Studie warnt: Deutschland könnte E-Auto-Ziel sehr deutlich verfehlen

  1. Startseite
  2. Auto

Studie warnt: Deutschland könnte E-Auto-Ziel sehr deutlich verfehlen

Kommentare

Die Bundesregierung hat sich ein ehrgeiziges Ziel: 15 Millionen E-Autos bis 2030. Doch das dürfte deutlich verfehlten werden. Um das zu ändern, braucht es einige Maßnahmen.

Bis 2030 sollen 15 Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. So lautet zumindest das ehrgeizige Ziel, das die Bundesregierung sich selbst gesteckt hat. Doch dass diese Marke auch nur ansatzweise erreicht wird, erscheint immer unrealistischer. Auch wenn die Bundesregierung weiterhin dran glaubt.

Deutschland könnte Elektroauto-Ziel um sechs Millionen Neuzulassungen verfehlen

Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie des Thinktanks Agora Verkehrswende und der Boston Consulting Group (BCG), die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt. Demnach könnte Deutschland das Ziel um 40 Prozent verfehlen. Das wäre sechs Millionen Elektroautos weniger als angestrebt.

Elektroautos laden an einer Ionity Ladestation.
Bis 2030 sollen laut Bundesregierung 15 Millionen Elektroautos durch Deutschland rollen. © Geisser/Imago

„Irgendwann ist es schon rechnerisch nicht mehr zu erreichen“, betonte Christian Hochfeld von Agora Verkehrswende gegenüber dem Handelsblatt. „Wenn wir jetzt nicht konkret reagieren, wird das Ziel von 15 Millionen E-Autos bis 2030 nicht zu schaffen sein.“

Experte kritisiert Abschaffungen des Umweltbonus: „Das passt nicht zusammen“

Neu sind diese Zweifel nicht. Schon beim Autogipfel im November 2023 zweifelten Experten an dem Ziel der Ampel-Koalition. Stefan Bratzel, Professor am Center of Automotive Management der Fachhochschule Bergisch Gladbach prognostizierte damals, dass bis 2030 mit höchsten acht Millionen E-Autos zurechnen sei. Daran hat sich nichts geändert: „Wir gehen weiterhin von sieben bis acht Millionen E-Fahrzeugen bis 2030 aus!“

Dass die Bundesregierung Ende 2023 dann auch noch überraschend den Umweltbonus abgeschafft hat, war ebenfalls nicht hilfreich. „Das passt nicht zusammen: auf der einen Seite das Ziel hochhalten, auf der anderen Seite Maßnahmen abschaffen, die zu der Erreichung beitragen“, erklärt der Agora-Experte Hochfeld. Die niedrigen Anschaffungskosten sollten nämlich zusammen mit dem Ausbau der Infrastruktur die Zulassungszahlen steigern. Stattdessen hinken diese nun hinter den Vorjahreswerten hinterher. Manche Hersteller passen sogar ihre Strategie an. Mercedes etwa will länger Verbrenner bauen. Das gilt auch für Porsche.

Um Ziel noch zu erreichen: Studie rät zu umfassenden Maßnahmen

Was muss also passieren, damit das Ziel von 15 Millionen Elektroautos bis 2030 noch erreicht werden kann? Dazu brauche es „das gesamte Maßnahmenportfolio“, erklärt Hocheld dem Handelsblatt. Dazu seien „alle Hebel vom Ordnungsrecht über die Förderpolitik bis hin zur Infrastruktur“ notwendig. Zu diesem Ergebnis kam auch der Projektionsbericht des Umweltbundesamts.

Noch mehr spannende Auto-Themen finden Sie im kostenlosen Newsletter von 24auto.de

Ein Ansatz wäre laut der Studie eine Reform der Kfz-Steuer sowie der Dienstwagenbesteuerung. So könnte die Kfz-Steuer bei der Erstanmeldung ansetzen und stärker auf CO₂-Ausstoß ausgelegt werden. Zudem schlagen die Autoren Quoten für Hersteller und gewerbliche Flotten vor. Alleine diesen Maßnahmen könnten bis 2030 zu insgesamt 4,2 Millionen Neuzulassungen führen. Ein weiterer entscheidender Faktor ist der Ausbau der Ladeinfrastruktur. Durch schnelleres Vorantreiben könnten etwa 300.000 zusätzliche Elektroautos auf die Straßen gebracht werden.

„Nichts zu tun ist die schlechteste Variante“

Die Studie prognostiziert einen Finanzierungsbedarf von 45 bis 65 Milliarden Euro, um das Ziel zu erreichen. Dies umfasst Kosten für Kaufanreize, den Ausgleich von Mehrkosten und die Ladeinfrastruktur. Die genaue Höhe des Finanzierungsbedarfs und dessen Verteilung auf Staat, Hersteller und Verbraucher ist stark abhängig von der konkreten Gestaltung des Maßnahmenpakets. Albert Waas von BCG betont gegenüber dem Handelsblatt: „Nichts zu tun ist die schlechteste Variante, weil wir damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Automobilindustrie erheblich gefährden.“

Das alleine reicht aber nicht. Um die Ziele realistisch erreichen zu können, sei auch eine stärkere Einbindung der chinesischen Hersteller vonnöten. Durch die von der EU verhängten vorläufigen Strafzölle gestaltet sich das jedoch womöglich schwierig – zumindest wenn diese im November langfristig verlängert werden sollten. Aus Deutschland hagelte es Kritik an dieser Entscheidung. Auch, weil man Gegenmaßnahmen aus China fürchtet.

Auch Christian Hochfeld von Agora Verkehrswende sieht die Strafzölle kritisch, da diese die Elektroautos aus China für deutsche Kunden grundsätzlich teurer machen. Dadurch würden attraktive Angebote wegfallen, „die gerade in den preisgünstigen Fahrzeugsegmenten von chinesischen Herstellern angeboten werden, wo deutsche, aber auch europäische Hersteller noch ein geringes Angebot haben“. Allerdings kommen auch immer mehr europäische Hersteller mit günstigen Modellen auf den Markt, wie etwa die Stellantis Gruppe oder Renault mit dem R5 und der elektrischen Neuauflage des Twingo.

Auch interessant

Kommentare