Die Streichung eines sogenannten „kw-Vermerks“ (‚künftig wegfallend‘) bei einer Sachbearbeiterin in Teilzeit, die im Kulturamt und in seinen Einrichtungen für die Gestaltung der Öffentlichkeitsarbeit in den Sozialen Medien zuständig ist, stand auf der Tagesordnung des Personalausschusses. Auf den ersten Blick eine Formsache, auch weil ihre Arbeit von allen Seiten sehr positiv beurteilt wurde. Die Diskussion zog sich jedoch in die Länge, entwickelte eine Eigendynamik, mit negativen Folgen für die Stelleninhaberin.
Kempten – Carina Reng, stellvertretende Leiterin des Amtes für zentrale Dienste, stellte zunächst die Struktur des Kulturamtes vor, zu der neben Kulturvermittlung, Stadtbücherei, Museen, Kunsthalle, Stadtarchiv, APC, Erasmus-Kapelle, Stadtarchäologie und Verwaltungsmitarbeitern auch die Abteilung für Kulturmanagement und -förderung gehören. In Letzterer sind zurzeit drei Mitarbeiterinnen (inklusive Leitung) mit insgesamt 1,77 Stellenanteilen angesiedelt. Im Ausschuss ging es einerseits um eine unbefristete 53%-Stelle: Hier hat man die aktuelle Sachbearbeiterin, deren Vertrag sonst Ende des Jahres ausgelaufen wäre, bestätigt. Andererseits sprach man über die Stelle der Redakteurin für Soziale Medien (50%). Diese Stelle wurde erst 2022 geschaffen, als „Testphase“ hat man die Zeit bis Ende 2025 festgelegt.
Kempten-Museum: Große Erfolge in den Sozialen Netzwerken
In dieser Zeit steigerte sich die Reichweite des Kempten-Museums in den Sozialen Netzwerken um fast 300 Prozent, mehrere Besucherrekorde konnten gebrochen werden und das Interesse der überregionalen, sogar internationalen Medien am Kemptener Kulturleben wurde geweckt, berichtete Co-Amtsleiterin und Museumsdirektorin Dr. Christine Müller Horn. Sie schilderte die große Bandbreite der Aufgaben im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, sowie die Ziele und Zielgruppen, die die drei Kolleginnen stets vor Augen behalten. Sie hob hierbei hervor, dass im Amt die Bildungsarbeit und die Förderung der kulturellen Teilhabe über einen besonders hohen Stellenwert verfügen.
In der Medienpräsenz des Kulturamtes stehen nicht nur Informationen im Mittelpunkt, sondern die zielgruppenorientierte pädagogische Vermittlungsarbeit: Kinder und Jugendliche erreicht man anders als Erwachsene und Senioren. Es wird speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung oder Demenz eingegangen. Dafür sind breitgefächerte Fachkenntnisse Voraussetzung. Dank der zunehmenden Sichtbarkeit der Kulturarbeit gelingt es, neue Kulturbegeisterte zu gewinnen und das kulturelle Profil der Stadt zu stärken.
Stellen für die Arbeitsfähigkeit des Kulturamtes essenziell
Müller Horn erklärte, dass jede Einrichtung über einen eigenen Internetauftritt und eigene Social-Media-Kanäle verfügt und verfügen muss, um Erfolg zu haben. Dazu kommen Projekte (z. B. „Courage“) und der gesamte Bereich Erinnerungskultur. Die drei Kolleginnen kümmern sich um all diese, „abteilungsübergreifend“, „eng verzahnt“ und „sehr effizient“, obwohl ihr Bereich im Vergleich zu anderen Kommunen ähnlicher Größenordnung durchaus „schlank aufgestellt“ ist. Die Co-Amtsleiterin hält die Weiterführung der Stellen für die Arbeitsfähigkeit der Kulturverwaltung für „essenziell“. Diese ins Stadtmarketing auszulagern, würde ihrer Meinung nach die Erfüllung des Bildungsauftrags des Amtes, der Museen und des APC gefährden, weil dafür die geleistete kleinteilige Bildungs- und die dazugehörige Öffentlichkeitsarbeit untrennbar miteinander verflochten sind.
Die Aufgabenstellung des Stadtmarketings ist stadtübergreifend und hat häufig andere Zielgruppen im Fokus. Auch Fachstellen, wie der Deutsche Museumsbund und die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, empfehlen, die Kommunikationskanäle weiterhin hausintern zu betreuen. Bei Großveranstaltungen wie Sonderausstellungen, Kunstnacht, Römerfest, wo Touristen in die Stadt geholt werden sollten, arbeitet man mit dem Stadtmarketing bereits gut zusammen, für die Werbung außerhalb der Stadt verfügen die Tourismusfachkräfte im Stadtmarketing über die bessere Expertise.
