Helmut Markworts Tagebuch: Der Wählerwille wird missachtet - wir bekommen eine Mitte-Links-Regierung
Montag
Im neuen Parlament wird der Wählerwille gröblich missachtet. Das Grundgesetz verspricht in Artikel 20: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Präzise geht es weiter: „Sie wird vom Volke in Wahlen ... ausgeübt.“
Das Volk hat eine Mitte-Rechts-Mehrheit in den Bundestag gewählt, aber die entsprechende Koalition wird nicht einmal diskutiert, weil die Union zwischen sich und der AfD mit ihren 10 Millionen Wählern eine Brandmauer errichtet hat. Trotz der anderen Grundstimmung im Volk werden wir also wahrscheinlich von Mitte-Links regiert.
Wählerwille wird weiter verzerrt
Der Satz von Christian Lindner „Die Menschen haben Merz gewählt und Esken bekommen“ beschreibt noch nicht das ganze Ausmaß der Verzerrung. Die Grünen dürfen bei der Verschuldung auch mitmischen.
Und das Allerneueste: Es läuft eine Kampagne, die Friedrich Merz näher an Die Linke heranschieben will. Bei „Markus Lanz“ plädierten gleich zwei Gäste für eine Abstimmungspartnerschaft zwischen Union und Linke: der SPD-Mann Stegner und die „Spiegel“-Frau Amann.
Ein paar ZDF-Sendungen später wurde das Thema bei „Maybrit
Illner“ fortgesetzt.
Die Gastgeberin selber unterstützte einen Vorschlag zur Annäherung mit dem Hinweis auf akzeptable neue Abgeordnete wie Bodo Ramelow.
Die sonst immer gut vorbereitete Moderatorin hat sich offenbar zu wenig mit den Innereien der neuen Fraktion beschäftigt.
Mehrere neue Mitgliedern mit radikalen Positionen
Unter den 46 neuen Mitgliedern der 64 Abgeordneten starken Fraktion finden sich mehrere mit radikalen Positionen. Sie arbeiten mit dem Bund der Kommunist:innen zusammen, unterstützen anti-israelische Bewegungen und die Straßenkleber von der Letzten Generation.
Mehrere neue Abgeordnete sind Mitglieder der Roten Hilfe. Diese Organisation ist nach einem Bericht der Verfassungsschützer in Baden-Württemberg ein „zentraler Akteur bei der Legitimierung linksextremistischer Straf- und Gewalttaten“.
Antifaschistische Kämpfer wie die Berliner Abgeordneten Katalin Gennburg (für Hausbesetzungen) und Ferat Kocak (Kundgebungen gegen Israel) werden gleichgesinnte Mitarbeiter in ihre Büros holen.
Dienstag
Das Absurde ist passiert. Ein abgewähltes Parlament hat in einer hastig zusammengetrommelten Sondersitzung seine frisch gewählten Nachfolger mit gewaltigen Schuldenpaketen belastet.
333 Abgeordnete, die nach dieser Aktion aus dem Bundestag ausscheiden, haben daran mitgewirkt, den neu gewählten Parlamentariern Fesseln anzulegen, die diese nicht mehr abstreifen können.
Der neue Bundestag, der in einer Woche erstmals zusammentritt, hätte die für die gigantische Verschuldung notwendige Mehrheit nicht zustande bekommen. In der vierstündigen Debatte fiel oft der Begriff „historisch“. Er traf auf vieles zu. Einmalig war auch der Blick auf die Regierungsbank.
Esken bleibt stumm
Dort saßen für die letzten Stunden der Kanzler Olaf Scholz, sein Vize Robert Habeck und die Minister Nancy Faeser und Karl Lauterbach. Sie waren noch im Amt, aber keiner von ihnen sagte ein einziges Wort.
Sie waren höchstrangige Statisten eines absurden Schauspiels.
Andere hielten Abschiedsreden. Sahra Wagenknecht haute zum letzten Mal auf die Trommel und Christian Dürr bewarb sich mit seinem finalen Angriff auf Merz und Klingbeil für den Vorsitz der FDP.
Stumm blieb Saskia Esken. Viele ihrer Genossen fürchten, jeder ihrer Auftritte koste die SPD Sympathien.
FOCUS-Gründungschefredakteur Helmut Markwort war von 2018 bis 2023 FDP-Abgeordneter im Bayerischen Landtag.