FOCUS-Briefing: Die AfD und die Autokratie der Angsthasen
Was haben die Kommunen Neukloster (Mecklenburg-Vorpommern), Lage (NRW) und Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) gemein? In allen dreien haben Wahlausschüsse dieses Jahr schon AfD-Kandidaten von einer Bürgermeisterwahl ausgeschlossen. Ist das noch wehrhafte Demokratie oder schon ein Parteienverbot durch die Hintertür?
Immerhin gibt es ja kaum etwas Größeres im Grundgesetz als die Freiheit an sich. Unter anderem auch die, zu wählen und sich wählen zu lassen. Keiner der Kandidaten in Neukloster, dann Lage und zuletzt in Ludwigshafen ist vorher irgendwie straffällig geworden. Sie galten den anderen Parteien als nicht ausreichend verfassungstreu.
In NRW droht Schwarz-Rot ein Denkzettel
Das Fatale daran: Die jeweiligen Wahlausschüsse misstrauten offenbar nicht nur den Kandidaten, sondern ihren eigenen Wählern. Was, wenn die jetzt einen AfDler zum Stadtchef wählen würden? Nicht auszudenken, oder? Das wäre ja …! Ja, was? Demokratie?
Ich hege gewisse Zweifel, dass man diese Demokratie dadurch wehrhafter macht, uns Wählern andauernd zu erklären, was wir auf gar keinen Fall wählen dürfen – und neuerdings der Einfachheit halber jenen Kandidaten gleich die Zulassung verweigert, die gefährlich werden könnten, und sei es nur den anderen Parteien. Es wird gefährlich. Aber anders als gedacht.
Am 14. September finden in Nordrhein-Westfalen Kommunalwahlen statt. Es geht um Gemeinde-, Stadt-, Kreis- und Landräte, aber auch um Hunderte von Bürgermeistern. Stimmberechtigt sind rund 13,7 Millionen Menschen – weit mehr als in jedem anderen Bundesland. Insofern wird NRW ein guter erster Gradmesser nach der Bundestagswahl für die Stimmung im Land.
Der Absturz von CDU und SPD – selbst verschuldet
Die jüngsten Umfragen verheißen der AfD steile Zuwächse, was nicht mal an der Rechtsaußen-Partei selbst liege, erklärt Forsa-Chef Manfred Güllner in einer Analyse, aus der das „Handelsblatt“ Donnerstag zitierte. CDU und SPD hätten „durch eigenes Verschulden und nicht erst seit Existenz der AfD das einstmals große Vertrauen auf lokaler Ebene verloren“.
Laut Güllners Prognosen werden CDU, SPD, Grüne und FDP deutlich abgestraft – nur die AfD wird gewinnen. Und das auch im Ruhrgebiet, einst eine Art sozialdemokratisches Auenland. Was machen Parteien, denen die Wähler weglaufen? Sie fangen an, diesen Wählern auch noch Wahloptionen zu nehmen wie zuletzt im pfälzischen Ludwigshafen.
Dort regiert als Oberbürgermeisterin bislang Jutta Steinruck – früher für die SPD, mittlerweile parteilos. Steinruck steuert auch jenen Wahlausschuss, der dem AfD-Mann Joachim Paul seine Kandidatur um das Amt untersagte. Unter anderem mit einem stellenweise obskuren Dossier, das sie beim Verfassungsschutz des rheinland-pfälzischen SPD-Innenministers über Paul bestellt hatte. Man muss die Partei wirklich nicht mögen, um das fragwürdig zu finden, oder?
Alles „ein normaler Verwaltungsvorgang“?
Einen Eilantrag der AfD gegen das Verbot lehnte das zuständige Verwaltungsgericht ab. Darüber kann erst später im Rahmen eines „nachträglichen Wahlprüfungsverfahrens“ entschieden werden. In aller Ruhe.
Kommt dabei heraus, dass Paul doch zu Unrecht ausgeschlossen wurde, müsste die Wahl, die nun am 21. September ohne AfD-Kandidaten stattfindet, wiederholt werden. Bleibt es beim Verbot, behalten noch ein paar Bürger mehr den Eindruck, dass sich eine Autokratie etablierter Angsthasen trickreich eines unbequemen Konkurrenten entledigt hat.
Das Verbot sei „ein normaler Verwaltungsvorgang“ gewesen, rechtfertigte sich die ohnehin scheidende Oberbürgermeisterin Steinruck. Sie hat damit sogar recht – und macht sich doch was vor.
Die Fakten am Morgen
Das FOCUS Briefing von Tanit Koch und Thomas Tuma. Kompakt die wichtigsten Informationen aus Politik, Wirtschaft und Wissen ab jetzt werktags immer um 6 Uhr in Ihrem Postfach.