Gastkommentar von Gabor Steingart - Fünf Fakten zeigen, warum wir vor Trump-Wahnsinn keine Angst haben müssen
Selbst hochbezahlte Manager neigen gelegentlich dazu, die Wirklichkeit zu simplifizieren und damit zu fiktionalisieren. Vielleicht hat der amerikanische Philosoph und Medienkritiker Noam Chomsky doch recht gehabt, als er sagte:
„Entweder wiederholt man dieselben konventionellen Doktrinen wie jedermann, oder man sagt etwas Wahres, und das klingt dann, wie wenn es vom Neptun wäre.“
Der weltweite Boss der Investmentbank HSBC, Mark Tucker, möchte kein Neptunist sein. Also sagt er in der „Financial Times“ das, was derzeit alle sagen: Donald Trumps Zollpolitik sei gefährlich und die Globalisierung beendet:
„Die Globalisierung, wie wir sie kennen, ist ihren Lauf zu Ende gelaufen.“

Damit übernimmt er fast wörtlich das, was beim Wirtschaftsforum in Davos von zwei Barclays-Analysten auch schon gesagt wurde:
„Die heutige ‚slowbalisation‘ bewegt sich Richtung einer ‚deglobalisation‘.“
Der globale Handel ist zu mächtig für Trump
Richtig ist: Donald Trump versucht, mit seiner Zollpolitik die Spielregeln zu verändern. America First ist ein Anschlag auf die Idee des Freihandels.
Aber genauso richtig ist: Das globale Interesse am Austausch von Waren und Dienstleistungen, dem Anlocken von Investitionskapital und damit der gemeinsamen Entwicklung von Prosperität ist so übermächtig, dass auch der amerikanische Präsident es nicht beenden kann. Die Weltwirtschaft wird in 2025 nach den Prognosen des IWF um 3,3 Prozent wachsen, das heißt, am Ende des Jahres um fast 3,7 Billionen Dollar reicher geworden sein.
Dieser Unterschied ist wichtig: Die US-Wähler haben mehrheitlich Trump gewählt. Die Welt hat es mehrheitlich nicht getan. Die Barclays-Analysten und der HSBC-Boss – der jetzt auf einer Investorentagung in Hongkong sprach – sollten sich von den Ankündigungen aus dem Weißen Haus nicht ins Bockshorn jagen lassen.
Hier sind fünf Fakten, die ihm und allen anderen, die verunsichert sind, Orientierung bieten können:
1. Deutsche Autoindustrie setzt auf China
Die deutsche Wirtschaft denkt keine Sekunde an ein Decoupling von China, auch wenn der abgewählte Bundeskanzler Scholz geflissentlich von De-Risking sprach. Die Automobilindustrie kann ohne die dortigen Produktionsanlagen und die dortigen Autokäufer gar nicht überleben.
Im weltweit größten Markt für E-Autos lag der kumulierte E-Auto-Marktanteil von Volkswagen, Audi, BMW, Mercedes und Porsche im vergangenen Jahr bei knapp fünf Prozent. Sollte der Anteil in 2025 weiter sinken, dann wird das in Wolfsburg, München und Stuttgart nicht als Sicherheitsmaßnahme, sondern als Gefahr gesehen. Mittlerweile sind die Chinesen auch nicht nur Produktionsstandort und Käufer deutscher Fabrikate, sondern sind mit zwei Firmen und zusammen fast 20 Prozent der Anteile an der Mercedes-Benz AG beteiligt.
2. BASF ist chinesisch oder tot
Der größte Chemiepark Europas, die BASF-Anlagen in Ludwigshafen, ist unrettbar unrentabel. Aufgrund staatlicher Regulierung und gewerkschaftlicher Lohndominanz sind diese Anlagen, die der Herstellung von Basischemikalien wie Ammoniak und Methanol dienen, durch kein Kostensenkungsprogramm mehr in den grünen Bereich zu drehen, sagt der Finanzvorstand.
