Drei-Milliarden-Paket - „Psychologische Tricks“: Im Streit mit Pistorius täuscht Scholz bei der Ukraine-Hilfe
Bei seinem vierten Besuch in der Ukraine hat Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) eine weitreichende Zusage gemacht. „Unabhängig davon, wer nach der Bundestagswahl am 23. Februar die Regierung übernimmt, wird Deutschlands Unterstützung für die Ukraine unverbrüchlich und stark bleiben“, sagte der Sozialdemokrat, als er in Kiew mit Präsident Wolodymyr Selenskyj zusammentraf.
Er konnte das mit dem Hinweis darauf tun, dass alle Parteien mit einer realistischen Chance auf eine Regierungsbeteiligung weitere Hilfe zugesagt haben.
Kanzleramt gegen Verteidigungsminister?
Völlig unklar bleibt jedoch, ob es kurzfristig ein großes Hilfspaket mit einem Volumen von drei Milliarden Euro geben wird.
Seit einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ aus der vergangenen Woche ist bekannt, dass das Haus von Pistorius mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes seit mehreren Wochen daran arbeitet, weil sich die militärische Lage der Ukraine zuletzt deutlich verschlechtert hat. „Wir haben im Verteidigungsministerium ein neues Hilfspaket für die Ukraine vorbereitet“, bestätigte der Minister dem „Tagesspiegel“ am Wochenende.
Bei seiner neuerlichen Visite in Kiew hatte es Pistorius aber noch nicht mit im Gepäck. Und es ist auch weiterhin unklar, ob daraus überhaupt etwas wird, weil von Pistorius und Bundeskanzler Olaf Scholz höchst unterschiedliche Aussagen dazu kommen. In dem Artikel des „Spiegel“ wurde der Eindruck erweckt, das Kanzleramt habe das Ansinnen bereits abgelehnt, um eine neue Bundesregierung nicht zu stark zu binden.
Scholz befürchtet Belastung des Haushalts
Eine überplanmäßige Ausgabe von drei Milliarden Euro, um die der Haushaltsausschuss des Bundestages in diesem Fall gebeten werden müsste, wäre schließlich eine Erhöhung der Waffenhilfe für die Ukraine um 75 Prozent, da der wegen des Regierungsscheiterns bisher nicht beschlossene Etatentwurf für 2025 nur vier Milliarden Euro vorsieht. Unterstützung für diese Linie des Kanzlers kam dann am Samstag von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich.
Dann aber sagte Pistorius dem Tagesspiegel am Sonntag, dass es „keine Blockade“ des Kanzleramts in dieser Frage gebe und ein Beschluss zu erwarten sei, „sobald alle Fragen geklärt sind“. Ganz ähnlich wiederholte er diese Sätze am Dienstag neben Selenskyj. Die regierungsinternen Gespräche darüber seien „noch nicht durch“, er sei aber „optimistisch“, dass es bald dazu kommen könne.
Pistorius nimmt Scholz in Schutz
In den ARD-„Tagesthemen“ und ZDF-„heute journal“ am Dienstagabend zeigte sich Pistorius zuversichtlich, dass zeitnah eine Lösung gefunden werde. Er hoffe darauf in den nächsten Tagen, sagte der SPD-Politiker. Pistorius verwies darauf, dass es für 2025 noch keinen regulären Bundeshaushalt gebe und der Bund daher mit einer vorläufigen Haushaltsführung agiere. „Es ist nicht trivial, das Geld aufzutreiben“, betonte er im ZDF.
Der Verteidigungsminister nahm Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) diesbezüglich in Schutz. „Ich sehe keinerlei Grund anzunehmen, dass der Bundeskanzler hier bremst“, sagte Pistorius in der ARD.
Scholz macht das Verwirrspiel komplett
Das Verwirrspiel komplett hatte zwischenzeitlich ein Wahlkampfauftritt des Kanzlers am Montagnachmittag gemacht. Dort wies Scholz zwar einerseits den Blockadevorwurf der noch mitregierenden Grünen zurück, forderte von diesen aber anderseits, zu sagen, wo das Geld herkommen solle, wenn man noch mehr Militärhilfe leisten wolle – er sei dagegen, dies durch Kürzungen bei den Renten oder den Gemeinden zu finanzieren.
Das wiederum brachte die Grünen auf die Palme, die die Begründung drohender Sozialkürzungen für absurd halten. Unterstützung erhalten sie von der Union, die die dringend benötigte Luftverteidigung für finanzierbar hält.
Der Kanzler rechnet sich die Zahlen schön
„In einer vorläufigen Haushaltsführung fließen viele eingeplante Gelder nicht ab – wenn wir also der Ukraine mehr helfen als bisher geplant, muss dafür gar nichts bei Renten, Gemeinden und Straßen gekürzt werden“, sagte der CDU-Haushälter Ingo Gädechens dem Tagesspiegel nicht ohne harten Vorwurf: „Scholz spielt mit der Angst der Menschen – und wer solche psychologischen Tricks anwendet, sollte in Deutschland keine Verantwortung mehr tragen.“
Als ärgerlich empfinden es viele Fachpolitiker, dass Scholz in Wiesbaden von zwölf Milliarden Euro sprach, die in diesem Jahr schon für die Ukraine bereitstünden. Die Grünen beklagen, dass der Kanzler auch die zivile Budgethilfe und Kosten für die Flüchtlingsunterbringung einrechnet, um den Eindruck zu erwecken, das Drei-Milliarden-Paket sei nicht nötig.
„Die Regierung Scholz braucht nicht die FDP, um öffentlich zu streiten“, stellt CDU-Mann Gädechens fest: „Pistorius und Baerbock wollen dringend drei Milliarden Euro zusätzlich für die Ukraine-Militärhilfe freigeben lassen, der Bundeskanzler blockiert dies aber. Nur kurz nachdem Boris Pistorius genau das öffentlich dementiert, bestätigt der Kanzler seine Blockade.“ So ende die Regierung Scholz „so, wie sie unser Land drei Jahre lang gequält hat“.
Von Christopher Ziedler
Das Original zu diesem Beitrag "Gibt es drei Milliarden?: Verwirrspiel um neues Ukraine-Hilfspaket geht weiter" stammt von Tagesspiegel.