Ukraine-Update am Morgen - Militärexperte erklärt Selenskyjs „neue Strategie“, um den Krieg zu gewinnen
Ukraine-Update: Was in der Nacht passiert ist
Militärexperte erklärt Selenskyjs „neue Strategie“, um den Krieg zu gewinnen
Russland ist im Krieg gegen die Ukraine derzeit auf dem Vormarsch. Die Gegenoffensive der Ukraine brachte nicht die erhofften Geländegewinne, stattdessen rückt Russland - unter massiven Verlusten - Meter um Meter vor. Wie soll die Wende gelingen?
Der Militärexperte Philipps O'Brien hat in seinem Newsletter eine neue Taktik erkannt. Sie beginnt mit der Errichtung einer neuen Militärabteilung in der Armee. Die „Unmanned Systems Forces“, zu Deutsch etwa „Streitkräfte der unbemannten Systeme“, sollen sich auf den Einsatz von Drohnen und Raketen spezialisieren.
O'Brien sieht darin eine „neue, faszinierende Strategie“, über die russischen Verteidigungsanlagen zu gelangen. „Die Ukraine will den Drohnen/Raketen-Krieg gewinnen, indem sie die russischen Kräfte abschießt und die ukrainischen verbessert. Gleichzeitig will sie Russlands finanzielles und industrielles System durch Angriffe aus der Ferne und politische Angriffe attackieren.“ Sein Fazit: „Es ist ein Plan, Russlands Fähigkeiten, einen Krieg zu führen, zu attackieren, bevor man zu Attacken auf dem Schlachtfeld zurückkehrt.“
Selenskyj baut Militär weiter um
Selenskyj hat nach eigenen Angaben zwei neue Stellvertreter für den Oberbefehlshaber des Militärs ernannt - und dabei einige hochrangige Generäle übergangen. „Stellvertreter von Oberbefehlshaber Syrskyj werden Oberst Wadim Sucharewskyj - sein Gebiet sind autonome Systeme und die Entwicklung des Einsatzes von Drohnen für unsere Soldaten - und Oberst Andrij Lebedenko - sein Gebiet sind Innovationen und die technologische Komponente der Armee und der Kampfsysteme„, sagte Selenskyj am Samstag in seiner täglichen Videoansprache. Damit hat er einer Reihe von Generälen zwei Offiziere niederen Dienstgrads als Vorgesetzte vor die Nase gesetzt.
Selenskyj begründete die Ernennungen mit der Notwendigkeit, neue Technologien beim Militär zu forcieren. Dies diene dazu, die Verluste an der Front zu mindern, sagte der 46-Jährige. Schon nach dem Austausch des Oberkommandierenden hatte Selenskyj einen großangelegten Umbau an der Führungsspitze der Armee angekündigt. Tatsächlich wechselte er am Samstag auch noch drei Stellvertreter des Generalstabschefs aus. Mit Wolodymyr Horbatjuk, Olexij Schewtschenko und Mychajlo Drapato ernannte er in dem Fall aber drei erfahrene Brigadegeneräle.
Selenskyj erwähnte auch die eigene Produktion von Waffen und Munition. Bei Besprechungen seien die notwendigen Anweisungen erteilt worden, sagte der Staatschef. Die Ukraine leidet wegen der nur noch spärlich fließenden westlichen Waffenhilfe unter einem zunehmenden Munitionsmangel. Die Kooperation mit ausländischen Partnern bleibt nach Angaben Selenskyjs für Kiew aber wichtig. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron habe er bei einem Telefonat um Waffen der elektronischen Kampfführung, Flugabwehr und Artillerie gebeten, teilte Selenskyj mit.
Die Ukraine verteidigt sich seit fast zwei Jahren gegen den russischen Angriffskrieg. Auch in der Nacht zum Sonntag gab es wieder vielerorts in dem Land Luftalarm. Die ukrainische Luftabwehr berichtete von Shahed-Drohnen, die unter anderem in Richtung der Hauptstadt Kiew flogen. Später gab die Militärverwaltung von Kiew Entwarnung.
Syrskyj lobt Neuernennungen
Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj, den Selenskyj Medienberichten zufolge nach Streitigkeiten mit dessen Vorgänger Walerij Saluschny auf den Posten gesetzt hat, trägt die Umbesetzung seines Umfelds zumindest in der Öffentlichkeit voll mit. „Sie alle sind erfahrene Offiziere, die über enormes Wissen und Erfahrung verfügen, die unseren Sieg sicherlich beschleunigen werden„, kommentierte er die neuernannten Vize. Syrskyj hatte als eine seiner Prioritäten den Ausbau des Drohnenkampfs genannt - mit Sucharewskyj soll ein entsprechender Experte auf dem Gebiet gefunden sein.
Kiew: Lage an der Front im Süden und Osten ist schwer
Die Lage an der Front ist nach Angaben der ukrainischen Militärführung schwer. Insgesamt seien im Tagesverlauf 87 russische Sturmversuche abgewehrt worden, teilte der Generalstab in Kiew in seinem Lagebericht am Samstagabend mit. Besonders schwere Kämpfe gibt es demnach an zwei Frontabschnitten nahe der bereits seit 2014 von russischen Kräften kontrollierten Großstadt Donezk.
Dort haben russische Truppen demnach im Tagesverlauf gut zwei Drittel ihrer Angriffe gestartet. Konkret geht es um die Frontabschnitte bei Awdijiwka, das schon seit Monaten von russischen Truppen gestürmt wird, und Marjinka. Dort soll das Moskauer Militär unbestätigten Berichten zufolge nahe der südlich von Marjinka gelegenen Ortschaft Nowomychajkiwka vorankommen.
Deutschland, Frankreich und Polen gegen russische Desinformation
Deutschland, Frankreich und Polen wollen nach Angaben des französischen Außenministers Stéphane Séjourné beim Kampf gegen russische Desinformation zusammenarbeiten. Das kündigte der Politiker in einem gemeinsamen Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung„ (Montag), der polnischen Zeitung „Gazeta Wyborcza“ und der “Ouest-France“ an. “Unsere drei Länder sind Opfer der gleichen Destabilisierungsstrategie geworden. Wir werden eine neue Zusammenarbeit gegen russische Desinformation ankündigen“, sagte Séjourné.
Als Arten der Angriffe nannte der Politiker Trollfabriken und gefälschte Nachrichtenseiten. “Wir werden die Instrumente dieser Desinformation transparent offenlegen. Wir werden Angriffe enthüllen, die begangen wurden. Und zwar mit Beweisen.“ Es gebe übereinstimmende Hinweise darauf, dass es zudem sogenannte Schläferoperationen gebe - Instrumente, die jederzeit aktiv werden könnten, insbesondere während einer Wahl.
Was am Sonntag wichtig wird
Der Sonntag wurde in der Region Charkiw zum Trauertag erklärt. Vorausgegangen waren verheerende Drohnenangriffe in der Nacht zum Samstag, bei denen sieben Menschen ums Leben kamen. Unter den Opfern waren auch drei kleine Kinder. Die Ukraine verteidigt sich zugleich mit aller Kraft gegen die russischen Angriffe. Vor allem im Osten und im Süden versuchen die russischen Streitkräfte, weitere Ortschaften zu besetzen.