Ukraine-Update am Morgen - Selenskyj: Maximaler Schutz für Charkiw angesichts drohender Offensive

Ukraine: Was in der Nacht passiert ist

Ukraine meldet sechs Tote bei russischen Angriffen

Bei russischen Angriffen auf die Ukraine sind nach ukrainischen Angaben sechs Zivilisten getötet worden. In der südukrainischen Region seien bei erneuten russischen Angriffen im Bezirk Pologiwskyji drei Menschen getötet und acht weitere verletzt worden, teilte Regionalgouverneur Iwan Federow am Montag mit.

Bereits am Sonntag waren in der Region Saporischschja ukrainischen Angaben zufolge drei Menschen durch russische Angriffe getötet worden. Russland hält die Region Saporischschja seit Beginn der Invasion in der Ukraine im Februar 2022 teilweise besetzt.

Bei Angriffen auf die Stadt Bilopillja im Norden der Ukraine wurde nach offiziellen Angaben vom Montag eine Frau getötet. Fünf Menschen seien verletzt worden. In Tschassiw Jar im Osten des Landes wurden offiziellen Angaben zufolge eine 77-jährige Frau getötet und drei Menschen verletzt. In Poltawa im Zentrum der Ukraine sei ein Mensch getötet worden, fünf weitere seien verletzt worden.

„Maximalen“ Schutz für Charkiw

Die Ukraine erwartet eine russische Offensive gegen die Großstadt Charkiw im Osten des Landes und unternimmt nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj „maximale Anstrengungen„ für den Schutz und die Unterstützung der Millionenstadt. Dies gelte sowohl für den zivilen als auch den militärischen Bereich, unterstrich Selenskyj am Montag in seiner abendlichen Videoansprache. „Wir arbeiten mit unseren Partnern an der Stärkung des Luftverteidigungssystems, um den russischen Plänen für Charkiw zu begegnen.„ Nach Dafürhalten der ukrainischen Aufklärung dürfte die nächste russische Großoffensive gegen Charkiw gerichtet sein.

Jüngste russische Angriffe auf die Stadt haben dort schwere Zerstörungen angerichtet und unter anderem die Stromversorgung zum Erliegen gebracht. Die ukrainische Regierung habe erst am Montag Vorschläge erhalten, den Stromausfall in Charkiw und die schweren Schäden am gesamten Energienetz der Ukraine zu beheben. „Ich bin allen unseren Stromtechnikern und Reparaturteams dankbar„, sagte Selenskyj. «Jeder, der das System, die Netze und die normale Versorgung der Menschen wiederherstellt, ist ein wirklich guter Arbeiter.» Russische Präzisionsangriffe mit Marschflugkörpern und Raketen haben in den vergangenen Wochen das ukrainische Energienetzwerk schwer getroffen.

Unter dem Vorsitz Selenskyjs hatte die Stawka, das Oberkommando der ukrainischen Streitkräfte, am Montag bereits umfassende Maßnahmen zum Schutz von Charkiw erörtert. “Das Hauptthema war Charkiw, die Verteidigung der Stadt gegen russische Angriffe und die Möglichkeit, unsere Luftabwehr und elektronische Kriegsführung in der Region Charkiw zu verstärken“, schrieb Selenskyj auf Telegram. “Wir halten unsere Positionen, die Hauptsache ist jetzt eine effiziente Logistik.“

Zweifel, ob Russland Charkiw einnehmen kann

Der Militärexperte Petro Tschernik zweifelte im ukrainischen Fernsehen die Fähigkeit der Streitkräfte Russlands zur Eroberung der Millionenstadt an. “Diese Stadt wird schon seit zwei Jahren zur Festung ausgebaut“, sagte er. Die vergleichsweise kleinere Stadt Bachmut mit ursprünglich 70.000 Einwohnern habe sich den russischen Angriffen zehn Monate lang widersetzt.

Neben den militärischen seien von der Stawka auch diplomatische Bemühungen erörtert worden, beispielsweise zur Beschaffung neuer Luftabwehrsysteme. Selenskyj hat in den vergangenen Wochen von den westlichen Partnern wiederholt weitere Flugabwehrwaffen für die Ukraine gefordert. In einem Fernsehinterview sagte er am Sonntag, sein Land brauche zumindest 25 US-Luftabwehrsysteme vom Typ Patriot, um die ukrainischen Städte ausreichend zu schützen.

Russischer Angriff trifft Saporischschja schwer

Bei einem russischen Raketenangriff auf die südliche Großstadt Saporischschja kamen am Montag nach offiziellen Angaben mindestens drei Menschen ums Leben. Weitere acht Menschen wurden verletzt, als russische Raketen in einer Industrieanlage einschlugen. Wie der örtliche Militärverwalter Iwan Fjodorow weiter auf Telegram mitteilte, wurden 14 Gebäude beschädigt, darunter eine Gesundheitseinrichtung. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig geprüft werden. Die Stadt Saporischschja liegt etwa 55 Kilometer nördlich des gleichnamigen Kernkraftwerks, das seit über zwei Jahren von russischen Truppen besetzt ist.

Die ukrainischen Streitkräfte haben nach eigener Darstellung eine Reihe russischer Angriffe gegen Stellungen in der Region Nowopawliwka südlich von Saporischschja zurückgeschlagen. Der Generalstab in Kiew teilte in seinem Lagebericht am Abend mit, russische Bodentruppen seien insgesamt 20 Mal mit Artillerie- und Luftunterstützung gegen die Stellungen der ukrainischen Verteidiger angestürmt. 

Eine Reihe russischer Angriffe wurde auch aus der Region um Cherson im Süden des Landes gemeldet. Dort versuchten russische Bodentruppen, die von Ukrainern gehaltenen Brückenköpfe am linken Ufer des Dnipro einzudrücken. Diese Angriffe seien abgewiesen worden, hieß es. Auch diese Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

EU-Einigung auf strengere Zoll-Vorgaben für ukrainische Agrarwaren

Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten haben sich auf strengere Zollvorgaben für bestimmte Lebensmittel aus der Ukraine geeinigt. Von den Regeln betroffene Waren dürften dann nur noch bis zu einer bestimmten Menge zollfrei in die EU importiert werden. Wenn diese Menge erreicht ist, sollen wieder Zölle fällig werden. 

Die Einigung muss noch vom Europaparlament und den EU-Staaten offiziell abgesegnet werden. Wie stark die Zölle die ukrainische Wirtschaft belasten werden, hängt auch davon ab, ob das von Russland angegriffene Land andere Abnehmer für seine Waren findet.

Hintergrund der Debatte ist, dass die EU kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf sein Nachbarland ukrainische Waren von Zöllen befreit hat. Damit sollte die Wirtschaft des Landes gestärkt werden. Die Unterstützung durch Zollbefreiung ist vielen Bauern, vor allem im Osten der EU, ein Dorn im Auge. Sie sehen sich durch günstige Agrarimporte aus der Ukraine unverhältnismäßiger Konkurrenz ausgesetzt.