Fehlschlag an Ukraine-Front: Russland feuert immer mehr Bomben auf eigenes Gebiet ab
Sieben Zivilisten beim Einschlag ins russische Belgorod getötet. Offenbar wirft Putins Luftwaffe immer mehr „unzuverlässige“ Gleitbomben ab.
Kiew – Russlands Luftwaffe fliegt im Zuge ihrer Offensive in der Nähe der ukrainischen Stadt Charkiw seit Jahresbeginn immer mehr Angriffe mit sogenannten Gleitbomben. Diese sollen Luftschläge ermöglichen, offenbar recht unpräzise Angriffe ohne Konfrontation mit der ukrainischen Luftabwehr, da sie aus sicherer Entfernung abgeworfen werden können. Nun verdichteten sich die Berichte von Gleitbomben-Einschlägen in russischen Gebiet, berichtete die ukrainische Kyiv Post. Leidtragende der Einschläge der 500 bis 1500 Kilogramm schweren Bomben ist die Zivilbevölkerung, in der Ukraine wie in Russland.
Russland rüstet Bomben aus Sowjetbeständen für Ukraine-Krieg um
Bei den Gleitbomben handele es sich um nachgerüstete Freifallbomben aus Sowjetbeständen, berichtete der US-Sender CNN. Diese könnten mit eigenen Flügeln bis zu 70 Kilometer weit gleiten. Damit bleiben die russischen Jets weit außerhalb der Reichweite der meisten ukrainischen Luftverteidigungssysteme. Noch auf Befehl im Mai von Russlands Präsidenten Wladimir Putin ausgetauschten Ex-Verteidigungsminister Sergei Schoigu sei die Produktion der Bomben um 40 Prozent gesteigert worden. Ukrainischen Statistiken zufolge warfen russische Kampfjets seit Jahresbeginn im Ukraine-Krieg zwischen 50 und 100 Gleitbomben täglich ab.

Gleitbomben-Steuerung „unzuverlässig“ – Sieben Zivilisten bei Einschlag in Russland getötet
Doch das Steuerungssystem der Bomben ist offenbar fehleranfällig. Ruslan Leviev, Analyst beim Conflict Intelligence Team, erklärte gegenüber russischen Oppositionsmedium Astra, die in den Bomben verbaute zivile Elektronik sei „deutlich unzuverlässiger“ als die übliche Militärtechnik. Und so komme es auch zu Einschlägen in Russland: Die Kyiv Post verifizierte einen Einschlag einer kleineren Gleitbombe in ein Wohnhaus in der russischen Grenzregion Belgorod.
Dieser zerstörte ein komplettes Wohnhaus und tötete nach russischen Angaben sieben Zivilisten. Laut Astra soll es bereits 103 solcher Einschläge auf russischen Gebiet gegeben haben. Die Zahl lässt sich nicht unabhängig überprüfen. Ähnliche verifizierte Berichte von russischen Bomben, die in der Region Belgorod einschlugen, gab es bereits Mitte Mai. Die russische Luftwaffe äußerte sich nicht dazu.
Selenskyj: Russland will ukrainische Zivilisten mit „Bombenteppichen“ vertreiben
Auf ukrainischer Seite warf Präsident Wolodymyr Selenskyj Russland vor, Tausende Gleitbomben „ausschließlich auf Zivilisten“ abgeworfen zu haben. Ziel Russlands sei es, zitierte ihn, die Kyiv Post, Zivilisten zu vertreiben, damit es die Gebiete besetzen könnte, so Selenskyj weiter. Putin verlangte zuletzt im Gegenzug für einen Waffenstillstand, den vollständigen Abzug ukrainischer Truppen aus den von Russland beanspruchten Oblasten Charkiw, Donezk, Saporischschja und Cherson im Osten der Ukraine. Selenskyj verglich die Angriffe mit den von Adolf Hitler im Zweiten Weltkrieg angeordneten „Bombenteppichen“ gegen englische Großstädte.
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Ukrainischer Soldat über Russlands Gleitbomben: Machen Verteidigern das Leben an der Front „zur Hölle“
Hinzukomme, so ein ukrainischer Luftwaffensprecher gegenüber CNN, dass die russische Luftwaffe auch gezielt unbewegliche Stellungen der Ukraine mit Gleitbomben beschieße. Ein Soldat, der an der Front in der Region Donezk stationiert ist, sagte dem Sender: Insbesondere die 1,5 Tonnen schweren Bomben würden „auf die Moral der Soldaten“ drücken. Wenn sie ihre Ziele treffen, würden die Bomben den Soldaten an der Front das Leben „zur Hölle“ machen und „schwere Schäden“ an den Verteidigungsstellungen anrichten. Laut dem Luftwaffensprecher sind in der Schlacht um Awdijiwka 250 Gleitbomben in 48 Stunden in ukrainische Stellungen eingeschlagen. Die Schlacht endete mit dem Rückzug der Ukrainer.
„Notwendige“ Entscheidung: USA wollen Patriot-Lieferungen an Ukraine priorisieren
Das einzige westliche Waffensystem, das den russischen Gleitbomben gewachsen ist, wäre das Patriot-Luftverteidigungssystem. Deshalb, berichtete die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW), entschieden die USA Mitte Juni, die Patriot-Lieferungen zur priorisieren.
John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, sagte demnach, es sei eine „schwierige, aber notwendige“ Entscheidung gewesen, die Lieferung von Patriot-Raketen an die Ukraine an die erste Stelle zu setzen. Ihm nach werden Hunderte Patriot-Raketen, die in den nächsten 16 Monaten hergestellt werden, an die Ukraine geliefert. Andere Staaten müssten daher länger auf Lieferungen warten. Die ersten Raketen sollen „Ende des Sommers“ an die Ukraine geliefert werden. (kb)