Von der Würzsauce der Römer aus gegärtem Fisch erfahren, sich wiegen zu Walzerklängen und Bildern aus dem einstigen Schlößle-Café oder blättern in alten Festwochen-Plakaten. Einen Ausflug ins Museum unternahmen in der vorvergangenen Woche Seniorinnen und Senioren mit Demenz und ihre Betreuungspersonen. Für das neu entwickelte und speziell auf die Zielgruppe zugeschnittene Konzept erhielt das Kempten-Museum bereits einen Preis. Und auch beim ersten Probelauf während der bayernweiten „Demenzwoche“ kommt das Angebot gut an.
Kempten – „Des isch doch nett! Ich hab selber schon gemalt“, sagt ein Mann, der gerade die Bilder der aktuellen Sonderausstellung „Handgezeichnet“ betrachtet. „Ich sollte auch hier ausstellen“, findet er angeregt. Als „sehr interessant“ beurteilt eine Dame die Führung mit dem Titel „Spurensuche im Museum“. Ihr haben vor allem die Würste im „Markt“-Raum und das Tanzen im Freizeitraum gefallen. Bei Rock’n’Roll und Swing kam Leben in die Seniorinnen und Senioren, die ihre Oberkörper und Füße wippten. „Man sollte sich wieder mehr auf Musik besinnen“, sagt ein Herr.
Anregung für an Demenz erkrankte Menschen bei der speziellen Führung im Kempten-Museum
Solche Reaktionen haben sich Barbara Guranti und Anja Meisch von der Fachstelle für pflegende Angehörige beim Caritasverband Kempten-Oberallgäu für die Teilnehmer ihrer Gruppe erhofft. Die beiden haben bei der Konzeption der Führung beratend zur Seite gestanden. Wohlbefinden, schöne Erinnerungen und ein nettes Miteinander sollte ein solches Angebot ihrer Meinung nach hervorrufen.
„Was ist denn das wichtigste Essen im Allgäu?“, fragt Gabi Fackler, die die Teilnehmer zusammen mit Anja Scheidl durch das Museum begleitet. Die beiden Gästeführerinnen sprechen langsam, machen immer wieder Pausen, gehen auf Einwürfe und Erinnerungen ein, zeigen Bilder und Exponate. Ganz klar: Es sind die Kässpatzen, wissen die Rentnerinnen und Rentner.
Eine einfache Sprache, eine ruhige Atmosphäre sind genauso wichtig für das Gelingen der Führung wie gezielte Eindrücke und ein kontinuierlicher Ansprechpartner.
„Wir laufen Gefahr, Menschen mit Demenz zu wenig zuzutrauen“
„Wir laufen Gefahr, Menschen mit Demenz zu wenig zuzutrauen“, sagt Kathrin Lörch-Merkle, von der Fachstelle für Demenz und Pflege Schwaben. Unter den Senioren seien oft „hochgradig kompetente Menschen“, denen Ausflüge gut tun können. Allerdings könnten manche Reize auch negative Erinnerungen hervorrufen. Deshalb sei es wichtig, dass immer jemand dabei ist, der dies „einfangen“ könne.
Auch im Kempten-Museum hat mach sich vorbereitet, um auch auf negative Reaktionen vorbereitet sein zu können. Wie Dr. Kerstin Batzel, Leiterin der Museumspädagogik beim Kulturamt, erklärt, bemühe sich das Haus seit Jahren, möglichst inklusiv zu sein. Da kam die Idee von der Kulturbeauftragten im Stadtrat genau richtig. Anette Hauser-Felberbaum hat selbst gute Erfahrungen gemacht mit Ausflügen, Vorlese-Einheiten und kreativen Aktivitäten bei älteren Menschen mit Vergesslichkeit. So gab sie den Anstoß für die Führung.
Fühlen, Riechen, Schmecken
Die Themenräume im Kempten-Museum seien ganz besonders geeignet, um Erinnerungen wach werden zu lassen, so Kerstin Batzel. Denn Menschen mit Demenz können Kempten mit allen Sinnen erleben.
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An das Konzept angelehnt entwickeln Studierende der Fakultät für Gesundheit und Soziales an der Hochschule Kempten einen „Museumskoffer“. Er ist für Demenzkranke gedacht, die nicht mehr ins Zumsteinhaus kommen können. Er kann in Gruppenveranstaltungen eingesetzt werden, etwa bei der Caritas, wo Themen kognitiv, alltagspraktisch, sozial und motorisch aufbereitet werden.
Das gesamte Führungskonzept überzeugte auch die Bayerische Sparkassenstiftung. Sie zeichnete es mit dem Nebenpreis des Förderpreises Vermittlung im Museum aus.
Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.
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