„Umgekehrter Nixon“: Diese Rolle spielt China bei Trumps Kehrtwende im Ukraine-Krieg

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Lässt Donald Trump Europa und die Ukraine fallen, um einen Keil zwischen China und Russland zu treiben? Der Ausgang wäre ungewiss. Denn Peking und Moskau haben ein gemeinsames Ziel.

Spätestens seit Freitag ist klar, was sich schon seit Wochen angekündigt hatte: Die USA kehren Europa den Rücken und lassen die Ukraine fallen. Vor der versammelten Weltpresse warfen Donald Trump und J.D. Vance Wolodymyr Selenskyj Mangel an Dankbarkeit für die Unterstützung der USA vor. Selenskyj wolle keinen Frieden, behauptete Trump.

Zuvor hatte er den Ukrainer als „Diktator“ beschimpft und für den Ausbruch des Ukraine-Kriegs verantwortlich gemacht. Die Beziehungen zu Wladimir Putin, dem Aggressor, will Trump hingegen normalisieren. Russland könne schon bald wieder in die Gruppe der wichtigsten Industrienationen aufgenommen werden, schwadronierte Trump vor ein paar Wochen.

Es war eine beispiellose Verdrehung der Fakten, das Opfer war auf einmal der Täter. Und doch folgt Trumps Kehrtwende einer Logik, die schon seit fast anderthalb Jahrzehnten die US-Politik bestimmt: weg von Europa, hin nach Asien. Donald Trump, so sehen das mehrere US-Beobachter, wende sich nun Putin zu, um einen Keil in die Beziehungen zwischen Russland und China zu treiben. Die Eindämmung der Volksrepublik, nicht Russlands, sei das eigentliche Ziel der amerikanischen Politik.

Rosenmontagszug - Düsseldorf
Auf einem der Düsseldorfer Rosenmontagswagen stellen Xi, Trump und Putin ihre Manneskraft zur Schau. © Federico Gambarini/dpa

USA lassen Ukraine fallen: Will Trump Russland und China voneinander entfremden?

In Washington macht bereits der Begriff eines „umgekehrten Nixon“ die Runde: eine Anspielung auf die China-Reise von US-Präsident Richard Nixon 1972. Die USA hatten sich damals an China angenähert, unter anderem, um die Spaltung zwischen Peking und Moskau zu vertiefen. Versucht Washington nun, durch Annäherung an den Kreml Moskau und Peking einander zu entfremden? Von „unglaublichen Möglichkeiten, die sich bei einer geopolitischen Partnerschaft mit den Russen in Fragen von gemeinsamem Interesse bieten“, sprach US-Außenminister Marco Rubio Mitte Februar am Rande eines Treffens mit seinem russischen Amtskollegen in Saudi-Arabien.

Schon 2011 hatte die damalige US-Regierung unter Barack Obama einen „Schwenk nach Asien“ verkündet. So richtig Gestalt nahm diese neue Politik allerdings erst unter Joe Biden an, der die asiatischen Bündnisse der USA – mit Japan, Südkorea und den Philippinen, aber auch mit der Indopazifik-Macht Australien – auf eine neue Ebene hob.

Donald Trump nun ist zwar erklärtermaßen kein Freund von Bündnissen. Dennoch traf sich sein Außenminister schon am ersten Tag im Amt mit seinen Amtskollegen der Quad-Allianz, einem gegen China gerichteten Bündnis, dem neben den USA auch Japan, Australien und Indien angehören. Die Allianz trete weiterhin für einen „freien und offenen Indopazifik“ ein, hieß es anschließend in einer gemeinsamen Erklärung.

Gemünzt war das auf China, das nicht nur Taiwan gegenüber zunehmend aggressiv auftritt, sondern auch im Südchinesischen Meer mehrere umstrittene Inselchen besetzt hält. Im Weißen Haus kam Trump zudem bislang vor allem mit Staatenlenkern zusammen, deren Länder im Clinch mit China liegen, darunter Japans Premierminister Shigeru Ishiba und der indische Premier Narendra Modi. Parallel dazu überzieht Washington China mit immer neuen Zöllen, erst am Dienstag trat eine Verdopplung der Strafabgaben in Kraft.

„Eine Achse zwischen Putin und Trump kann die Achse Putin-Xi Jinping nicht zerstören“

Aber taugt Wladimir Putin als Instrument, um Peking einzudämmen? Der China-Experte Martin Wagner glaubt nicht, „dass eine vermeintliche Achse zwischen Putin und Trump die Achse Putin-Xi Jinping zerstören könnte“. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärte Wagner unlängst, Xi und Putin verfolgten ein gemeinsames Ziel: „die liberale Weltordnung zu überwinden“.

Putin macht das, indem er mit seinem Angriffskrieg offen das Völkerrecht bricht. Xi hingegen subtiler, indem er versucht, bestehende Institutionen wie die UN von innen heraus umzubauen. Bei seinem letzten Moskau-Besuch im März 2023 hatte Xi seinem russischen Gastgeber zugeraunt: „Zurzeit finden Veränderungen statt, wie wir sie seit 100 Jahren nicht mehr erlebt haben, und wir sind diejenigen, die diese Veränderungen gemeinsam vorantreiben“. Das klingt nicht so, als ließen sich die beiden von den USA auseinandertreiben.

Denn auch, wenn sich immer wieder einzelne Brüche in der angeblich „grenzenlosen“ Freundschaft zwischen Xi und Putin zeigen (so konkurrieren beide Länder um Einfluss in Zentralasien): Seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs rücken Peking und Moskau immer enger zusammen. Beispielsweise stieg das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern 2024 auf ein Rekordhoch von knapp 240 Milliarden US-Dollar. Zuletzt versicherten sich Xi und Putin bei einem Telefonat Anfang vergangener Woche ihrer gegenseitigen Unterstützung; im Mai wird Xi zudem in Moskau erwartet, anlässlich der Feierlichkeiten zum Kriegsende vor 80 Jahren. Ein ehemaliger hoher Beamter des US-Außenministeriums drückte es im Wall Street Journal so aus: Statt einen Keil zwischen Russland und China zu treiben, „spaltet Trump den Westen, während sich Russland gleichzeitig mit den USA und mit China verbündet“.

China hat keine Angst vor einem Bündnis zwischen Trumps USA und Putins Russland

Vor einer Annäherung der Amerikaner an den Kreml scheint man in Peking ohnehin keine Angst zu haben. „Russland und die Vereinigten Staaten sind einflussreiche Länder“, hieß es aus dem chinesischen Außenamt, nachdem bekannt geworden war, dass Washington und Moskau über ein Ende des Ukraine-Kriegs verhandeln wollen. „China freut sich, dass sie ihre Kommunikation über eine Reihe internationaler Angelegenheiten stärken“.

Unklar ist zudem, wie Russland Druck auf Peking ausüben könnte, falls es das denn wollte. Denn spätestens seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat sich Moskau in Abhängigkeit von den Chinesen begeben – ohne die Unterstützung Pekings, etwa durch die Lieferung von Drohnen und anderen kriegswichtigen Gütern, könnte Russland seinen Angriffskrieg kaum so intensiv führen, wie es das seit drei Jahren tut. Im Verhältnis mit Xi ist Putin der Juniorpartner. Das weiß Wladimir Putin. Und Xi Jinping weiß es auch.

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