Nato-Land in Putins Visier? Neuer Bericht deckt zahlreiche Langzeit-Bedrohungen auf

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Nicht nur osteuropäische Länder fürchten offenbar Angriffe durch Russland. Auch für eine Nation tief im Westen gibt es einiges zu tun, betont ein Experte.

London – Großbritannien liegt ganz im Westen Europas und damit weit entfernt von Russland. Aber offenbar nicht weit genug entfernt. Während spätestens seit Beginn von Russlands Ukraine-Krieg vor allem in osteuropäischen Ländern wie den baltischen Staaten und Moldau die Angst vor Angriffen aus Moskau umgeht, sollte sich auch das Vereinigte Königreich nach Meinung von Fachleuten nicht zu sicher sein.

Sorgt auch weit entfernt von Moskau für Unruhe: Selbst das Vereinigte Königreich macht sich Gedanken, was Kreml-Chef Wladimir Putin in den kommenden Jahren aushecken könnte. © IMAGO / ZUMA Press, IMAGO / ITAR-TASS

So zeigt Dr. Sidharth Kaushal, Senior Research Fellow beim britischen Thinktank Royal United Services Institute (RUSI), in seinem Bericht auf, wie der Inselstaat seine Luft- und Raketenabwehrarchitektur aufbauen müsste, um gewappnet zu sein, sollte sich Kreml-Chef Wladimir Putin auch ihm widmen. Der Experte verweist auf Russlands Arsenal für Langstrecken-Angriffe und die nachgewiesene Fähigkeit, konventionelle Präzisionsschläge einzusetzen.

Großbritannien und Russland als Bedrohung: Militär muss sich für mögliche Angriffe rüsten

Dabei erwartet er, dass in den nächsten zwei Jahrzehnten verschiedene Aspekte der Bedrohung zu unterschiedlichen Zeitpunkten akut werden. Aufgrund der begrenzten russischen Produktion und der Nutzung zur Abschreckung der USA dürften Marschflugkörper demnach in den nächsten fünf Jahren noch keine große Rolle für die Briten spielen. Das dürfte sich aber ab Mitte der 2030er Jahre ändern.

Weiter vermutet der Experte, dass es Russland zunächst auf militärische Ziele absehen wird, solange die Verwundbarkeit dort am größten ist. Denn wie die Bundeswehr wurde auch das britische Militär viele Jahre lang zusammengeschrumpft und muss daher erst einmal wieder aufgerüstet werden. Im Hinblick auf Russland sollte die Verbesserung der Abwehr gegen Ultraschall-Marschflugkörper Vorrang genießen, heißt es weiter. Der Fokus solle auf hoch entwickelte L-Band-Sensoren und Boden-Luft-Raketen mit größerer Reichweite gelegt werden.

Großbritannien als Atommacht: Schon im Kalten Krieg für Präventivangriffe gewappnet

Für die Zeit von der Mitte der 2030er Jahre bis Anfang der 2040er Jahre werde wahrscheinlich die Abwehr ballistischer Raketen wichtig sein. Hier empfiehlt Kaushal das Senkrechtstartsystem MK 41. Andere Systeme könnten weiterentwickelt werden. Nach 2040 erwartet er, dass auch die Abwehr von Hyperschallgleitern eine höhere Priorität erhalten wird.

Einerseits warnt Kaushal vor angstgetriebenen Überinvestitionen in die nationale Luft- und Raketenabwehr, andererseits bestehe aber auch das Risiko, die Gefahr nicht ernst zu nehmen. Zwar genieße Großbritannien mit seiner Lage und seinem Status als Atommacht Vorteile, dies gehe aber nicht mit absoluter Sicherheit einher. Auch während des Kalten Krieges sei erkannt worden, dass der Staat zum Ziel von Präventivangriffen werden könnte.

Kriegsschiffe feuern in die Luft
In diesem Fall nur eine Übung: Wie hier in der Ostsee könnte Russland seine Flotte zum Angriff auf sogenannte unfreundliche Staaten ansetzen. © IMAGO / ITAR-TASS

Putin und seine Atom-U-Boote: Britischer Experte hofft auf Ablenkung durch Militärbündnis

Der auf den Bereich Seemacht spezialisierte Fachmann hatte bereits in einem vorigen Beitrag auf die wachsende Bedrohung durch die russische Nord-Flotte hingewiesen. Sorge müsse auch bereiten, dass die britische Flotte mit fünf Atom-U-Booten der Astute-Klasse derzeit weniger als die Hälfte der Anzahl aus den Zeiten des Kalten Krieges im Einsatz habe. Ihnen würde jedoch entscheidende Bedeutung beigemessen, denn die Nato baue auf die Modelle.

Zugleich stellt Kaushal klar, dass Russland zwar über 13 aktive Atom- und Lenkwaffen-U-Boote verfüge, von diesen könnte jedoch lediglich eine Handvoll als wirklich modern bezeichnet werden. Für Großbritannien sei hier besonders der Zeitraum bis 2035 akut, da sich einerseits die US-Flotte vermehrt dem Indopazifik widmen und gleichzeitig die russische Bedrohung zunehmen werde. In diesem Zeitraum sollten die U-Boote der Astute-Klasse, von denen in den kommenden Jahren zwei weitere fertiggestellt werden sollen, nicht mit Aufgaben überhäuft werden.

Auch auf das Militärbündnis AUKUS zwischen Australien, dem Vereinigten Königreich und den USA kommt Kaushal zu sprechen. Über dieses soll der Partner Down Under bei der Entwicklung und dem Einsatz von Atom-U-Booten unterstützt werden. Ab 2027 wird damit eines der Boote in Perth stationiert sein. Zugleich könnte diese Zusammenarbeit aber auch dazu führen, russische Truppen von Europa fernzuhalten, sollte Moskau eine weitere Bedrohung für seine Interessen im Fernen Osten wahrnehmen. Nicht nur für London wäre das wohl ein positiver Nebeneffekt. (mg)

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