Nato-Länder alarmiert: Putin könnte brisante Logistik-Lücke an der Ostflanke nutzen

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Die Sorge vor Russlands Angriff auf Befehl von Präsident Wladimir Putin ist im Baltikum groß. Aber: Ein Bauprojekt zur möglichen Verteidigung stockt erheblich.

Tallinn – Es ist ein ambitioniertes Bauprojekt. Das betonen die beteiligten Staaten und Unternehmen unumwunden auf Websites oder in Pressemitteilungen dazu. Die Rede ist von der seit 2014 in Bau befindlichen Rail Baltica.

Russische Bedrohung im Baltikum: Rail Baltica zwischen Polen und Estland verzögert sich

Es handelt sich um eine 1060 Kilometer lange Eisenbahnstrecke, die irgendwann einmal die polnische Hauptstadt Warschau und die estnischen Hauptstadt Tallinn an der nordöstlichen Ostsee miteinander verbinden soll. Über den sich seit Jahren in Planung befindlichen Helsinki-Tallinn-Tunnel könnte es für die Güterzüge dann sogar durch die Ostsee hindurch bis nach Finnland gehen.

Über Polen wäre dann sogar eine Zugverbindung zwischen Berlin und der finnischen Hauptstadt hergestellt. Während das alles Zukunftsmusik ist, kommt der Rail Baltica im Umfeld von Ukraine-Krieg und russischer Aggression unter Moskau-Autokrat Wladimir Putin auch eine erhebliche verteidigungspolitische Bedeutung zu. Schlecht nur, dass sich die Fertigstellung laut eines Medienberichts wohl noch um Jahre verzögern wird.

Die Rail Baltica soll eine Logistik-Route mit herausragender Bedeutung zwischen Polen und den Baltischen Staaten werden. Doch sie ist noch lange nicht fertig. Zur Freude Wladimir Putins? © Montage IPPEN.MEDIA / IMAGO / Scanpix / ZUMA Press Wire

Rail Baltica durch das Baltikum: Eisenbahnnetz zwischen Litauen, Lettland und Estland

Davon berichten das amerikanische Wall Street Journal (WSJ) und die unabhängige russische The Moscow Times (MT) übereinstimmend. Und das dokumentieren auch Fotos von Nachrichtenagenturen von Ende April 2025, die zwar einzelne Streckenabschnitte wie Tunnel und Bahnübergänge zeigen - aber an vielen Stellen keine zusammenhängende Schienentrasse und auch keinen dafür notwendigen Untergrund. Ursprünglich sollte das Schienennetz zwischen Tallinn in Estland, Riga in Lettland und Kaunas in Litauen 2025 fertig sein.

Wie die MT schreibt, wird dieser Streckenabschnitt nun wohl aber frühestens 2030 fertig, während die Bedrohung durch das benachbarte Russland im gesamten Ostsee-Raum wächst. Weswegen ein Softwareunternehmen aus München jetzt KI-betrieben Unterwasser-Drohnen zum Schutz gegen russische Sabotage entwickelt hat. Und während Putins Regime bei Verhandlungen zum Ukraine-Krieg zögert, sammelt die russische Armee an der Grenze zu Finnland immer mehr Truppen.

Rail Baltica

Die Rail Baltica ist eine im Bau befindliche 1060 Kilometer lange Eisenbahnverbindung, die von Warschau über Kaunas und Riga nach Tallinn – mit Anschluss nach Helsinki durch Fähre oder den Helsinki-Tallinn-Tunnel – führen soll. Daran beteiligt sind die EU-Mitgliedsländer Polen, Litauen, Lettland, Estland und Finnland. Die Eröffnung war in Teilen für 2028 angesetzt, die vollständige Inbetriebnahme sollte 2030 erfolgen - eigentlich. 

Nato-Ostflanke: Rail Baltica könnte gegen Wladimir Putins Russland Nachschub sichern

Wie wichtig eine fertige Rail Baltica in dieser Gemengelage für die Nato wäre, veranschaulicht ein Videobetrag des WSJ, dass der offizielle X-Account des durch die Europäische Union (EU) mit 27 Milliarden Euro finanzierten Bauprojektes teilte, in dem die strategisch logistische Bedeutung an der Ostflanke der Verteidigungsallianz und eben jener EU beschrieben wird. So ist die für den zivilen Eisenbahnverkehr geplante Rail Baltica den Berichten zufolge auch im Ernstfall als Nachschubroute zwischen den baltischen Nato-Staaten vorgesehen. Und zwar bis von dem im Ernstfall als Logistik-Drehscheibe beschriebenen Deutschland aus.

So soll das Teilstück zwischen dem polnischen Warschau und dem litauischen Kaunas genau über die militärisch heikle Suwalki-Lücke zwischen der russischen Exklave Kaliningrad an der Ostsee und dem mit Moskau verbündeten Belarus führen. Das betrifft im nächsten Schritt auch die deutsche Bundeswehr, die im Ernstfall mit ihrer 10. Panzerdivision laut Nato-Verpflichtungen Litauen verteidigen würde. Wozu die deutschen Streitkräfte aktuell die Panzerbrigade 45 aufbauen, auch „Brigade Litauen“ genannt, die in den kommenden Jahren mit 5000 deutschen Soldatinnen und Soldaten dauerhaft in dem baltischen Land stationiert wird.

Für die Rail Baltica wurden enorme Flächen Wald im Baltikum abgeholzt - wie hier unweit der estnischen Hauptstadt Tallinn. (Archivfoto)
Für die Rail Baltica wurden enorme Flächen Wald im Baltikum abgeholzt - wie hier unweit der estnischen Hauptstadt Tallinn. (Archivfoto) © IMAGO / Scanpix

Würde Russland unter Wladimir Putin angreifen: Nato-Nachschub über die Schiene?

Dass ihre militärische Versorgung mit Gerät und Munition zu einem erheblichen Teil über die Schiene abgewickelt werden dürfte, darauf deuten Reportagen über die aktuell durch die Bundeswehr angeführte Multinational Battlegroup Lithuania der Nato hin. So werden zum Beispiel die deutschen Leopard-2-Panzer des gegenwärtigen Kampfverbands (rund 1600 Soldaten), der bis 2027 in der Brigade Litauen aufgehen soll, per Zug ins Baltikum geschafft. Wie die MT in einer Analyse schreibt, kann Schätzungen zufolge durch die Rail Baltica ein bis zu 6,5 Kilometer langer Militärkonvoi durch einen einzigen Zug mit 40 Waggons ersetzt werden.

Der dann auf dem Eisenbahnnetz für zivile Schnellzüge unterwegs wäre. So die Theorie. Auffällig ist, dass auf etlichen Eisenbahnabschnitten größere Brücken oder sogar neu gebaute Viadukte für Straßen die Gleise überqueren - zum Beispiel bei Rütavere an der lettisch-estnischen Grenze (siehe Foto-Montage oben). Laut MT soll die Rail Baltica im Krisenfall auch der möglichen Evakuierung vieler Zivilisten auf einmal dienen. Demnach könnten an nur einem Tag angeblich bis zu 143.000 Menschen mittels der Rail Baltica aus Tallinn, Riga und Kaunas in Richtung Polen evakuiert werden. Insofern sie denn irgendwann fertig wird. (pm)

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