+++ Lage in Syrien im Ticker +++ - Syriens Außenminister: Keine rasche Rückkehr aus Deutschland nötig
Seit dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad in Syrien wird in Deutschland darüber diskutiert, ob und wann Flüchtlinge dorthin zurückkehren können und sollten. Das nimmt man auch in Damaskus wahr. Alle Entwicklungen im Ticker.
Syriens Außenminister: Keine rasche Rückkehr aus Deutschland nötig
Mittwoch, 15. Januar, 10.04 Uhr: Der Außenminister der syrischen Übergangsregierung, Asaad al-Schaibani, sieht keine Notwendigkeit für eine rasche Rückkehr seiner Landsleute aus Deutschland in die alte Heimat. „Sie sind dort in Sicherheit“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur am Rande eines Treffens mit Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) in Damaskus. Den Flüchtlingen, die in Deutschland aufgenommen worden seien, gehe es zudem besser als vielen syrischen Flüchtlingen und Vertriebenen in anderen Regionen.
Am 8. Dezember war der langjährige Machthaber Baschar al-Assad von einer Rebellenallianz unter Führung der sunnitischen Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) gestürzt worden, die das arabische Land nun mit einer von ihr ernannten Übergangsregierung führt.
Mehrheit der rund 975.000 Syrer in Deutschland sind Flüchtlinge
In Deutschland leben aktuell rund 975.000 syrische Staatsangehörige. Die meisten von ihnen waren nach dem Beginn des Aufstandes gegen Assad und dem daraus folgenden Bürgerkrieg eingereist. Als das russische Militär auf der Seite des syrischen Machthabers im Herbst 2015 massiv in das Kriegsgeschehen eingriff, machten sich viele syrische Flüchtlinge, die zunächst in Nachbarländern wie der Türkei Zuflucht gesucht hatten, mit Hilfe von Schleppern auf den Weg nach Europa.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hält es für sinnvoll, syrischen Flüchtlingen eine einmalige Reise in ihr Herkunftsland zu gestatten - ohne dass sie dadurch ihren Schutzstatus in Deutschland verlieren. Entsprechende Anwendungshinweise werden nach Angaben eines Sprechers aktuell erarbeitet. Das soll den Geflüchteten ermöglichen, vor einer Entscheidung über eine dauerhafte Rückkehr zu schauen, wie die Lebensverhältnisse in der alten Heimat sind - etwa ob die alte Wohnung noch existiert und Verwandte noch leben.
Nur zwei Stunden Strom vom Staat
In der Hauptstadt Damaskus gibt es momentan nur zwei Stunden Strom für die Haushalte pro Tag. Die Menschen behelfen sich daher mit Photovoltaik-Anlagen und Diesel-Generatoren. Mangelhaft sind auch die Gesundheitsversorgung und das Schulwesen.
Wenn Schutzberechtigte aus Deutschland in ihre Herkunftsländer reisen, gilt generell die Vermutung, dass die Voraussetzungen für den Schutz nicht mehr vorliegen. Ausnahmen gibt es nur, wenn die Reise „sittlich zwingend geboten ist“ - etwa bei schweren Krankheiten oder Todesfällen von Familienangehörigen. Ansonsten droht der Verlust des Schutzstatus. Außerdem muss die Reise der Ausländerbehörde vorab angezeigt werden
Baerbock und Barrot besichtigen syrisches Foltergefängnis
11.33 Uhr: Außenministerin Annalena Baerbock hat rund vier Wochen nach dem Umsturz in Syrien das berüchtigte Foltergefängnis Saidnaja besichtigt. Gemeinsam mit ihrem französischen Amtskollegen Jean-Noël Barrot ließ sich die Grünen-Politikerin von Vertretern der syrischen Zivilschutzorganisation Weißhelme über die Zustände in dem Gefängnis nahe der Hauptstadt Damaskus informieren.
Saidnaja gilt als das wohl berüchtigtste Militärgefängnis aus der Zeit des Langzeitmachthabers Baschar al-Assad. Im Volksmund wurde es nur das „Schlachthaus“ genannt. Seit 2011 haben Menschenrechtler dort systematische Massenhinrichtungen, Folter und das Verschwinden von Tausenden Gefangenen dokumentiert.
Amnesty International kam nach Interviews mit Ex-Häftlingen, Sicherheitsleuten, Richtern sowie Anwälten und Experten zu dem Schluss, dass in Saidnaja unter Anweisung der Assad-Regierung Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangenen wurden.

Baerbock und französischer Außenminister zu Besuch in Damaskus eingetroffen
Freitag, 03. Januar, 06.35 Uhr: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihr französischer Kollege Jean-Noël Barrot sind zu einem Besuch bei der neuen syrischen Führung in Damaskus eingetroffen. Das teilte das Außenministerium in Paris am Freitag mit. In einer vom Auswärtigen Amt in Berlin veröffentlichten Erklärung anlässlich ihrer Abreise nach Damaskus kündigte Baerbock an, Deutschland wolle Syrien helfen „bei einem inklusiven friedlichen Machtübergang, bei der Versöhnung der Gesellschaft, beim Wiederaufbau“.

