Die Selbstzerlegung: Wo die Grünen nicht nur ignoriert, sondern wirklich gehasst werden

Welche Grünen-Politiker finden Sie persönlich gut? Ich ahne, dass bei bundesweiten Umfragen nur noch zwei Namen genannt würden: Boris Palmer und Winfried Kretschmann. Damit ist eines der vielen Probleme der einst so erfolgreichen Öko-Partei schon mal benannt: das Personal.

Denn Palmer ist bekanntlich gar nicht mehr bei den Grünen, deren Gekeife über seine oft brüskierend-pragmatische Art selbst ihm irgendwann zu viel wurde. Nun führt der Freigeist sein Tübingen eben als parteiloser Oberbürgermeister. Und Kretschmann, 77, dämmert als erster und bislang einziger Grünen-Ministerpräsident dem Ruhestand entgegen – während seine Partei in einem existenziellen Albtraum erwacht.

Die eigene Energiewende – komplett verstolpert

Wer sind wir – und wenn ja, wie viele glauben das überhaupt noch? So könnte ihr Motto lauten. In den vergangenen Jahren hat man sich glatt verausgabt: Einerseits wurde das Grünen-Thema Nummer Eins, die Energiewende, trotz bester Voraussetzungen und Regierungsbeteiligung komplett und nachhaltig verstolpert. Andererseits gab man sich dann mit immer wirrerem Eifer der Illusion hin, man müsse wenigstens die Demokratie retten. Vornehmlich natürlich vor der rechten Gefahr.

Wenn ich die Zeichen der Demoskopen richtig deute, sah diese Demokratie aber gar nicht ein, sich von den Grünen retten zu lassen. Was ist das überhaupt für eine Demokratie-Rettungs-Partei, deren eigene Zustimmungswerte mittlerweile einstellig zu werden drohen?

Im Osten regiert eher Hass auf die Öko-Partei

In Ostdeutschland schafft man es mancherorts nicht mal mehr über die Fünf-Prozent-Hürde und droht im nächsten Jahr aus weiteren Landtagen zu fliegen. Die Partei wird dort nicht ignoriert, sondern eher gehasst. Co-Parteichef Felix Banaszak, 35, wollte in den vergangenen Wochen diesen Osten wenigstens mal kennenlernen. Dabei wirkte er mitunter, als sei er ohne Sauerstoffmaske auf der dunklen Seite des Mondes unterwegs.

Erst hatte er kein Glück, dann kam noch Pech dazu: Auf Instagram zeigte er sich während seiner lässigen Sommertour traurig im Flur eines Bahn-Waggons sitzend. Der Shitstorm war programmiert für Banaszak, der als Bundestagsabgeordneter eine Erste-Klasse-Bahncard 100 gratis kriegt. Dem nimmt niemand mehr den Bettelstudenten ab.  Danach brachte ihn im ARD-Sommerinterview auch noch der Fragen-Klassiker ins Schleudern, inwieweit er denn sein Vaterland liebe.

Banaszaks Gestotter reihte sich ein in eine lange Geschichte, die nicht erst bei Robert Habeck begann, der einst in einem seiner Bücher schrieb: „Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht.“ So etwas kann man sagen, klar, Aber solche Sprüche verschrecken selbst Wähler, die gern die AfD verbieten lassen würden. Wahrscheinlich hätte Banaszak seiner Partei diesen Sommer mehr geholfen, wenn er sich in einem alten Stollen seiner Duisburger Heimat versteckt hätte.

Grüne Themen? Überwiegend Kassengift

Mehr denn je wird die Partei mit Themen verbunden, die für jeden Wahlkampf Kassengift sind: Großstadt-Wokeness, Oberlehrer-Attitüde, Wärmepumpe, ökonomische Ahnungslosigkeit und inhaltliche Unglaubwürdigkeit. Ist man nun Friedenspartei oder Rüstungstreiber? Und wer führt diese Partei überhaupt?

Das mittlerweile zerbröselte, von der eigenen Basis hassgeliebte Ex-Führungsduo Annalena Baerbock und Habeck war zwar auch überfordert, aber geradezu ein Glamour-Paar im Vergleich zur jetzigen Führungsriege von Fraktion und Partei. Deren Ton wird leider umso schriller, je fragiler die Umfragen ausfallen. Was immer die Regierungskoalition tut, wird mit Abscheu und Empörung mindestens als Demokratie-Ausverkauf beschimpft. Die Härte nutzt sich schnell ab.

Den Rest erledigt Jette Nietzard 

Und wenn’s grade mal einigermaßen ruhig ist, kommt die Noch-Grüne-Jugend-Co-Chefin Jette Nietzard und haut den nächsten Knaller raus zu Umverteilung, Reichen-, Männer- oder Polizeihass.„Ich verstehe überhaupt nicht, was die bei uns will“, schimpfte Altstar Kretschmann. Der Grüne wurde dabei nicht mal rot, denn natürlich ist die Partei von je her auch ein Biotop für Karrieren wie die von Nietzard.

Und auch wenn die 26-Jährige inzwischen selbst hingeschmissen hat: Wer solche Parteifreunde hat, braucht keine Feinde mehr.