Fast 1000 Sexualvergehen in fünf Jahren

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Der Angeklagte am ersten Prozesstag: Der ehemalige Jugendtrainer beim TSV Neuried soll sich rund 1000 Mal an Schützlingen vergangen haben. © Sigi Jantz

Ein ehemaliger Jugendfußballtrainer des TSV Neuried steht seit gestern in München vor Gericht. Die Anklage wirft ihm fast 1000 sexuelle Vergehen an Kindern und Jugendlichen vor.

Neuried/München – Eineinhalb Stunden brauchte Staatsanwältin Susanne Kempter, um die 23 Seiten lange Anklageschrift zu verlesen. Detailliert schilderte sie, wie sich der Angeklagte, ein ehemaliger Jugendfußballtrainer des TSV Neuried, an 30 seiner Schützlinge vergriffen haben soll. Nach dem ersten Verhandlungstag am Donnerstag ist klar: Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, erwartet ihn eine schwerwiegende Strafe.

Zwischen 2015 und 2020 sollen sich die Übergriffe ereignet haben – vorwiegend in der Vereinskabine. Der Trainer soll den Spielern vorgegaukelt haben, physiotherapeutisch ausgebildet zu sein, und sie dazu aufgefordert haben, sich von ihm behandeln zu lassen. Dies sei erforderlich, damit sie spielen könnten, soll er gesagt haben. Er soll die Spieler angewiesen haben, sich auszuziehen und auf eine Massageliege zu legen. Nach Absperren der Tür soll er die Buben angefasst und ihnen erzählt haben, dies würde ihre Muskulatur anregen und ihr Verletzungsrisiko verringern.

Verheirateter Vater zweier Kinder

Zu fast 1000 solcher Vorfälle soll es gekommen sein. Dem verheirateten Vater zweier Kinder wird nicht nur sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen vorgeworfen, sondern auch Vergewaltigung: Dafür reicht nämlich jedes Eindringen, Geschlechtsverkehr ist nicht erforderlich. Weil eines der Opfer unter 14 Jahre alt war, muss er sich zudem wegen Kindesmissbrauchs verantworten. Laut Anklage haben die Jugendspieler zwar zum Ausdruck gebracht, dass ihnen die Handlungen „unangenehm“ waren. Sich dem Trainer zu widersetzen, haben sie sich jedoch nicht getraut: Schließlich sei damals der Fußball für sie „das Wichtigste überhaupt“ und der Trainer „eine Vertrauens-, Respekts- und Autoritätsperson“ gewesen. Die Sache flog auf, als einer der Buben sich seinen Eltern anvertraute und der Verein daraufhin Strafanzeige erstattete.

Im Januar 2021 trennte sich der TSV Neuried vom Angeklagten. Ein Jahr später wurden die Missbrauchsvorwürfe öffentlich. Als im Oktober 2022 das Ausmaß der mutmaßlichen Taten deutlich wurde, wurde der Ex-Trainer festgenommen. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Zu den Vorwürfen wollte er sich vor Gericht zunächst nicht äußern. In einem von seinen Verteidigern Peter Guttmann und Jonathan Gavish angeregten Rechtsgespräch forderte Staatsanwältin Kempter eine Strafe „im Bereich von elf Jahren“, wie der Vorsitzende Richter Stephan Kirchinger nach dem Gespräch mitteilte. Der Strafkammer sei es wichtig, dass „den Tatopfern eine Aussage in öffentlicher Hauptverhandlung erspart“ bleibe, so Kirchinger weiter.

Zu berücksichtigen sei das „straffreie Vorleben“ des Angeklagten. Strafschärfend sei jedoch das „perfide Tatvorgehen unter Ausnutzen der Stellung im Fußballverein“ zu werten. Das Gericht halte deshalb eine Freiheitsstrafe zwischen sieben und acht Jahren für angemessen – wenn der Angeklagte ein umfassendes Geständnis ablegt. Dazu, ob er den Vorschlag annimmt, wollen seine Verteidiger am kommenden Montag eine Erklärung abgeben.

Offenbar steht neben einer Strafe die Anordnung einer Maßregel im Raum. Allerdings könnten weder eine Sicherungsverwahrung noch eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus Gegenstand einer Verständigung sein, erklärte Richter Kirchinger und versuchte, den Angeklagten abermals zu einem Geständnis zu motivieren: Eine Einlassung könne sich „mittelbar auswirken“. Das Urteil ist für Ende Februar geplant.

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