Wie weit muss die deutsche Ukrainehilfe gehen?

Es ist eine Weile her, dass ich beim Bund war. Als Wehrpflichtiger. Damals noch 15 Monate. Ich erzähle Ihnen das nur, weil man ja immer auch versucht ist, größte Fragen auf dem brüchigen Boden eigener Erfahrungen zu beantworten. Sehen Sie’s mir also bitte nach, wenn ich mich hier heute argumentativ verlaufen sollte aus Ihrer Sicht!

Im Großen könnte es jedenfalls schon bald um drei Fragen gehen: Dürfen, können, müssen deutsche Soldaten sich in der Ukraine positionieren – als Sicherheitsgarantie eines neuen Friedens für das kriegsversehrte Land? 

Als ich die Bundeswehr verstand

Meine kleine persönliche Empirie bei der Bundeswehr ist von einem heißen Sommer geprägt, in dem ich mit Gasmaske überm Gesicht Laster abschmirgeln musste, bevor die einen neuen Tarnanstrich bekamen. Ich hatte die Wahl, sofort zu ersticken oder ein paar Jahrzehnte später vielleicht Lungenkrebs zu kriegen. Von Weltrettung keine Spur. Aber ob Sie’s glauben oder nicht: Seit damals bin ich von der Bundeswehr überzeugt. Staatsbürger in Uniform. Die notwendige Verteidigung unserer Landesgrenzen. All das.

Da geht’s indes schon los: Landesgrenzen! Was haben wir dann in der Ukraine verloren? Ein Land, dem deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg sehr viel Hunger, Qual und Tod brachte (was übrigens auch für die damalige Sowjetunion galt). Dann sagt mein anderes Ich, dass unsere Sicherheit auch schon „am Hindukusch verteidigt“ wurde. Und ich antworte wieder: Das endete bekanntlich ebenfalls in einem Desaster.

Es bleibt kompliziert. Aber Zeiten ändern sich. Allianzen, Werte und Rollen ebenso. Weil wir heute eine kraftvolle und verlässliche Demokratie in Europas Mitte sind, wird mehr Verantwortung von uns verlangt. Und das von Ländern, die wir vor 90 Jahren zu unseren Todfeinden erklärt hatten. Dem müssen wir uns schon stellen. Das kann teuer werden, schmerzhaft, ungewiss. Wollen wir das? Müssen wir das?

Als wir der Ukraine 5000 Stahlhelme versprachen

Im Januar 2022, kurz vom Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine, versprach die damalige SPD-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht dem Land 5000 Stahlhelme, was nur kurz für Erheiterung sorgte. Solche Aktionen waren aber lange deutsche Staatsräson: Bloß nicht den Kopf zu weit aus dem Fenster lehnen!

Seit dem XXL-Ukraine-Gipfel bei Donald Trump am Montag wächst der Druck auf Deutschland, sich endlich ehrlich zu machen und zu engagieren. Hinter den USA sind wir längst zum zweitgrößten Waffenlieferanten und Co-Finanzier der Ukraine geworden, was auch nicht allen gefällt. Mindestens 40 Milliarden Euro hat sich Berlin die zivile wie militärische Hilfe bereits kosten lassen.

Als es ernst wurde mit der Verantwortung

Es geht um ethische, geostrategische, aber auch ganz schlichte finanzielle und organisatorische Fragen: Wie viel Geld ist uns das wert? Kann unsere eh recht ausgezehrte Bundeswehr neben der auch noch nicht aufgestellten Litauen-Brigade einen weiteren, viel größeren Langzeiteinsatz in der Ukraine stemmen? Und mit wem zusammen? Können wir das? Dürfen wir das?

Ich verstehe völlig, wenn zum Beispiel Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer nun sagt: „Dass deutsche Soldaten in der Ukraine kämpfen, darf kein Thema sein.“ Und ich verstehe genauso, wenn sein Parteikollege Thomas Röwekamp, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, es zu einem Thema macht: Effektive Abschreckung bedeute künftig, „dass auch deutsche Soldatinnen und Soldaten nach einem Friedensschluss mit Russland dafür sorgen, dass der Frieden dauerhaft hält“, sagte Röwekamp gestern.

Sie merken es: Ich bin selbst im Zweifel. Zumindest sollten wir all diese Fragen ruhig erörtern, bevor sie uns wirklich gestellt werden.