Vordiskussion im Kulturausschuss
Das Verhältnis zwischen Stadtmarketing und Kulturamt stand nicht auf der Tagesordnung. Eine alternative Beschlussvorlage, nach der man die Stellen vom Kulturamt zum Stadtmarketing verlegen sollte, gab es ebenfalls nicht. Dafür aber ein positives Gutachten des Kulturausschusses. Dort stimmten allerdings Alexander Buck und Hubert Wipper (beide FW) dagegen. „Das Stadtmarketing wurde uns so verkauft, dass es einiges übernimmt und entlastet“, argumentierte Buck bereits damals. Im Vorfeld hätte man alles schön dargestellt, ein paar Monate später sehe es auf einmal anders aus.
Kulturelle Angelegenheiten im Stadtmarketing zu vermarkten, sei schwierig, entgegnete die Kulturbeauftragte Annette Hauser-Felberbaum (FW). Bei den Angeboten für Familien sehe man den Unterschied am besten, ergänzte Bürgermeisterin Erna-Kathrein Groll (Grüne). Die breit aufgestellte Zusammenarbeit mit den Schulen hob Gerti Epple (Grüne) hervor und sprach von einer „sehr großen Leistung, die viel Output bringt“. „Kultur braucht Öffentlichkeit“, begründete Stephan Prause (CSU) seine Zustimmung. „Es ist enorm, was die Mitarbeiterinnen bewerkstelligen“, lobte Wolfgang Meyer-Müller (Grüne) die Arbeit, er würde die Stellen sogar gerne aufstocken, wenn die finanzielle Lage der Stadt besser wäre.
„Wozu haben wir ein Stadtmarketing gegründet?“
Aus der Sicht des Kulturamtes laufe alles sehr gut, sagte Prof. Robert Schmidt (CSU) im Personalausschuss. „Aber ich frage mich: Wozu haben wir ein Stadtmarketing gegründet?“ Warum werden die Plakate und Flyer nicht vom Stadtmarketing gestaltet und in Druck gegeben?
Bei der Gründung der GmbH sei nicht ein „Citymanagement 2“ das Ziel gewesen, betonte Helmut Berchtold (CSU). „Wir haben im November 2022 beschlossen, dass bis 2024 alles stehen soll.“ Das Stadtmarketing habe seitdem das Citymanagement und den Wohnmobilstellplatz übernommen. „Die Idee war eine andere. Umgesetzt haben wir nichts.“ Noch immer mache jeder weiter wie vorher, auch das TIK (Theater in Kempten). „Wieso vermarktet die Festwoche noch immer der Eigenbetrieb?“, fragte Berchtold. Er wünsche sich, dass die guten Leute, die für Öffentlichkeitsarbeit zuständig sind, zum Stadtmarketing wechseln. Sonst könne man es sein lassen. Wenn es dann auch nicht funktioniere und man feststellen müsse, dass es sich um einen „Rohrkrepierer“ handle, müsste man Konsequenzen ziehen. Das Kulturamt liege falsch, wenn es behaupte, das Stadtmarketing sei nicht „hausintern“, es gehöre nämlich ebenfalls zur Stadt.
Man könne nicht gleichzeitig Profi und Marketingprofi sein, behauptete Buck und bezog sich auf seine Erfahrungen in seinem privaten Geschäft. Er frage sich, ob nach der gleichen Logik auch das Sportamt und der Bauhof eigene Marketingspezialisten anstellen sollten.
„Mir schlagen zwei Herzen in der Brust“, sagte Andreas Kibler. Er sehe, dass die Themen beim Kulturamt gut aufgehoben seien. „Aber hier sitzen sechs Mitglieder des Stadtmarketing-Aufsichtsrates. Und die fragen: Wozu haben wir es gegründet?“
Der Oberbürgermeister sucht nach Kompromisslösungen
Die Meinungen würden gar nicht so weit auseinanderliegen, behauptete der OB und wollte von Müller Horn eine klare Trennschärfe formuliert bekommen. Das Stadtmarketing habe an erster Stelle eine strategische Aufgabe und das Kulturamt einen Bildungsauftrag, erläuterte sie. Bei Großveranstaltungen, wie bereits gesagt, arbeite man gut zusammen. Die Geschäftsführerin des Stadtmarketings habe klar geäußert, dass sie das Drucken von Flyern nicht als ihre Aufgabe ansehe. In Müller Horns Augen sei das Stadtmarketing eine externe GmbH. Sinnvoll wäre es, als nächsten Schritt erst in Ruhe über die Schnittstellen der beiden Organisationen zu sprechen.
