Die Geiseln, Gaza und die letzte Chance auf einen Deal
Die Chefin des UN-Welternährungsprogramms (WFP), Cindy McCain, sagte Donnerstag nach einem Besuch in Gaza, das Küstengebiet stehe aufgrund der katastrophalen Versorgungslage „kurz vor dem Zusammenbruch“.
Sie habe „Kinder getroffen“, so McCain, „die vor Hunger sterben und wegen schwerer Mangelernährung behandelt werden, und ich habe Fotos von ihnen gesehen, als sie gesund waren“, erklärte die WFP-Chefin. „Sie sind nicht wiederzuerkennen.“
Die Geiseln sind völlig allein
Dieses Leid ist grausam. Es machtlos aus der Ferne zu verfolgen, ist bedrückend.
Wenn ich nahe meiner Wohnung an der alten Berliner Synagoge in der Oranienburger Straße vorbeilaufe, sehe ich das andere Leid – von dem sich die UN-Vertreterin bei ihrem Besuch, wie auch seit fast zwei Jahren keine humanitäre Organisation, ein Bild machen konnte: Die Fotos der Geiseln, als die Hamas sie noch nicht in ihre wohl auch mit Hilfsgeldern gebauten Tunnel verschleppt hatte. Sie wären heute ebenfalls nicht wiederzuerkennen.
Deutsch-israelisches Zwillingspaar
Mein BUNTE-Kollege Martin Heidemanns hat für die aktuelle Ausgabe des Magazins mit den Angehörigen der deutsch-israelischen Zwillinge Gali und Ziv Berman gesprochen. Sie lebten im Kibbuz Kfar Azza, waren keinen Tag getrennt, bis die Hamas sie entführte und auseinanderriss, wie die Familie von befreiten Geiseln erfuhr. Gali und Ziv sind unter den 20 – hoffentlich – noch lebenden Geiseln in der Gewalt der Terroristen.
Vor dem Hintergrund der Militäroffensive warnte ihr älterer Bruder Liran bei der jüngsten Massendemonstration in Tel Aviv: „Die Kämpfe auszuweiten, setzt die Geiseln nur noch größeren Risiken aus“, so Liran. „Ein Deal liegt auf dem Tisch“ – der US-Vorschlag von 60 Tagen Waffenruhe gegen zehn lebende Geiseln und die Leichname von 18 weiteren – „doch das Fenster dafür schließt sich, wie wir zu viele Male zuvor gesehen haben. Es könnte die letzte Chance sein.“
Außergewöhnliche Empathie aus Deutschland
Gegenüber BUNTE sagt der 37-Jährige: „Die Wärme, die Empathie, die wir sowohl von der Regierung als auch von den Menschen in Deutschland bekommen, ist außergewöhnlich. Auch die Unterstützung durch den deutschen Botschafter in Israel ist großartig.“
Er trifft regelmäßig die Familien der Ermordeten und Verschleppten. Aus den Erzählungen freigelassener Geiseln wisse man, „wie grauenhaft und wie sadistisch die Hamas diese Haft durchführt. Es ist wichtig“, so Botschafter Steffen Seibert in BUNTE, „das Gesicht der Geiseln und das Schicksal ihrer Angehörigen immer wieder in die Öffentlichkeit zu bringen.“
Familie Berman vereine, so schreibt Martin Heidemanns, ihre Zuversicht und Liebe. Man kann ihr und allen Notleidenden nur wünschen, dass ihre Hoffnungen sich erfüllen. Trotz der zurzeit nicht optimistisch stimmenden Nachrichtenlage.
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