Sie komme im Namen der EU „mit dieser ausgestreckten Hand, aber auch mit klaren Erwartungen an die neuen Machthaber“ in die syrische Hauptstadt.
Russische Regierung distanziert sich von Assad
01.53 Uhr: Die russische Regierung hat sich vom gestürzten syrischen Machthaber Baschar al-Assad distanziert. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Tass, der schnelle Umsturz in Syrien vor gut drei Wochen sei auch auf die Unfähigkeit von Ex-Präsident Assad zurückzuführen, die sozialen Probleme im Land zu beheben. „Wir können bereits jetzt sagen, dass einer der Gründe für die Verschlechterung der Lage die Unfähigkeit der damaligen Regierung war, die Grundbedürfnisse der Bevölkerung im sich hinziehenden Bürgerkrieg zu befriedigen.“
Bis zu dem Umsturz am 8. Dezember war Russland neben dem Iran Schutzmacht des Gewaltherrschers Assad gewesen. Der Kreml wurde aber ebenso wie Assad vom raschen Vordringen der islamistischen Rebellen überrascht und flog ihn ins Exil nach Moskau aus, als die Hauptstadt Damaskus erobert wurde. Kremlchef Wladimir Putin hatte danach deutlich gemacht, die Entmachtung des syrischen Präsidenten nicht als eine Niederlage für Russlands dort seit 2015 stationiertes Militär anzusehen.
Lawrow sagte weiter, nach den Erfolgen im Kampf gegen den
den internationalen Terrorismus, an dem auch die russische Luftwaffe beteiligt gewesen sei, hätten sich die Erwartungen der Syrer, dass sich ihr Leben verbessern würde, nicht erfüllt. Daran trügen auch die USA einen großen Teil der Schuld, denn sie hätten eine rohstoffreiche Region im Nordosten Syriens besetzt und durch Sanktionen zudem erheblichen Druck auf die syrische Regierung ausgeübt.
Schulze: „Humanitäre Situation ist katastrophal“
Montag, 30 Dezember, 00.21 Uhr: Nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien hat Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) mehrere Hilfsprojekte mit einem Gesamtvolumen von 60 Millionen Euro in Auftrag gegeben. „Die humanitäre Situation der Menschen in Syrien ist katastrophal“, sagte Schulze dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Weite Teile des Landes seien nach fast 14 Jahren Bürgerkrieg zerstört. 90 Prozent der Bevölkerung lebten in Armut und seien auf Hilfe angewiesen. Zwar sei noch unklar, wie es in dem Land weitergehe. „Aber die Möglichkeit für eine positive Entwicklung ist da und diese sollten wir jetzt nach Kräften unterstützen“, so die Ministerin. Sie stellte klar, dass die geplanten Projekte nicht mit den syrischen Machthabern, sondern ausschließlich über UN-Hilfswerke und Nichtregierungsorganisationen umgesetzt würden.
Konkret sollen nach Angaben des Entwicklungsministeriums 25 Millionen Euro an das UN-Kinderhilfswerk Unicef fließen, das sich unter anderem um die Instandsetzung von Schulen kümmert. Zudem soll mit dem Geld die psycho-soziale Betreuung von traumatisierten Kindern finanziert werden. Mit 6 Millionen Euro wird außerdem ein Projekt der Hilfsorganisation Arche Nova unterstützt, die Schulen für rund 3000 Kinder und Jugendliche betreibt. Weitere 19 Millionen Euro sollen an die UN-Entwicklungsorganisation UNDP gehen, die insbesondere für Binnenvertriebene Kurzzeitjobs organisiert, etwa bei der Beseitigung von Müll und Trümmern.
Sieben Millionen Euro werden für syrische Nichtregierungsorganisationen bereitgestellt, die sich mit eigenen Projekten unter anderem um die Aussöhnung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen kümmern. Weitere drei Millionen Euro will Entwicklungsministerin Schulze für einen speziellen UN-Fonds zur Verfügung stellen, der syrische Frauenorganisationen fördert.
Das Geld stammt aus dem Haushalt 2024, in dem insgesamt 132 Millionen Euro für Projekte in Syrien vorgesehen sind. Für 2025 sollen abhängig von der Entwicklung vor Ort weitere Projekte vorbereitet werden. „Wir haben unsere Erwartungen klar formuliert: ein Bildungssystem frei von Ideologie, Diskriminierung und Ausgrenzung. Wenn die Entwicklung in die richtige Richtung geht, sind wir bereit, auch in anderen Bereichen mehr zu tun“, betonte Entwicklungsministerin Schulze.
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