Da während ihrer Beiträge die vorherigen Redner weiterhin untereinander emotional diskutierten, mahnte Epple zunächst an, die Argumentation von Müller Horn mindestens anzuhören. „Man kann Personalpolitik nicht mit der Brechstange machen“, sagte Epple. Man sollte den Menschen hinter der Stelle sehen und wies auf die Situation von unsicheren Arbeitsverhältnissen von in Teilzeit arbeitenden Frauen hin. Das Kulturamt habe in den letzten zehn Jahren Vorbildliches geleistet, vor allem in der Bildungsarbeit für Familien, Schulen und Kindergärten, sagte sie. Ohne die Stellen werde das Amt diese nicht mehr leisten können.
„Das Stadtmarketing ist im Moment nicht in der Lage, diese Aufgaben zu übernehmen“, ergänzte Groll. Es sei zurzeit damit beschäftigt, den Marken-Prozess für Kempten zum Laufen zu bringen, mit dem Ziel, die Stadt als Marke qualitativ nach außen zu verkaufen. Man sollte der GmbH zuerst die Chance geben, sich auf eigene Füße zu stellen. Und im Kulturamt sollte man nicht kaputtmachen, was ausgezeichnet läuft. Sie finde die Erklärung von Müller Horn über die unterschiedlichen Aufträge logisch, betonte Ingrid Vornberger (SPD). Wenn man den Marketingleuten die Inhalte zuerst beibringen müsse, könne man die Arbeit gleich auch selber machen.
Eine leidenschaftliche Rede des Wirtschafts- und Kulturreferenten
Es sei verwirrend, wenn man unter den gleichen Begriffen Unterschiedliches verstehe, begann Wirtschafts- und Kulturreferent Dr. Richard Schießl seinen emotionalen Redebeitrag. Über Stadtmarketing sollte man nur dann sprechen, wenn es um gesamtstädtische Themen gehe. „Man kann sich den Mund fusselig reden, manche haben es trotzdem noch immer nicht verstanden.“ Auch in der Wirtschaft überlasse man den direkten Kundenkontakt nicht den „Marketingfuzzis“. Im Kulturamt bedeute das, mit Kindern, Erwachsenen und Senioren ins Gespräch zu kommen. Für die Vermarktung von Bastel- und Kräuterworkshops hätte das Stadtmarketing sowieso keine Kapazitäten.
Es gebe Bereiche, die keine eigene Öffentlichkeitsarbeit brauchen, wie das Rechtsamt. Aber im Kulturamt sei diese wegen seiner Größe und Bedeutung sinnvoll. Auch das OB-Büro werde seine Öffentlichkeitsarbeit nicht dem Stadtmarketing abtreten. Statt das Kind mit dem Bade auszuschütten, empfahl er, „vernünftig und auf Augenhöhe“ miteinander zu kommunizieren.
Eigene Fraktion geht nicht auf die Bitte des Oberbürgermeisters ein
Kiechle versuchte, verbindende Inhalte zu finden. Er verstehe den Wunsch, nach Synergien zu suchen und kenne die politische Vorgabe, eine Schnittstelle zu schaffen. Aber speziell das Kulturamt werde vielfach überregional wahrgenommen, bringe vernünftige Themen ein und verfüge über einen guten Ruf. „Ich bin davon tief überzeugt, dass das „logischerweise niemand übernehmen kann“, sagte er.
Prof. Schmidt übernahm eine von Franz Josef Natterer-Babych (ÖDP) eingebrachte Idee, den kw-Vermerk um ein Jahr zu verlängern. Vornberger bat um zwei Jahre und wies auf die bevorstehenden Kommunalwahlen hin. „Gehen Sie mir zuliebe bei zwei Jahren mit“, warb der OB bei den CSU- und FW-Vertretern um diesen Kompromissvorschlag. Diese lehnten sein Angebot ab (Stimmergebnis: 6:5), die Verlängerung um ein Jahr wurde einstimmig angenommen.
