USA und Ukraine-Krieg: „Donald Trump möchte sich die Bodenschätze der Ukraine unter den Nagel reißen“
„Schicksalsstunde für Europa“: Mitten im Krieg lassen die USA die Ukraine und den ganzen Kontinent im Stich. Was treibt Donald Trump an?
Ob Ukraine-Krieg, der bedrohliche Aufstieg Chinas oder die Rückkehr von Donald Trump: Unsere Welt ist im Umbruch. Autoritäre Regime haben Aufwind, westliche Demokratien geraten in der Defensive. Für IPPEN.MEDIA blickt Alexander Görlach in der Videokolumne „Görlachs Weltgeschehen“ regelmäßig auf die Brennpunkte dieser Welt. Görlach ist Geopolitik-Experte und unterrichtet an der New York University.
Herr Görlach, seit dem Zweiten Weltkrieg standen die USA fest an der Seite Europas. Ist das jetzt vorbei?
Man kann, glaube ich, mit Fug und Recht sagen, dass es das Ende einer privilegierten Partnerschaft zwischen Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika ist. Der Multilateralismus auf der Basis von Gemeinsamkeiten auf beiden Seiten des Atlantik hat zu vielen politischen Initiativen, nicht zuletzt zur NATO geführt, der, wie viele Beobachter sagen, erfolgreichste Militärallianz der Welt. Was die USA jetzt zeigen unter Donald Trump ist ein Ansatz der Großmächte aus dem 19. Jahrhundert: zu sagen, Russland und Amerika allein, wir sind die beiden wichtigsten Powerbroker hier. Die Ukraine selber spielt keine Rolle, Europa spielt keine Rolle, ja sogar von Putins Seite aus auch China nicht. Also das Land, ohne das Wladimir Putin seine Kriegsmaschinerie gar nicht hätte am Laufen lassen können. Einige sagen, die Europäer müssen sich jetzt darauf einstellen, so behandelt zu werden wie früher die Kolonialstaaten, auch von den USA. Also nach dem Motto: Das, was ihr jetzt erlebt in Europa, das haben die Länder des Globalen Südens schon eine lange Zeit mitmachen müssen.
„USA wollen ganz vorne mit dabei sein, wenn die Ukraine verteilt wird“
Was treibt Donald Trump an?
Donald Trump möchte sich die Bodenschätze der Ukraine unter den Nagel reißen oder die Bodenschätze von dem, was einmal Ukraine war und jetzt von Russland besetzt wird. Das hat er ja auch deutlich gemacht im Hinblick auf Kanada, auch in Grönland: Es geht um die Bodenschätze. Das ist in der Tat auch ein Revival des Kolonialismus: zu sagen, wir brauchen jetzt wieder Land und Zugang zu bestimmtem Land. Das war ja im letzten halben Jahrhundert, in den letzten 80 Jahren, nicht nur wegen der Dekolonialisierung nicht mehr stark im Rennen, sondern auch, weil man es technologisch gar nicht gebraucht hatte. Die USA haben überall auf der Welt Militärbasen errichtet, kleine Punkte auf der Landkarte, die es Washington ermöglicht haben, Handels- und andere Interessen durchzusetzen. Jetzt aber, so sieht Donald Trump es, da braucht man wieder Land, Zugang zum Land, um die Bodenschätze ausbeuten zu können. Und letztendlich ist das eine der Triebfedern, jetzt ganz vorne mit dabei zu sein, wenn die Ukraine verteilt wird, wenn die Bodenschätze aufgeteilt werden. Das dürfte einer der unterliegenden Gründe sein für die jetzigen Entwicklungen zwischen Russland und den USA.
Zur Person
Professor Alexander Görlach unterrichtet Demokratie-Theorie und -Praxis an der New York University. Der Geopolitik-Experte hatte verschiedene Positionen an der Universitäten Harvard und Cambridge inne. Unter anderem erschien von ihm „Alarmstufe Rot: Wie Chinas aggressive Außenpolitik im Westpazifik in einen globalen Krieg führt“ (2022).

Was bedeutet das für Europa?
Für Europa bedeutet das, dass die schlimmsten Träume, die man sich von Brüssel, Berlin, London und Paris und Rom gemacht hat, nun Wirklichkeit werden. Die Europäer sind allein, und wenn es so geht, wie Donald Trump sich das vorstellt, dann wird er auch versuchen, jedes einzelne Land gegen die anderen auszuspielen. Er ist kein Teamplayer, er möchte quasi, dass die Länder sich untereinander um seine Gunst reißen. Wenn die Europäer nicht aufpassen, dann werden sie hier sogar auch noch von Washington gespalten. Es ist eine Schicksalsstunde für Europa. Die Länder der alten Welt, wie sie so genannt werden, müssen jetzt ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, mit ungewissem Ausgang. Denn in diesem Kampf der Mittelmächte, zu denen die Türkei, Brasilien, Indien, Südkorea gehören, sind die Länder der Europäischen Union jetzt auch als Mittelpowers mit eingemeindet. Sie haben also keinen großen Bruder mehr, der im Verbund mit ihnen gemeinsame Interessen durchsetzt. Und das dürfte für die Europäer nun wirklich eine schmerzliche Lektion werden.