Deshalb halten bei BASF der Vorstand und der Aufsichtsrat an der zehn Milliarden Anlage im südchinesischen Zhanjiang fest, die im Prinzip eine Spiegelung des Chemieparks von Ludwigshafen ist. Deutschlands traditionsreicher Chemiekonzern möchte im größten Chemiemarkt der Welt mit echten Produktionsarbeitern für echte Kunden vor Ort sein. Diese Anlage wird noch in Betrieb sein, wenn Donald Trump längst das Weiße Haus verlassen hat.
3. Internationale Konzerne halten China die Treue
Trump träumt davon, sich von seinem drittwichtigsten Handelspartner (Handelsvolumen von 583 Milliarden US-Dollar) zu entkoppeln. Die Bosse der amerikanischen Star-Unternehmen wie Apple, NVIDIA und Tesla wollen ihre Geschäfte mit China intensivieren.
Am Sonntag startete in Peking das China Development Forum – eine staatlich organisierte Konferenz zur Anwerbung globaler Investoren. Mit dabei: Apple-CEO Tim Cook. Er zeigte sich begeistert und lobte das chinesische KI-Modell DeepSeek als „exzellent“. In Shanghai begann zwei Tage später Apples Entwicklerkonferenz – eine Verbeugung auch vor der chinesischen Führung.
Alleine im vergangenen Jahr besuchte Cook China mindestens dreimal und betonte, dass Apple ohne seine chinesischen Partner „nicht das leisten könnte, was es tut“. Sein aktueller Besuch erfolgt maßgeblich vor dem Hintergrund rückläufiger Umsätze vor Ort – im vergangenen Jahr gingen die Auslieferungen von Apple in China um 17 Prozent auf 42,9 Millionen Geräte im Land zurück.
4. Die USA isolieren sich, neue Handelsblöcke entstehen
In dem Maße, wie Trump seine internationalen Partner vor den Kopf stößt, gewinnt die Brics-Gruppe an Einfluss. Ihre ersten Mitglieder waren Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Mittlerweile gehören auch Ägypten, Äthiopien, Indonesien, der Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate dazu.
Damit repräsentieren die Brics mehr als ein Drittel der Weltwirtschaft und die Hälfte der Weltbevölkerung. Sie streben danach, in den globalen Institutionen ein Gegengewicht zum Westen zu bilden. Der Vorsitz der G20 etwa ging kürzlich von einem Brics-Mitglied, Brasilien, auf ein anderes, Südafrika, über. Globalisierung, aber anders.
5. Auch Afrika setzt auf Freihandel
Die 2019 gegründete AfCFTA – African Continental Free Trade Area – ist die nach Mitgliedsländern größte Freihandelszone der Welt. Eines ihrer Ziele ist die Abschaffung der Zölle auf Waren, die zwischen den afrikanischen Staaten gehandelt werden. Bis heute haben 54 Länder das entsprechende Abkommen unterzeichnet.
Die Projektionen für den afrikanischen Markt sind beträchtlich: Das kombinierte BIP soll einer Weltbank-Studie zufolge bis 2035 sieben Billionen US-Dollar und bis 2050 29 Billionen US-Dollar erreichen. Wenn die Ziele der AfCFTA vollständig umgesetzt werden, könnten bis 2035 50 Millionen Menschen der extremen Armut entkommen, heißt es in der Prognose.

Fazit: Das Schlimmste an der Globalisierung ist, nicht an ihr beteiligt zu sein. Von den globalen Investmentbanken dürfte man mehr Realitätssinn und ein höheres Maß an Selbstreflexion erwarten. Politiker und Wirtschaftsführer sollten nicht alles glauben, auch nicht alles, was ein US-Präsident erzählt. Noam Chomsky:
„Ich war mir nie einer anderen Möglichkeit bewusst, als der, alles in Frage zu stellen.“