„Zeiten fest in der DNA“? - Söders Sommerferien-Irrtum
Die Fakten am Morgen
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Rund um die Bundesregierung gibt es viele mächtige Amtsträger. Der „Koordinator für maritime Wirtschaft und Tourismus“ gehört eher nicht dazu. Seit aber der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß den Posten innehat, ist klar: Diesen Sommer kommt noch Großes auf die Republik zu.
Der Grund: Ploß gilt auch in seiner eigenen Partei als verbales Krawallkommando. Wo immer er in der Bevölkerung eine Empörungschance wittert, ist er als „Volkes Stimme“ zuverlässig zur Stelle. In seiner Aufgabe als maritimer Touri-Dingsbums wäre ihm auch die Idee zuzutrauen, Schwimmflügel für hiesige Binnengewässer nur noch in Schwarz-Rot-Gold zu erlauben. Aber es kam dann noch wilder.
Den Anfang machte ein Hamburger Ein-Mann-Krawallkommando
Vor gut einer Woche forderte er eine Entzerrung der Sommerferienzeiten und schlug ein Rotationsprinzip vor. Damit etwa die Nordländer (wie sein Hamburg) nicht immer den Anfang machen müssten und der Süden (Baden-Württemberg und Bayern) nicht weiter chronisch den Schluss bilden darf.
Ploß dachte sowas wie: „Die sollen auch mal Hochsaison-Reisechaos und Klimawandelhitze erleben.“ Ploß sagte, es gehe ihm nur um Gerechtigkeit. Ploß meinte: „Ich muss dringend mal wieder in die ‚Tagesschau‘.“
Ferienzeiten haben Bayern „fest in der DNA“
Markus Söder kennt sich da aus – quasi als Profi-Ploß der CSU – und reagierte als Erster. „Wann bei uns Ferien sind, entscheiden wir Bayern selbst.“ Das Abo auf den späten Schulschluss im Freistaat Ende Juli, Anfang August sei „fest in der DNA der Bayern drin“. Ab da war es nur noch eine Frage von Stunden, bis sich auch der letzte Landesbildungsminister oder GEW-Hinterbänkler mit Statements verausgabte.
Ich will die Akteure nicht kritisieren. Zu jedem, der in so einer Causa schrill daherredet, gehört jemand, der ihm dankbar das Mikro hinhält. Aber so nahm das Medienspektakel schnell Fahrt auf. Was sagt eigentlich das Statistische Bundesamt, der Kanzler, Bill Kaulitz oder wenigstens Rolf Mützenich?
Der Endgegner im Schulferien-Mensch-ärgere-dich-nicht
Ich dachte ja, deutsche Schulen und Schüler hätten ganz andere Probleme. Aber man kann auch bei so einem Streit viel lernen. Zum Beispiel, dass eine Länderarbeitsgruppe der Kultusministerkonferenz (KMK) bislang alle fünf Jahre einen neuen Ferienplan bastelt. Ich stelle mir so einen Länderarbeitsgruppensonderbeauftragten vor und nehme an, dass das sehr nervenaufreibend ist, womit wir beim bisherigen Endgegner im Schulferien-Mensch-ärgere-dich-nicht sind.
Er heißt Hans Maier, ist 94 Jahre alt und war 16 Jahre lang bayerischer Kultusminister. 1971 amtierte er sogar als KMK-Vorsitzender. Er war der Mann, unter dessen Führung die aktuelle Ferien-Regelung zustande kam. Und der erklärte nun: „Es war alles ganz anders.“ Die anderen Länder hätten damals nämlich gar nicht in den Spätsommer wechseln wollen. Zu nass, zu kalt. Ewig wurde verhandelt, bis Maier seinen Bayern vorschlug: Wenn ihr’s übernehmt, kriegt ihr den Slot dauerhaft. Von der restlichen Republik wurde das offenbar gar nicht als Privileg empfunden, sondern als „bayerisches Opfer für das Gemeinwohl“.
Und dann mahnte Maier auch noch zu etwas mehr Contenance: Das Land könne „solche künstlichen Aufladungen wahrhaftig nicht brauchen“. Lieber Herr Maier, Sie sind wahrlich ein weiser alter Mann!
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