Putin? In der Nacht startet Russland einen der tödlichsten Drohnenangriffe auf Kiew.
24. April: "Wladimir, STOP, jede Wochen sterben 5000 Soldaten"
Trump schreibt auf seiner Plattform Truth Social: "Ich bin nicht glücklich über die russischen Angriffe auf KIEW. Nicht nötig und sehr schlechtes Timing. Wladimir, STOP, jede Wochen sterben 5000 Soldaten. Lasst uns den Friedensvertrag MACHEN!" Endlich, so reagiert man in Europa, endlich nimmt Trump auch mal Putin in die Pflicht.
25. April: "Der Seltene-Erde-Deal ist mindestens seit drei Wochen im Verzug"
Trump schreibt erneute auf Truth Social, diesmal aber in Richtung Kiew: "Die Ukraine, geführt von Wolodymyr Selenskyj, hat noch nicht die finalen Papiere des sehr wichtigen Seltene-Erden-Deals mit den USA unterzeichnet. Das ist mindestens seit drei Wochen im Verzug. Hoffentlich wird es SOFORT unterzeichnet." Das geschieht tatsächlich fünf Tage später.
Treffen im Vatikan lässt Ukraine hoffen
26. April: "Will Putin den Krieg gar nicht stoppen?"
Trump und Selenskyj treffen sich im Petersdom in Rom während der Trauerfeier für Papst Franziskus. 15 Minuten lang sitzen sie auf zwei Stühlen in dem Gotteshaus und unterhalten sich intensiv. Trump zeigt sich offener für die ukrainische Position; Selenskyj betont, er sei zu Kompromissen bereit, benötige jedoch Sicherheitsgarantien. Auf X schreibt Selenskyj, dieses Treffen sei das "beste" gewesen, dass er mit Trump je hatte. Trump wiederum fragt auf Truth Social, ob Putin möglicherweise "den Krieg gar nicht stoppen will" und ihn, Trump, hinsichtlich der Friedensgespräche nur "hinhalten will". Er droht mit neuen Sanktionen gegen Russland. Die Europäer sind erleichtert: Jetzt scheint der amerikanische Präsident Verständnis für die Ukraine zu entwickeln. Ist Trump endlich auf ihrer Seite?
19. Mai: "Friedensgespräche sofort"
Trump telefoniert über zwei Stunden mit Wladimir Putin. Anschließend erklärt er, Russland und die Ukraine würden "sofort" Friedensgespräche aufnehmen, möglicherweise im Vatikan. Putin lehnt jedoch einen bedingungslosen Waffenstillstand ab und fordert weitreichende Zugeständnisse von der Ukraine. Der US-Präsident wirkt zunehmend desillusioniert hinsichtlich der Ziele Putins. Jetzt muss man ihn doch gewinnen für weitere Sanktionen gegen Russland!
Europäer sind frustriert von Trumps Wende
21. Mai: "Ich glaube, Wladimir will keinen Frieden"
Trump informiert in einem Telefonat die europäischen Partner, darunter Bundeskanzler Friedrich Merz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass Putin "nicht bereit" sei, den Krieg zu beenden. "Ich glaube, Wladimir will keinen Frieden", sagte Trump laut "Wall Street Journal". Trotzdem lehnt der US-Präsident neue Sanktionen ab. Stattdessen schlägt er vor, niedrigstufige Gespräche im Vatikan zu führen. Die europäischen Staats- und Regierungschefs sind frustriert: Trump, der einst den Krieg binnen 24 Stunden nach seinem Wahlsieg stoppen wollte, kapituliert nun vor den Problemen der Realpolitik – und anstatt Selenskyj zu unterstützen, will er sich aus dem Konflikt einfach herausziehen.
Dieser Beitrag erschien durch Kooperation mit The European.