Trump trifft Selenskyj: Grobe Vorwürfe und ein Rücktrittsangebot – Was ist dran?
Wolodymyr Selenskyj trifft mitten im Ukraine-Krieg Donald Trump. Ein heikler Termin – zwei Experten geben vorab Einschätzungen. Frieden scheint fern.
Donald Trump trifft Wolodymyr Selenskyj: Am Freitag ist Washington Schauplatz eines möglicherweise richtungsweisenden Momentes im Ukraine-Krieg. Selenskyj will dabei US-Hilfe sichern und „ukrainische Positionen schützen“. Und zugleich prallen Welten aufeinander. Hier der machtversessene US-Präsident. Dort der ukrainische Staatschef, der gerade erst seinen Rücktritt angeboten hat – wenn sein Land im Gegenzug in die Nato kommt.
Trump hat die westliche Welt zuletzt mit einer offenbar stark von russischem Propaganda-Feuer inspirierten Behauptung irritiert: Selenskyj habe in der Heimat nur noch vier Prozent Zuspruch – und sei ein „Diktator“. Der Ukraine-Experte Eduard Klein von der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen verweist diese Darstellung im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau ins Reich der Fabeln. Selenskyjs Angebot hält er indes für durchaus glaubwürdig, wenn auch wenig erfolgversprechend.
Trump verbreitet russische Propaganda: Experte erklärt Selenskyjs Zustimmungswerte im Ukraine-Krieg
Die Vorwürfe Trumps seien unbegründet, haben Klein und sein Kollege Heiko Pleines gerade erst in der Zeitschrift Ukraine-Analysen dargelegt. Eine Umfrage des Kyiv International Institute of Sociology habe Selenskyj Anfang Februar das Vertrauen von 57 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer attestiert. Aber ist den Umfragen im kriegsgebeutelten Land zu trauen?

Klein bejaht das auf Anfrage. Es gebe diesbezüglich zwar Debatten – etwa weil die Ukrainerinnen und Ukrainer in den russisch besetzten Gebieten nicht mehr erreicht werden können und Millionen ins Ausland geflohen sind. Die renommierten Institute hätten sich aber gut an die Lage angepasst. „Für die ukrainisch kontrollierten Territorien gibt es durchaus belastbare und verlässliche Zahlen, die sich qualitativ nicht viel nehmen zu Umfragen, die zum Beispiel in Deutschland durchgeführt werden“, sagt Klein.
Klein und Pleines betonen in ihrem Artikel auch: Ihre Repräsentanten zu benennen, sei nach internationalem Recht ohnehin interne Angelegenheit der Staaten. Nach der ukrainischen Verfassung sind Wahlen unter Kriegsrecht nicht möglich. „Noch offensichtlicher ist, dass Präsidenten nicht gleich ihr Amt verlieren, wenn ihre Umfragewerte sinken.“
Selenskyjs Rücktrittsangebot für Nato-Mitgliedschaft: Glaubwürdig – aber kaum realistisch
Und Selenskyjs Rücktrittsangebot? „Während man von Trump fast schon tägliche Falschbehauptungen und Lügen gewohnt ist – wie jüngst die angeblichen vier Prozent Zustimmung für Selenskyj -, ist das bei Selenskyj eigentlich nicht der Fall“, meint Klein. Der ukrainische Präsident bemühe sich, einen ehrlichen Eindruck zu hinterlassen, „manchmal auch schonungslos“.
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„Daher denke ich, wenn das tatsächlich der Preis wäre, den Selenskyj bezahlen müsste, würde er diesen Deal eingehen“, sagt Klein. Der ukrainische Staatschef scheine weniger an seiner Machtposition zu „kleben“ als etwa Kremlchef Wladimir Putin. „Außerdem hat er seit Beginn der Invasion gezeigt, dass er das Interesse der Ukraine über sein persönliches stellt – sonst wäre er nicht in Kyjiw geblieben, als die Stadt in den ersten Tagen drohte, überrannt zu werden, und er die Möglichkeit hatte, sich in Sicherheit zu bringen.“
Selenskyj sehe das Überleben der Ukraine als zentrale Anforderung an sein Amt an. „Wenn die Aufgabe seines Amtes den Nato-Beitritt der Ukraine sichern würde, gehe ich davon aus, dass er abtritt.“ Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios halte er allerdings für sehr gering, betonte Klein.
Heikler Termin im Ukraine-Krieg: Selenskyj wirbt um Trumps Gunst
Ein Nato-Beitritt wäre wohl auch nur das unrealistische Fernziel von Selenskyjs Besuch bei Trump. Die Ukraine gebe sich diesbezüglich keinen Illusionen hin, sagte der NGO-Chef Oleksandr Sushko zuletzt unserer Redaktion. Und doch ist der Termin bedeutsam.
Allem Anschein nach können Unterredungen großen Einfluss auf den US-Präsidenten haben – die Behauptungen über Selenskyjs Zustimmungswerte und der aus europäischer Sicht erschreckende Kurswechsel folgten einem Telefonat mit Putin. Und auch ein Treffen Trumps mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zuletzt lieferte reichlich Stoff für Interpretationen von Zwischentönen, Nuancen und gemäßigteren Tönen in Sachen Ukraine-Krieg.
Kiew und die USA haben indes zuletzt ein Rahmenabkommen über die Ausbeutung wertvoller Mineralien in der Ukraine abgeschlossen. Offenbar gab es im Gegenzug (noch) keine Sicherheitsgarantien der USA. Aber vielleicht ja etwas Wohlwollen. Die von Trump zuerst geforderte Abtretung etwa von Vorkommen Seltener Erden konnte Selenskyj offenbar abwenden. Ob der Ukrainer nun mit einer Charmeoffensive den russlandfreundlichen Kurs Trumps abmildern kann – es bleibt abzuwarten. Trump und Selenskyj verbindet eine Vorgeschichte, die „Ukraine-Affäre“: 2019, in seiner ersten Amtszeit, soll Trump Selenskyj dazu gedrängt haben, Ermittlungen gegen Hunter Biden einzuleiten.
Selenskyj bei Trump zu Gast: Experte sieht Frieden im Ukraine-Krieg noch in weiterer Ferne
Pikanterweise hat auch Russland den USA einen Deal zu Seltenen Erden angeboten; nicht zuletzt in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine. Trump wird also von beiden Seiten umworben. Der Politikwissenschaftler Felix Jaitner hält diese Offerte Wladimir Putins für „durchaus ernst zu nehmen“. Er warnt gegenüber unserer Redaktion allerdings vor Unwägbarkeiten für die USA bei einem solchen Geschäft: Es könne in den Händen Putins letztlich auch zum Druckmittel gegenüber Washington werden.
Jaitner glaubt so oder so nicht, dass es schnell einen Frieden im Ukraine-Krieg geben werde. Russland und die USA hätten bei ihrem ersten Treffen in Saudi-Arabien bereits betont, dass es nur um Vorgespräche gehe. Und der Experte für Machtkonflikte im Kreml erwartet, dass Russland die Friedensbemühungen eher bremsen wird. „Aus russischer Sicht möchte man wohl erst damit beginnen, wenn die ukrainisch besetzten Gebiete im Kursker Gebiet vollständig rückerobert sind, um die ukrainische Verhandlungsposition weiter zu schwächen.“