Die Sichtweise der Stadtmarketing-Geschäftsführerin
Der Kreisbote befragte Stadtmarketing-Geschäftsführerin Ekaterina Avdosyev zu den Inhalten der Diskussion, über die sie erst im Nachgang erfuhr. Der politische Auftrag des Stadtmarketings sei, auf einer Ebene über den Ämtern, gezielter und einheitlicher, schlagkräftig und professionell zu kommunizieren, um die Strahlkraft der Stadt nach außen zu erhöhen, sagt sie. Flyer zu drucken, stehe am Ende des Prozesses. Zuerst müsse man detailliert ausarbeiten, was auf das Stadtmarketing übertragen werde und was bei den Ämtern bleibe; man sollte bei dem Übergang Qualitätsverluste vermeiden. Man dürfe nichts überstürzen, man müsse sich zunächst zusammensetzen, und eine klare Strategie, einen klaren Fahrplan ausarbeiten. Die Eingliederung müsse genau geplant sein, so, dass man sowohl dem Kulturamt als auch den Mitarbeitenden Sicherheit gebe. „Wir wollen Vorhandenes nicht brechen. Es muss aber jemanden geben, der für die Einhaltung der Markenwerte, der Sprache und der Bildsprache verantwortlich ist.“ Das Ziel sei eine gebündelte Kommunikation.
„Schiefgelaufen“, ein Kommentar von Lajos Fischer
„Endlich eine Tat!“, ruft Hedda Gabler in Ibsens Drama, als sie von Ejlert Lövborgs Selbstmord erfährt, an dem sie nicht ohne Schuld ist. „Endlich eine Tat!“, dieses Gefühl mussten auch einige Stadträte innerlich gerufen haben, als sie den Sitzungssaal verließen. Hier lag zwar kein Toter auf der Bühne, aber ein übel riechender Scherbenhaufen. Es ist schwer zu glauben, dass dieser ungewollt herbeigeführt wurde. Sechs Herren der anwesenden elf Ausschussmitglieder sitzen im Aufsichtsrat der Stadtmarketing GmbH, die naturgemäß nicht öffentlich tagt. Man fragt sich: Was motiviert diese, ihren offensichtlichen Frust über die bisherige Entwicklung der Organisation in einer Ausschusssitzung, die mit dessen Ursachen bestenfalls am Rande etwas zu tun hat, öffentlich zu machen? Ist es in Ordnung, die Zukunft eines eingespielten Teams im Kulturamt und einer von allen hochgelobten Mitarbeiterin, die sich seit drei Jahren über die Zukunft und Sicherheit ihres Arbeitsplatzes Gedanken macht (Die Stadt Kempten behauptet, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein!), aufs Spiel zu setzen, nur weil diese Personalangelegenheit gerade auf der Tagesordnung steht und sich als Aufhänger für ihr Anliegen eignet? Als Aufhänger für eine ersehnte, und anscheinend im richtigen Gremium, nämlich im Aufsichtsrat, nicht oder unbefriedigend geführte Diskussion. Warum stellt man an Dr. Christine Müller Horn Fragen, für deren Beantwortung an erster Stelle Ekaterina Avdosyev und die Mitglieder ihres Aufsichtsrats verantwortlich sind? Warum lässt diese der Oberbürgermeister zu? Und warum sagt niemand, dass man für diese Debatte den falschen Ort und die falschen Personen ausgewählt hat?
Die Startschwierigkeiten des Stadtmarketings haben viele Gründe. Die dramatische Verschlechterung der städtischen Finanzen gehört sicher dazu. Da man vorher in einer Arbeitsgruppe jahrelang diskutierte und sich nicht einigen konnte, sah man den Ausweg in der Anstellung einer Geschäftsführerin, die den Weg aufzeigen sollte. Die aktuelle Diskussion zeigt, dass es bis heute nicht gelungen ist, die Stadträtinnen und Stadträte hinter einem Konzept zu versammeln. Das Ziel war, im ersten Schritt die passenden Teile des Citymanagements und des Stadttourismus zusammenzuführen. Dies löste in keiner der beiden Organisationen große Freude aus. Beide hauptamtliche Führungskräfte haben gekündigt und nahmen ihr Fachwissen und ihre Netzwerke mit. Das Ausräumen der Konflikte und die Neuaufstellung kosteten sehr viel Energie und Zeit, und wurden von Personalwechseln begleitet. Ob der Prozess richtig abgeschlossen ist, kann man bezweifeln. Der Personalnotstand ist auch der Grund dafür, dass das Stadtmarketing seine Beteiligung an dem Fest zum „Großen Kauf“ absagen musste. Ist es klug, bereits in dieser Situation den nächsten Schritt Richtung Kulturamt anzugehen und diesen wieder mal – wie beim Citymanagement – ohne klare Absprachen zu erzwingen? Wer und was bleibt diesmal auf der Strecke? Wäre es nicht sinnvoller, zuerst über die Integration des Festwochenmarketings zu verhandeln, statt Flyer für Kräuterworkshops erstellen zu lassen? Oder noch besser: Im Stadtmarketing intern die Richtung und das realistische Tempo festzulegen. Das wäre tatsächlich: „Endlich eine Tat!“
Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.
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