„Kein gutes Klima“: Kanzler Merz hat ein Spahn-Problem

Seit Tag 1 der Ära Merz ticken auf dem Kanzlerschreibtisch diverse Zeitbomben: eine waidwunde SPD, ein selbstverliebter CSU-Chef, Trumpismus …

Dass ausgerechnet die CDU das verhaltensauffälligste Problemkind ist – das ist, neudeutsch, ein Plot-Twist. Unerwartet.

„Kein gutes Klima“

In der CDU-Führung räumt man ein: „Es rumpelt schon ein bisschen” in der Fraktion. Andere sehen „kein gutes Klima“. Und für manche ist „die Stimmung so schlecht wie während der Flüchtlingskrise.“

Mal sind Merz-Ultras fassungslos über den Umgang mit ihnen, mal Merkelianer. Von „Kaltschnäuzigkeit“ ist die Rede. Und Desinteresse. So hat das Kanzleramt etwa den Zündstoff unterschätzt, wenn CDU-Abgeordnete mit wütenden Stromsteuer-Mails aus den Wahlkreisen überflutet werden.

Disconnect zwischen Kanzleramt und Fraktion

Das alles auf die Frustrierten zu schieben, die bei der Postenvergabe übergangen wurden, greift zu kurz. Ebenso der Hinweis auf neue Ämter und Einarbeitungsbedarf.

Das Kernproblem ist: Zwischen Kanzler und Fraktionschef flutscht es nicht. Jeder weiß, Spahn will selbst ins Kanzleramt. Notfalls mit der AfD, so der Dauerverdacht.

Spahns Abwehrschlachten 

Die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch sagt dazu im FOCUS-Interview, sie sehe nur wenige, „die jenseits von Jens Spahn selbst ernsthaft glauben“, er wäre der bessere Kanzler. „Allerdings“, so ergänzt sie, fehle Merz „an einigen Stellen noch das nötige Instrumentarium: Gespräche führen, Mehrheiten organisieren, Menschen inhaltlich überzeugen – da ist noch deutlich Luft nach oben.“ 

Mehrheiten sichern, die Fraktion überzeugen – dafür braucht er Spahn. Geräuschlos, effizient, im Hintergrund.

Tatsächlich steht der aber meist auf der Vorderbühne, in der Abwehrschlacht um Maskendeals, als Lieblings-Ziel von Linken und Grünen, oder zuletzt der SPD. Dank Spahn dichtet sie der CDU-Fraktion das – falsche – Image an, auf eine rechte Kampagne gegen Frauke Brosius-Gersdorf reingefallen zu sein.

Merz bindet Spahn nicht ein

Abgeordnete bemängeln, Spahn kommuniziere nicht nach innen. Gleichzeitig kommuniziert Merz auch nicht mit Spahn – so erklärt sich dessen tagelanges Schweigen zur Israel-Entscheidung des Kanzlers, gefolgt von einem halbherzigen „vertretbar“.

Die Koalition müsse „offenkundig noch enger zusammenwachsen“, zitiert "RND" den Fraktionschef. Gut wäre, wenn das auch die CDU täte. Beim nächtlichen Krisentreffen im Kanzleramt wurde Spahn jedoch nicht gesehen.

Immerhin: Gestern ließ Merz die Unionsfraktion schriftlich über die Ukraine-Gespräche informieren – noch vor seiner Pressekonferenz mit Selenskyj. Ein Friedenszeichen.